Steuer-Leaks und ihre meist unbekannten Whistleblower

Das Problem

Geld ist weltweit ungleich verteilt. Das war schon immer so. Aber: Die Schere zwischen wenig(er) und (sehr) viel wird immer größer - mit zunehmender Geschwindigkeit. So gesehen ersteinmal nichts Neues.

Die international tätige NGO Tax Justice Network hat dazu Zahlen recherchiert. Die weltweite Wirtschaftsleistung aller Länder dieser Erde innerhalb eines Jahres beträgt rund 70 Billionen Euro, das sind 77.000 Miiliarden. Das in Steuerosasen versteckte und nicht versteuerte Vermögen beträgt knapp ein Drittel davon.

Weil auch die Wirtschaftsleistung der Nationen untereinander sehr unterschiedlich ist und v.a. auch innerhalb der Länder, das Gefälle zwischen reich und nicht reich - bzw. zwischen finanziell total abgesichert und völlig ungewisser Zukunftsperspektive - haben inzwischen sogar bisher (sehr) konservativ denkende und agierende Institutionen (Internationaler Währungsfonds, Weltbank, OECD u.a.) das als ernsthaftes Problem erkannt: Langfristig könnte das den sozialen Zusammenhalt unterminieren und demokratische Strukturen gefährden.

Die 'hohe Politik' hatte bisher darauf nicht reagiert. Schon deswegen nicht, weil sie teilweise selbst Bestandteil des Problems und stabilisierendes Element dieser Strukturen ist. Bzw. jahrzehntelang war.

Das hat sich inzwischen geändert.

Unbekannte Whistleblower und an die 100 Journalisten in über 40 Ländern dieser Erde haben in koordinierten Aktionen mit ihren Veröffentlichungen die Politik zum Handeln gezwungen.

Begonnen hatte es Anfang April 2013 mit Offshore-Leaks - in dem Jahr, in dem wenige Monate später der Whistleblower Edward SNOWDEN der Weltöffentlichkeit die heimlichen Überwachungsmaßnahmen der US-amerikanischen NSA geoutet hatte, mittels derer selbst die (vermeintliche) Lichtgestalt Barack OBAMA Bundeskanzlerin MERKEL hatte abhören lassen.

Ein Jahr später, 2014, machte Antoine DELTOUR, Angestellter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC in Luxembourg mit Hilfe eines französischen Journalisten öffentlich, dass die meisten großen internationalen Konzerne ihre europäischen Gewinne in Luxembourg versteuern ließen: Dort konnte man mit den Steuerbehörden über sehr geringe Steuersätze verhandeln. So hatten es Apple, Amazon, eBay, Pepsi, IKEA, die Deutsche Bank und rund 295 andere Unternehmen gemacht. Dies ist als Luxembourg-Leaks in die Annalen eingegangen.

Dass ausgerechnet ein europäisches Land sich als Steuerfluchtgehilfe verdungen hatte, löste im Europäischen Parlament und in der Öffentlichkeit große Entrüstung aus. Das Unverständnis war so groß, dass die europäischen Abgeordneten begonnen hatten, EU-weit Regeln zu fordern, mit denen Whistleblower in Zukunft geschützt würden.

Und so kam es auch. Ausgerechnet in einem "Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG)" wurde ein Paragraph 5 aufgenommen, der klipp und klar dies regelt: Die mit dem Gesetz angedrohten Sanktionen gelten nicht

  • „zur Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit, einschließlich der Freiheit und Pluralität der Medien;
  • zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens, wenn die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung geeignet ist, das öffentliche Interesse zu schützen.“

Das gilt seit April 2019. In Kraft getreten sechs Jahre nach dem ersten steuerlichen Leak. Antoine DELTOUR wurde anfangs von den luxembourgischen Gerichten zu Geldstrafen verdonnert. Die letzte Instanz hatte ihn zum Schluss wegen "Diebstahls" von Firmenunterlagen zu einer symbolischen Strafe von 1 Euro verurteilt, ihn aber wegen Verletzung von Geschäftsgeheimnissen freigesprochen. Bzw. freisprechen müssen - das neu installierte EU-Geschäftsgeheimnisgesetz hatte seine Wirkung im voraus gezeigt.

Die Kette von Leaks war damit noch nicht zu Ende. 2015 folgte Swiss-Leaks mit Informationen aus der HSBC-Bank, die ihren Sitz in Hongkong hat, Steuerflucht- und Schwarzgeldgeschäfte über die Schweiz abwickelte.

Das Jahr 2016 wurde durch die panama-papers geprägt - das bishjer größte Datenleak mit über 11 Millionen Dokumenten, was fast 3 Terrabyte Datenmenge entsprach. Da tauch(t)en die Namen von Diktatoren, Sportlern (Lionel MESSI) und Politikern (z.B. auch enge Freunde von Wladimir PUTIN) und andere Millionäre/Milliardäre auf.

2017 dann das - vorläufig - letzte steuerliche Leak: die paradise papers: Korruption, Geldwäsche, Steuerhinterziehung.

Die Bilanz

Folgen für die Gesellschaft:

Dass bei der Frage, wie man Steuerflucht wirksam bekämpfen kann, Bewegung in die politische Diskussion und auch ins politische Handeln gekommen ist und jetzt erstmals konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen, um z.B. auch die digitalen Weltmonopole wie Apple, Amazon oder google zur Steuerpflicht heranzuziehen, zeigt, dass Menschen (Whistleblower und Journalisten) die Welt verändern können.

Folgen für die Whistleblower:

Bis auf Antoine DELTOUR aus Luxembourg konnten alle anderen Hinweisgeber unerkannt bleiben und niemand konnnte ihnen etwas anhaben. DELTOUR hat eine sehr schwierige Zeit hinter sich bringen müssen, ist aber so gesehen 'rehabilitiert'. Er würde - auch ohne Schutz durch das Geschäftsgeheimnisgesetz - wieder so handeln. Und ihm ist maßgeblich zu verdanken, dass sich jetzt einiges ändern wird.


Hinweis:

Diesen Text können Sie direkt aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/Leaks

Wie das Schweizerische Bankgeheimnis zu Fall kam, ist unter www.ansTageslicht.de/Bankgeheimnis rekonstruiert. Die Geschichte des Whistleblowers Rudolf ELMER, der zusammen mit WikiLeaks im Jahr 2008, also 5 Jahre vor den ersten großen Steuerleaks, solche Praktiken international bekannt machte, haben wir 

dokumentiert.

(JL)

Online am: 18.08.2019
Aktualisiert am: 24.08.2019


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Whistleblower

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