Swen ENNULLAT

Ehemaliger Polizist, danach kommunale Führungskraft, inzwischen Bürgermeister

Kindergärten und Kindertagesstätten sind wichtige Einrichtungen – sie bereiten durch das Zusammenleben in größeren Gruppen junge Menschen auf die Anforderungen im späteren Leben vor. So macht es Sinn, dass der Staat über die Gemeinschaftskasse (Steuern) derlei Ausbildungsstätten zu über 90% finanziert. – neben den vergleichsweise geringen Beiträgen der Eltern, deren Höhe in der Regel einkommensabhängig ist.

So ist das auch bei der Kita „Knirpsenstadt“ in Königs Wusterhausen („KW“), direkt vor Berlin gelegen. Sie wurde bis 2014 betreut vom Humanistischen Regionalverband Ostbrandenburg (HRO), einem freien Träger. Deren ‚Chefs‘ sind Mitglieder jener Partei, die auch im Rathaus und im Landkreis Dahme-Spreewald das Sagen hat: der SPD. Konkret: Der HRO-Vorsitzende ist z.B. im SPD-Unterbezirk stellv. Vorsitzender, der Bürgermeister von „KW“ dort (nur) „Beisitzer“. Anders gesagt: Der Bürgermeister als Kontrolleur über den Freien Träger trifft sich mit dem, den er kontrollieren soll, auch als Funktionär auf Parteiebene. Potenziell ein Interessenskonflikt.

Eine solche Konstellation muss nicht, kann aber schiefgehen. Bei der Kita „Knirpsenstadt“ hat der HRO die mangelnde Bereitschaft im Rathaus, auf Transparenz zu bestehen, ausgenutzt: Elternbeiträge wurden zu niedrig gemeldet, dafür höhere Zuschüsse kassiert, die dann t.w. sogar  zweckentfremdet wurden. Das entstehende Defizit musste immer die Stadt ausgleichen. Zu Lasten aller Steuerzahler. So lief es über Jahre.

Bis 2013 Swen Ennullat kommt und als Fachbereichsleiter auch für die Kita’s zuständig wird. Ennullat hat  eine ungewöhnliche ‚Karriere‘ hinter sich. Noch sechs Jahre zuvor war er stellv. Leiter des Fachkommissariats „Polizeilicher Staatsschutz“ in Dessau (Sachsen-Anhalt). Zusammen mit Sven Gratzik, seinem Chef (ebenfalls in der Ausstellung vertreten) und einem dritten Kollegen, versuchten sie die Neo-Nazi-Szene in den Griff zu bekommen, die in Sachsen-Anhalt eine unrühmliche Rolle spielt. Sie waren erfolgreich, blähten durch ihre handfesten Ermittlungen aber die Polizeistatistik auf. „Man muss nicht alles sehen!“, hielt ihnen der stellv. Polizeivizepräsident vor. Und der politische Slogan „Hingucken“, den die Landesregierung ausgegeben habe, sei doch „nur für die Galerie.“

Das wollten die drei nicht hinnehmen, schalteten den Petitionsausschuss im Landtag ein und wurden daraufhin allesamt strafversetzt. Ennullat, der damals 30 Jahre alt war und auf die Polizeihochschule gehen wollte, musste sich gerichtlich durchklagen – Polizeiapparat und Innenministerium warfen dem Whistleblower alle nur denkbaren Knüppel in den Weg. 

Anders in Berlin. Im LKA war man an engagierten und qualifizierten Polizeibeamten interessiert. Man stellte das in Sachsen-Anhalt gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren ein und Ennullat war nun für die Islamistenszene zuständig. Doch der ständige Dauereinsatz, t.w. auch rund um die Uhr und der Berg an aufgelaufenen Überstunden, die man realistischerweise nie abarbeiten konnte, ließen sich nicht mit seinem Familienleben und seinen drei Kindern vereinbaren. Ennullat gab seinen sicheren Beamtenjob auf, bewarb sich da, wo er schon wohnte und lebte, und bekommt den Job in „KW“.

So kann dem ausgebildeten Kriminalpolizisten nicht lange verborgen bleiben, was da mit den (Steuer)Geldern im HRO passiert. Und schlägt Alarm. Beim Bürgermeister. Der will davon nichts wissen. Ennullat alarmiert  das eigene Rechnungsprüfungsamt. Das darf - ebenso wie Ennullat - die Angelegenheit nicht weiter verfolgen – der Bürgermeister verbietet es ausdrücklich. Ennullat will die Staatsanwaltschaft einschalten – der Bürgermeister untersagt es.

Bis das Regionalfernsehen Wind davon bekommt. Und den Bürgermeister um ein Interview in Sachen „Verschwendung von Steuermitteln“ bittet, das dieser schwerlich ablehnen kann. Doch der Bürgermeister ist so schwammig in seinen Ausführungen, dass die völlig entnervte Journalistin um ein zweites Interview bitten muss. Was der Bürgermeister auch gewährt. Denn kaum war das erste vorüber, hatte er  Ennullat die Order erteilt, eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zu stellen. Und zwar subito!

Jetzt endlich kommt die Sache ins Laufen. Ganz offziell. Der vom HRO veruntreute Betrag beläuft sich - über 10 Jahre gerechnet - auf über 800.000 Euro. Mit dieser Summe konfrontiert, meldet der HRO erst einmal Insolvenz an.

Auch Ennullat wird mit den Folgen konfrontiert: am 9. September 2014, ein Vierteljahr nach dem Fernsehbeitrag, wird er vom Bürgermeister entlassen. Auf der Stelle muss er seinen Schreibtisch räumen, Schlüssel und Dienstausweis abgeben.

Er bewirbt sich erneut, kann sich wieder unter 28 Mitbewerbern in gleicher Funktion in Lübben durchsetzen. Die Stelle bekommt er nicht. Diesmal kommt der Landrat ins Spiel, der im SPD-Unterbezirk den Vorsitz führt. Er warnt die Genossen vor dem zweifachen Whistleblower Ennullat.

Ennullat hat Glück. Einen neuen Job erhält er im benachbarten Landkreis, wo er sich unter vielen anderen bewirbt: jetzt als Leiter des Jugendamts. Dort muss er sich seit 2015 u.a. mit dem Problem vieler minderjähriger Flüchtlinge auseinandersetzen, die sich ohne Eltern auf den Weg nach Deutschland begeben haben. 

Trotzdem denkt und bleibt er politisch. Mit dem flächendeckenden Parteien-Filz in seiner neuen Heimatstadt Königs Wusterhausen will er sich nicht zufrieden geben. Er bewirbt sich um eine Kandidatur für das Amt des Bürgermeisterpostens. Und setzt sich durch. Und beginnt zu kämpfen, konkret: die Bürger zu überzeugen.

Bei der nächsten Wahl, die zeitgleich zur Bundestagswahl im September 2017 läuft, setzt er sich mit klarem Vorsprung durch, sprich mit dem doppelten an Wählerstimmen wie die seines Konkurrenten. Zwei Wochen später kommt es zur Stichwahl. Ennullat gewinnt auch die: mit 71,5% der Stimmen. 

Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit sind offenbar Tugenden, die immer noch akzeptiert werden. Ein Lichtblick!


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(Text: JL / Fotocopyright: Petrov AHNER)