Dossier des Hamburger Abendblatts, 03.12.2012

von Volker ter HASEBORG, H-L Mikuteit

Geht doch! Mehr Lohn bei Billigjobs

Jahrelang hat die Stadt Hamburg Staatsdiener zweiter Klasse beschäftigt. Vor zwei Monaten berichtete das Abendblatt in einem großen Dossier darüber. Wir haben Menschen vorgestellt, die im Auftrag der Stadt arbeiten - und prekär beschäftigt sind. Was hat sich seitdem getan?

Was für ein Arbeitgeber ist die Hansestadt Hamburg? Das war die Ausgangsfrage eines vierseitigen Dossiers, das vor zwei Monaten im Hamburger Abendblatt erschien. Darin haben wir Menschen vorgestellt, die in Töchtergesellschaften städtischer Betriebe arbeiten, zum Billiglohn. Wir haben Mitarbeiter von Unternehmen getroffen, die für die Stadt arbeiten - unter schlechten Bedingungen, zu einem niedrigen Lohn. Und wir haben Leiharbeiter kennengelernt, die seit Jahren für die Stadt tätig sind, die die gleiche Arbeit machen wie die Stammbelegschaft - aber weniger verdienen.

Insgesamt sind nach Schätzungen der Gewerkschaft Ver.di 10 000 Menschen im Namen der Stadt prekär beschäftigt. Viele von ihnen verdienen so wenig Geld, dass der Staat ihr Gehalt mit Hartz IV aufstocken muss. In Hamburg gibt es zurzeit 35 400 Aufstocker.

Ende November hat der Senat das Landesmindestlohngesetz beschlossen. Ämter, Behörden und öffentliche Unternehmen müssen ihren Beschäftigten mindestens 8,50 Euro brutto in der Stunde zahlen. Durch eine Änderung des Hamburgischen Vergabegesetzes gelten diese Regeln auch für Firmen, die Aufträge von der Stadt erhalten. In der kommenden Woche kommt das Gesetz in die Bürgerschaft, im ersten Quartal 2013 soll es dort beschlossen werden. Darüber hinaus will der Senat Leiharbeit mithilfe zweier Richtlinien "auf ein Mindestmaß" reduzieren.

Das Abendblatt hatte beispielhaft Firmen vorgestellt, in denen Löhne gedrückt werden. Inzwischen hat sich dort einiges getan. Ein Überblick.

Vereinigung Kindertagesstätten

Seit März kämpfen die 740 Hauswirtschaftskräfte der Vereinigung Kita Service GmbH, die in den städtischen Kindertagestätten Essen kochen, putzen und waschen, für faire Gehälter. Laut Ver.di liegen ihre Löhne bis zu 30 Prozent niedriger als im öffentlichen Dienst. Arbeitgeber und Gewerkschaft haben sich nach zähen Verhandlungen darauf geeinigt, dass es für die ausgegliederte Service-Tochter einen Tarifvertrag unter dem Dach der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg (AVH) geben soll. Und zwar voraussichtlich schon ab 1. Januar 2013. "Wir sind auf einem guten Weg", sagt die Geschäftsführerin der Vereinigung, Katja Nienaber. Inhaltlich wollte sie sich noch nicht äußern. Sicher ist: Der Vertrag wird nicht identisch sein mit den Tarifen des öffentlichen Dienstes, aber die Löhne werden höher sein als die Branchentarife in Gastronomie und im Reinigungsbereich. Und: Es wird drei Entwicklungsstufen geben, auf die die vorhandene Beschäftigungsdauer angerechnet wird. "Das kann bis zu 100 Euro brutto mehr im Monat in der Lohntüte bringen", sagt Hilke Stein, die für Ver.di in den Verhandlungen sitzt.

Stadtreinigung

Die Stadtreinigung hat sowohl interne als auch externe Leiharbeiter beschäftigt. Zum einen hatte sich das städtische Unternehmen Mitarbeiter aus den Töchterfirmen Wert GmbH und der Stadtteilreinigung ausgeliehen, ihnen jedoch nicht das Tarifgehalt der Beschäftigten im Mutterkonzern gezahlt. So ergaben sich Gehaltsunterschiede von bis zu fast 500 Euro brutto im Monat - für die gleiche Arbeit. Darüber hinaus wurden bei der Wert GmbH bis zu 50 Leiharbeiter zusätzlich zu den 160 eigenen fest Beschäftigten eingesetzt. Einige der Leiharbeiter arbeiten schon bis zu zehn Jahre im Unternehmen. Im Oktober kündigte die Stadtreinigung an, die interne Verleihe zu beenden und Leiharbeitern das gleiche Geld für die gleiche Arbeit zu zahlen. Darüber hinaus soll die Zahl der Leiharbeiter auf ein Mindestmaß reduziert werden.

Die Stadtteilreinigung soll jetzt ganz aufgelöst und die 110 Mitarbeiter bei der Stadtreinigung angestellt werden. "Wir sind sicher, dass wir das gesteckt Ziel, allen STR-Mitarbeitern einen Arbeitsvertrag noch vor Weihnachten zu übergeben, erreichen werden", teilte ein Unternehmenssprecher mit. Der Wert GmbH liegen den Angaben zufolge 20 Bewerbungen von Leiharbeitern vor. Ab Januar sollen alle bei der Wert GmbH eingestellt werden.

Krankenhäuser

Das Universitätsklinikum Eppendorf zahlt in ihren Tochterunternehmen Klinik Gastronomie Eppendorf, Klinik Logistik Eppendorf und Klinik Textilien Eppendorf weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Betroffen sind 269 Beschäftigte, darunter Küchenhilfen und Mitarbeiter in der Wäscheversorgung. Der niedrigste Stundenlohn liegt bei 7,82 Euro in der Gastro-Tochter. Mit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes sollen die Löhne auf 8,50 Euro pro Stunde abgehoben werden.

In den zehn Krankenhäusern der Asklepios Klinken Hamburg GmbH, an der die Stadt Hamburg mit 25,1 Prozent beteiligt ist, gilt seit Mai der Mindestlohn von 8,50 Euro. Der Konzern hat den nicht medizinischen Bereich ausgegliedert. In der Asklepios Services Hamburg (ASH) GmbH arbeiten etwa 900 Beschäftigte verschiedener Branchen. Es gibt Kritik an der Bezahlung. Ver.di will das Unternehmen jetzt zu Gesprächen über einen Haustarifvertag auffordern.

Parallel gibt es bei Asklepios Überlegungen, den gesamten nicht medizinischen Bereich umzustrukturieren. Nach Abendblatt-Informationen soll die ASH in die unterschiedlichen Bereiche, wie Reinigung, Gastronomie, Lager und Logistik aufgespalten werden. In den entstehenden Töchtern könne dann der jeweilige Branchentarif angewendet werden. Wie sich die Neuordnung auf die Beschäftigten auswirkt, ist noch unklar. Ein Asklepios-Sprecher bestätigte die Pläne, äußerte sich aber nicht zu Details.

Beim Thema Leiharbeit gibt es noch Streit zwischen Gewerkschaft und Konzern. Aktuell beschäftigt Asklepios über die Asklepios Hamburg Personalservice GmbH und medi top Pflegedienst und Service GmbH Mitarbeiter nach dem Leiharbeitstarif. Zudem lagert der Klinikkonzern weiter therapeutische Leistungen an die Asklepios- Klinik Am Kurpark Bad Schwartau aus, die als Reha-Klinik nicht dem Krankenhaustarif unterliegt. Physiotherapeuten werden in Bad Schwartau angestellt und arbeiten in Asklepios-Häusern in Harburg, Rissen und St. Georg. Dort verdienen sie bis zu 200 Euro brutto weniger im Monat. Laut Betriebsrat laufen derzeit Gespräche, dieses Modell auch im Klinikum Nord anzuwenden.

Saga

Die Wohnungsgesellschaft Saga beschäftigte in ihrer Tochtergesellschaft BCH BüroConsult über 100 Mitarbeiter, vor allem Bürokräfte, zum Leiharbeitertarif. Doch die neuen Regeln des Senats beenden das Geschäftsmodell jetzt. Laut der neuen Leiharbeitsrichtlinie muss die Saga die langjährigen Leiharbeiter der BCH "in tarifvertragliche Arbeitsverhältnisse" im Mutterkonzern überführen und für die weiteren Leiharbeiter eine sozialverträgliche Lösung finden. Die Gespräche über die Zukunft der Leiharbeiter, die noch nicht so lange im Unternehmen sind, laufen laut Saga noch.

Hamburger Arbeit

Die HAB Service GmbH hat 141 Mitarbeiter, die teilweise in der Muttergesellschaft Hamburg Arbeit Beschäftigungsgesellschaft (HAB) eingesetzt wurden, die 109 Mitarbeiter hat. Bezahlt werden die Leiharbeiter weiterhin nach dem Zeitarbeitstarif oder nach dem Mindestlohn für Gebäudereiniger. Werden sie an die HAB ausgeliehen, erhalten sie dort den gleichen Lohn wie die Stammkräfte.

Elbe-Werkstätten

Die PIER Tempo Zeitarbeit GmbH ist eine Tochter der Elbe-Werkstätten, an denen die Stadt Hamburg 32,3 Prozent der Anteile hält. 17 Leiharbeiter hat die PIER Tempo, sie helfen in den Elbe-Werkstätten aus, wenn kurzfristig Arbeitskräfte gebraucht werden. Bislang wurden sie in den ersten sechs Monaten nach dem Leiharbeiter-Tarif bezahlt. Seit November gibt es mehr Geld: Alle Leiharbeiter werden, wie die Kollegen in den Elbe-Werkstätten, nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt.

WeKo Sicherheitsdienste

Das Sicherheitsunternehmen hat Aufträge im Wert von mindestens 4,2 Millionen Euro von der Stadt bekommen, wie eine Kleine Schriftliche Anfrage der Linken in der Bürgerschaft ergab. Die Mitarbeiter bewachen die Universität, Bezirksämter, Schulen und patrouillieren bei Planten un Blomen. Laut Tarif muss WeKo seinen Wachleuten derzeit mindestens 7,31 Euro pro Stunde zahlen. Durch das Mindestlohngesetz könnten die Beschäftigten bald einen Stundenlohn von 8,50 Euro bekommen. Die Stadt will erreichen, dass auch laufende Verträge angepasst werden. Einen Zwang gibt es aber nicht. WeKo-Chef Kay Kohlermann teilt mit: "Sofern ein Hamburger Mindestlohngesetz Sicherheitsunternehmen, die Aufträge für die Stadt Hamburg durchführen möchten, zu der Zahlung eines Mindestlohns von 8,50 Euro verpflichtet, werden wir selbstverständlich auch diese Anforderung erfüllen."