Behördenwirrwarr - Ein kleiner Einblick

 

Die Behörde, ein Geflecht aus Zuständigkeiten, Hierarchien und einer Ansammlung an außerordentlich umfangreichen Telekommunikationsverbindungssystemen - “Einen Moment bitte, ich verbinde sie mal mit…“ Wer soll da noch durchblicken? Gerade wenn man auf der Suche nach Informationen bezüglich eines so hoch brisanten Sachverhaltes ist?

Weiteres Problem: Die wenigsten, mit denen man verbunden wird, fühlen sich zuständig. Und der Rest möchte sich eigentlich nur ungern dazu äußern. Da kommen gesetzliche Regelungen wie „Datenschutz bei laufenden Ermittlungen“ oder das „Steuergeheimnis“ gerade recht.

Aber wenn die Tür am Haupteingang ein wenig klemmt, dann kann man es ja mal durch die Hintertür probieren. Und wer eignet sich besser zu einem Gespräch als jemand, der sich mit diesen undurchsichtigen Strukturen auskennt und sich hin und wieder mit ihnen auseinandersetzten musste. Daher suchte ich das Gespräch mit einer ehemaligen Sozialhilfesachbearbeiterin, die mir zu meiner großen Freude einen kleinen Einblick in das Reich der Zettel, Stempel und Schubladen gewährte.

Meine erste Frage war natürlich, ob es wirklich so schwer ist einen Datenabgleich zu veranlassen, wie die Bundesagentur verlauten ließ?

Wirft man einen kurzen Blick auf den Paragraphen § 52 „Automatisierter Datenabgleich“ aus dem Sozialgesetzbuch II, erkennt man schnell, dass es sich um ein „Wer will, der kann“ handelt. Denn nach diesem Paragraphen darf die Bundesagentur Personen, die Leistungen beziehen, regelmäßig im Wege des automatisierten Datenabgleichs u. a. darauf hin überprüfen, ob und in welcher Höhe ein bestimmtes „Kapital“ nicht mehr dem Zweck einer geförderten zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des Einkommensteuergesetzes dient.

Zur Durchführung des automatisierten Datenabgleichs dürfen folgende Daten einer Person, übermitteln werden: Name und Vorname, Geburtsdatum und -ort, Anschrift und Sozialversicherungsnummer.

„Bei uns waren Datenabgleiche durchaus nicht Ungewöhnliches. Vierteljährlich wurde der automatisierter Datenabgleich der Leistungsempfänger vorgenommen“, so die Sozialhilfesachbearbeiterin. Bei begründetem Verdacht des Leistungsmissbrauchs kam es dann zu einer Anhörung, in der sich der Beschuldigte rechtfertigen konnte. War es dem Betroffenen nicht möglich, eine plausible Erklärung für die widersprüchlichen Angaben zu liefern, musste Anzeige erstattet werden. Folge war die Einschaltung der Staatsanwaltschaft bis hin zur Anklage und die damit verbundene Rückforderung der gewährten Leistungen. Denn schließlich wird jeder Antragsteller ausführlich darüber informiert, dass er sich bei Falschangaben strafbar macht, an Unwissenheit kann es also nicht immer liegen.

Die Datenpflege und der Datenabgleich sowie die daraus häufig resultierenden Folgeaufgaben wie Vorladungen und Anhörungen sind allerdings sehr aufwendige Prozeduren. Sie erfordern Zeit und fachkundiges Personal. „Doch an dem fehlt es leider zurzeit noch in der Bundesagentur für Arbeit“, weiß die Sozialhilfesachbearbeiterin aus Erfahrung.

Aber nicht nur geringer qualifiziertes Personal und der alltägliche Papierkrieg machen die Arbeit in der Behörde teilweise zu einem schwierigen Unterfangen. „Die Arbeit war durchaus kein Zuckerschlecken“. Man kämpft mit enttäuschten oder wütenden Antragsstellern, und zusätzlich erschweren die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Kollegen den Arbeitsalltag.

Einfach gesprochen gibt es nämlich zwei Sorten von Sozialhilfesacharbeitern. Die „Guten“ und die „Bösen“.

Die „Guten“ entscheiden meist zu Gunsten des Antragsstellers. Sie erfreuen sich einer großen Beliebtheit bei den Leistungsempfängern und übersehen auch gerne mal ein kleines Detail. Sie treffen ihre Entscheidungen emotional und haben das „Wohl der Schwachen“ im Blickwinkel.

Die „Bösen“ legen im Gegenzug eine gewisse Härte an den Tag. Sie nehmen Dinge und Vorschriften ganz genau und treffen ihre Entscheidungen nur auf der Grundlage von belegbaren Fakten. Sie werden nicht nur von den Antragstellern gemieden, auch die Kollegen empfinden ihre Entscheidung oft als ungerecht bzw. unsozial. Werden also die Antragssteller nach den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen den jeweiligen Sachbearbeitern zugeordnet, wünschte sich mancher, er hieße anders, denn dann hätte er die Sozialhilfe genehmigt bekommen.

Es bleibt die Frage, für wen Sie gut oder schlecht sind. Antragsteller und Steuerzahler werden auf diese Frage eine unterschiedliche Antwort haben.

Es wird also nicht immer gleichförmig gearbeitet in den Dienststellen, denn Menschen treffen unterschiedliche Entscheidungen. Und gerade bei einem so sensiblen Thema können Arbeitsabläufe und Entscheidungen nicht hundertprozentig automatisiert werden. Das können auch die klar definierten Strukturen in der deutschen Behördenlandschaft nicht ändern.

Wir wollen auch nicht behaupten, dass Menschen keine Fehler machen dürfen und doch fragt man sich was passiert, wenn eine geschätzte Summe von 300 Mio. zurückgeholt werden könnte, dies aber mit einem hohen Arbeitsaufwand und vielleicht einem Imageverlust verbunden ist?

Unseren Nachforschungen nach zu urteilen, hält sich das Engagement der Behörden in Grenzen und auch das ist für die ehemalige Sozialhilfesachbearbeiterin keine Überraschung. Denn in manchen Dienststellen spricht man tatsächlich davon, dass die „Qualität der Quantität schadet!“ Bedeutet: wer einen Antrag gründlich prüft und somit längere Bearbeitungszeiten in Kauf nimmt, hemmt das Tempo der Fließbandproduktion der Antragsbearbeitenden Behörde, und macht sich meist sehr unbeliebt. Doch gerade die mangelnde Qualität hat den Staat - in „Quantitäten“ gesprochen - einen Haufen Geld gekostet.

Das System ist also nicht vollkommen und „es besteht ein dringender Handlungsbedarf, der meiner Meinung nach eine Herangehensweise von zwei Seiten erfordert“, sagt die ehemalige Sozialhilfesachbearbeiterin. „Es fehlt nicht nur die gesetzliche Grundlage, die die Überprüfung von Leistungsempfängern einheitlich regelt und zulässt, sondern auch ein gewährleisteter Schutz derer, die durch übergreifende Zusammenarbeit der Behörden die Missbräuche aufdecken wollen. Es kommt doch tatsächlich vor, dass Beamte für ihre Mithilfe bei der Aufdeckung nicht belohnt, sondern bestraft werden“. Denn die Gesetze des Datenschutzes verbieten häufig die Zusammenarbeit bzw. die Herausgabe von Informationen. Grenzen können schnell übertreten werden, was dann häufig sofort als „Verstoß“ geahndet wird. Die verantwortlichen Sachbearbeiter haben in diesem Fall mit einer Strafe zu rechnen.

Fehlende Regelungen rufen also immer wieder den „Kommissar Zufall“ auf den Plan, aber wollen wir uns auf den verlassen?

(ft)