Die vielen Berichte der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) 2005 bis 2007, 24.11.2005

von Ulrich Wangemann

Fleischfabrik: Nicht ganz die "feine Pfanne"

Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) , 24.11.2005

Schweren Vorwürfen aus Mitarbeiterkreisen sieht sich die Geschäftsführung der Fleischfabrik Disselhoff Sachsenkrone in Schmerzke ausgesetzt. „In dem Betrieb werden Unterlagen systematisch manipuliert“, sagt der 54 Jahre alte Klaus Grabitz, der bis vor einem halben Jahr mit der Reinigung der Produktionsmaschinen betraut war. Verdorbene, schon aufgetaute Ware erhalte neue Verfallsdaten und werde wieder in den Handel gebracht.


Im Juni – also lange vor dem Bekanntwerden des bundesweiten Fleischskandals um den Gelsenkirchener Betrieb Domenz – erstattete der gebürtige Brandenburger Anzeige gegen die Betriebsleitung.

Nun sind seine Schilderungen so brisant wie nie: Die Fleischfabrik hat nachweislich den Skandal-Betrieb in Nordrhein-Westfalen, bei dem die Behörden vergammelte Ware konfiszierten, mit mehreren Tonnen Fleisch beliefert. Diese Lieferungen, sagt Gra-bitz, seien bedenklich gewesen. „Es war nicht ersichtlich, wann die Ware eingefroren wurde und wie lange sie letztlich haltbar ist“, so Grabitz. Einige Bestandteile der „flinken Pfanne“ seien ein Jahr älter gewesen als der Rest der Zutaten. Die Firma gehe lax mit wichtigen Kontrollen um. So werde die Temperatur jeder angelieferten Ware registriert. Die notierten Werte entsprächen aber oft nicht den tatsächlich gemessenen, so der ehemalige Mitarbeiter. Häufig würde Fleisch zu schnell aufgetaut – ein Verfahren, das Salmonellenbefall begünstige. Schweinesteaks seien einmal in einem so schlechten Zustand, dass sich Mitarbeiter weigerten, das „stinkende Fleisch zu verpacken“. „Unansehnlich gewordenes, graues“ Roastbeef sei mariniert und mit neuem Haltbarkeitsdatum nach England verschickt worden – als Rumpsteak.

Ein leitender Angestellter der Produktion bestätigt Gra-bitz Schilderung. Zumindest in der Grillsaison, wenn die Produktion auf Hochtouren läuft und mehr als 200 Saisonkräfte in Schmerzke arbeiten, schaue man systematisch nicht so genau hin.

In der Chefetage des Betriebes hält man die Vorwürfe für die Retourkutsche eines gefeuerten Mitarbeiters. Denn Gra-bitz befindet sich wegen seiner Entlassung im Rechtsstreit mit Sachsenkrone, inzwischen in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht.

„Das sind alles Leute, die sich nicht auskennen“, sagt Betriebsleiter Frank Wolf. Die Firma habe nichts zu verbergen, die Produkte entsprächen den höchsten Standards. Man geben eine viertel Million Euro im Jahr für Qualitätskontrollen aus. Gegen Grabitz wolle die Firma wegen Verleumdung vorgehen.

Derzeit ermittelt das Landeskriminalamt. Die Fahnder warten allerdings noch auf ein Gutachten aus dem Veterinäramt. Die Stadt prüft den Fall und will sich heute dazu äußern.