Der Fall Dr. Margrit HERBST und die Tierseuche BSE: ein Überblick

Auch bei "BSE", dem sog. Rinderwahn, war es wie (fast) immer: Zwischen der Diagnose eines Gesundheitsproblems und der Tatsache, dass das Problem gesehen, sprich als solches akzeptiert wird, vergehen Jahre. Und zwischen der Erkenntnis der Existenz eines Problems und dem Beginn nach einer Lösungssuche gehen weitere Jahre ins Land.

Nur für einige, oft wenige, wird ein solches Problem zur tödlichen Falle. Die Mehrheit sieht darüber hinweg, weil sie (meist) nicht betroffen ist. Oder denkt, dass es so ist.

Bei Asbest hatte alles Jahrzehnte gedauert. Bei den toxischen Holzschutzmitteln auf PCP-Basis (z.B. Xyladecor) in den 70er Jahren rund 15 Jahre. Bei AIDS ging es erstmals schneller: knapp 5 Jahre, aber bedingt durch den Tod des weltberühmten (und homosexuellen) Schauspielers Rock HUDSON 1985. Da konnten auch die letzten Zweifler und Politiker nicht mehr darüber hinwegsehen und hinweg täuschen.

Bei "BSE", das Ende der 80er Jahre auftauchte, wollte man sich in Deutschland (und anderen Ländern) darauf verlassen, dass dies ein rein britisches Problem wäre. Bis die Rinderseuche dann doch - offiziell im Jahr 2000 - nach Deutschland kam. Dann brach das Chaos aus. Hierzulande nuitzte man die Chance: Die rot-grüne Bundesregierung rief unter einer neuen Ministerin jetzt erstmals für "Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz", Renate KÜNAST (GRÜNE), die Agrar-Wende aus.

Die Abkehr von der industriellen Landwirtschaftsproduktion tat not. Denn sie war letztlich die Ursache für den Rinderwahn. Weil Fleisch immer billiger werden musste und Soja immer teurer wurde, kamen die Briten auf die Idee, tote Tierkadaver, z.B. von an Scapie verendeten Schafen, zu zermahlen und sie als Tiermehl, sprich kostengünstiges Tierfutter zu vermarkten. Über diese Kette erkrankten die ersten Rinder, dann die ersten Menschen. Die Latenzzeit von BSE bzw. der Jacob-Kreutzfeldt-Krankheit kann Jahrzehnte lang sein.

Und weil die Fleischindustrie auch hierzulande eine sprudelnde und sichere Geldquelle ist, die Fleischproduzenten, sprich Bauern, eher konservativ denn neuen Möglichkeiten oder gar Visionen offen, waren Warner und Kritiker nicht gerne gesehen. Wer sich zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte, stürzte ab.

So wie die Veterinärin Dr. Margrit HERBST, die sich diesem Problem nicht nur an ihrem Arbeitsplatz, dem Schlachthof Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein genähert hatte, sondern auch wissenschaftlich arbeitete und viel zum Thema veröffentlicht hat. Sie war eine der allerersten, die auf Risiken und potenzielle Gefahren aufmerksam gemacht hatte. Und dafür büßen musste. Durch Verlust ihres Arbeitsplatzes, ihrer Einkommensquelle und seither mit einer schmalen Frührentner-Rente auskommen muss.

Wir dokumentieren zunächst das Phänomen: Wie die Rinderseuche BSE zum Problem wurde: eine Chronologie. Wie die Whistleblowerin Dr. Margrit HERBST agierte, haben wir unter Der Fall Dr. Margrit HERBST - ebenfalls eine Chronologie zusammengetragen. Und wir haben uns mit ihr unterhalten:Im Gespräch mit Dr. Margrit HERBST

So wie es Margrit HERBST als Warnerin in Deutschland erging, so ähnlich lief es auch in Großbritannien: Kritiker wurden kaltgestellt und ausgegrenzt, Z.B. ebenfalls durch Kündigung. Wir haben zwei solcher Schicksale dokumentiert: Dr. Stephen DEALLER und Tierärztin M.L. HOVI.

Wie die verschiedenen Krankheitsbilder (Scrapie, BSE, Creutzfeld-Jakob-Krankheit u.a.m) zusammenhängen, erklären wir in einem kleinen Glossar. In ihrem Aufsatz aus dem Jahr 2005 "BSE, CJD und Scrapie" beschreibt Dr. Margrit HERBST nochmals das aktuelle Gefahrenpotenzial.

Die Partei DIE LINKE im Kreis Segeberg wurde im Jahr 2014 - 20 Jahre nach der Kündigung von Margrit HERBST durch die Segeberger Kreisverwaltung - auf die Whistleblowerin aufmerksam. Und versuchte im Kreistag in Bad Segeberg eine Rehabilitation von Margrit HERBST zu erreichen. Dies gelang aufgrund der politischen Mehrheiten nicht. Das DokZentrum ansTageslicht.de hat aber alle 58 Mitglieder des Kreistages angeschrieben. Und ihnen konkrete Fragen gestellt. Wie die Kreistagsabgeordneten von Segeberg reagierten, lesen Sie unter Die Parlamentarier 2014 im Kreistag Segeberg . Die Wahrnehmung dessen, was die Whistleblowerin vor 20 Jahren gemacht hat, schwankt - bis auf sehr wenige Ausnahmen - zwischen Ignoranz und absoluter Ablehnung. 

Es ist dies ein klassisches Symptom, an dem man die gesellschaftliche Relevanz von Whistleblowern bzw. ganz allgemein von Frühwarnsystemen erkennen kann.

Wenn Sie diese Geschichte direkt aufrufen oder verlinken möchten, können Sie das unter www.ansTageslicht.de/BSE tun.

(JL)