Bergischer Bote, 21.06.2005

von Ekkehard RÜGER

Stadtwerke: Verdacht der Vorteilsnahme

Stadtwerke: Verdacht der Vorteilsnahme

von Ekkehard RÜGER


Burscheid. Der Wochenendtrip des Aufsichtsrates und der Gesellschafterversammlung der Stadtwerke zur Förderplattform Sleipner A in Norwegen beschäftigt die Kölner Staatsanwaltschaft. Aufgrund einer Strafanzeige in Verbindung mit der Berichterstattung des BV am 22. April, so Staatsanwalt und Pressesprecher Günther Feld gestern, habe die Staatsanwaltschaft Köln eine richterliche Durchsuchungsanordnung erwirkt. Am Donnerstag, einen Tag bevor die 17-köpfige Reisegruppe auf Einladung der E.ON Ruhrgas AG und des Ölund Gaskonzerns Statoil für drei Tage nach Norwegen aufbrach, tauchten bei den Burscheider Stadtwerken und der Ruhrgas in Essen Kripobeamte auf. Der Verdacht, wegen dem sie ermitteln: Vorteilsannahme.

Zunächst handele es sich um einen Anfangsverdacht, so Feld. Die Kripobeamten waren vor allem an der Teilnehmerliste interessiert. Öffentlichen Amtsträgern ist die Annahme eines Vorteils im Zusammenhang mit der Dienstausübung verboten. Als einen solchen möglichen Vorteil stuft die Staatsanwaltschaf nach den ersten Erkenntnissen die Norwegenreise ein. Die jüngere Rechtsprechung bezieht den Begriff Amtsträger nicht mehr nur auf Beamte, sondern beispielsweise auch auf Ratsmitglieder. Ob auch sachkundige Bürger darunter fallen, dazu gibt es noch keine Präzedenzentscheidung.

An der Reise nahm der komplette Aufsichtsrat teil, also Bürgermeister Hans Dieter Kahrl, sieben weitere Ratherren (Gustav Ringelberg, Jörg Baack, Manfred Idel und Jürgen Weidemann von der CDU, Gerd Pieper von der UWG, Dieter Müller und Claus Karrenbauer von der SPD) sowie fünf sachkundige Bürger (Walter Saalfrank, UWG; Ulrich Conrads, FDP; Sabine Wurmbach, Grüne; Ahmad Torabian und Fred Kühn, SPD). Außerdem fuhren noch drei von sechs Mitgliedern der Gesellschafterversammlung mit (Michael Baggeler, CDU; Michael Schwarz, UWG; Horst Merten, FDP). Harald Wolfert (Grüne), Bodo Jakob (SPD) und Beigeordneter Stefan Caplan verzichteten auf die Reise.

"Wenn wir nicht gefahren wären, hätte das wie ein Schuldeingeständnis ausgesehen", begründet Aufsichtsratsvorsitzender Gustav Ringelberg die Entscheidung, die Reise trotz der Durchsuchung anzutreten. "Und nach meiner Einschätzung ist das keine Schuld." Man werde aber mit der Staatsanwaltschaft kooperieren, "um die Dinge zu klären".

Die Kommunalpolitiker wähnen sich auf der sicheren Seite. Vorteilsnahme setze voraus, dass für den gewonnenen Vorteil auch eine Gegenleistung erbracht werde. Der aktuelle Liefervertrag mit der Ruhrgas über 80 Prozent der jährlichen Gasmenge läuft aber noch bis 2012. Dazwischen liegen die Kommunalwahlen 2009. Keiner der heutigen Ratsmitglieder könne sicher sein, dann wieder gewählt und über den Stadtrat auch erneut in den Aufsichtsrat zu gelangen, um dort über den neuen Liefervertrag zu entscheiden.

Anders sähe das bei den restlichen 20 Prozent der jährlichen Gasmenge aus, die seit der Liberalisierung des Gasmarktes kurzfristiger vergeben werden müssen (und bisher auch stets von der Ruhrgas bezogen wurden). Doch hier entscheidet seit der entsprechenden Änderung des Gesellschaftervertrages Stadtwerke-Geschäftsführer Siegfried Thielsch alleine; der Aufsichtsrat wird nur informiert. Thielsch aber, der wegen dieser 20 Prozent Liefermenge kurz vor neuen Vertragsverhandlungen steht, nahm deswegen auf Anraten nicht an der Reise teil; für ihn begleitete Stadtwerke-Prokurist Christian Meuthen die Gruppe. Trotzdem wird auch Thielsch verdächtigt: der Beihilfe zur Vorteilsannahme, weil er die Einladung an den Aufsichtsrat und die Gesellschafterversammlung weitergeleitet hat.

Bei anderen Staatsanwaltschaften, mutmaßen die Betroffenen hinter vorgehaltener Hand, hätte es ein solches Ermittlungsverfahren nie gegeben. Die Kölner gelten aber seit dem Trienekens-Skandal als besonders sensibilisiert und verfügen auch mittlerweile über mehr versiertes Personal in diesem Bereich. Wie lange die Entscheidung auf sich warten lässt, ob Anklage erhoben wird oder die Ermittlungen eingestellt werden, ist nicht absehbar.

Die E.ON Ruhrgas AG gab trotz Anfrage bis zum Abend keine Stellungnahme ab.