Die 56 Berichte der SÜDWEST PRESSE aus Ulm, 12.04.2011

von Rudi KÜBLER, Christoph MAYER

Eine Uni-Klinik muss immer bauen

SÜDWEST PRESSE , 12.04.2011 von Rudi KÜBLER, Christoph MAYER

Noch ein Jahr bis zum Umzug: Einen Stresstest braucht es vorher auch für die neue Uni-Chirurgie, sagt Rainer Schoppik. Der Kaufmännische Direktor über Schulden, Chefärzte, Outsourcing und Parkplätze.

Der Chirurgie-Neubau ist dem Uni-Klinikum lieb und teuer. Wie lebt es sich mit zig Millionen Schulden?

RAINER SCHOPPIK: Gut! Denn sie sind ja nicht unerwartet gekommen, sondern wurden planmäßig herbeigeführt. Ich habe keine schlaflosen Nächte.

Wie hoch ist der Schuldenstand?

SCHOPPIK: Wir haben derzeit 50 Millionen Euro Schulden bei Gesamtkosten von 240 Millionen Euro für die neue Chirurgie. Wir finanzieren alles vor, von 2012 an zahlt uns das Land schrittweise seinen Anteil von 85 Millionen Euro zurück; hinzu kommen weitere 20 Millionen Euro an Landesmitteln für die Innenausstattung.

Ursprünglich hatte das Land doch zugesagt, die komplette Ausstattung in Höhe von 50 Millionen Euro zu übernehmen. Haben Sie schlecht verhandelt?


SCHOPPIK: Nein. Die finanziellen Rahmenbedingungen im Land haben sich in den vergangenen Jahren verschlechtert. Vor allem: Es gab keine schriftliche Zusage. Als vorsichtiger Kaufmann habe ich mit der Ist-Situation gerechnet.

Woher nehmen Sie das Geld?

SCHOPPIK: Dank der guten Arbeit meines Vorgängers (Albert Schira, der 2006 in Ruhestand ging, d. Red.), konnte das Klinikum knapp 50 Millionen Euro beiseite legen. Unser Kreditrahmen beläuft sich auf 115 Millionen Euro. Sobald die Landeszuschüsse fließen, sinken die Schulden auf ein überschaubares Maß. Alles Weitere hängt vom wirtschaftlichen Erfolg des Klinikums ab.

Seit 2006 soll das Betriebsergebnis aber Jahr für Jahr nach unten gegangen sein.

SCHOPPIK: Nein. Wir haben die hohen Kostensteigerungen beim ärztlichen Personal, etwa 20 Prozent, durch eine Umsatzsteigerung von 25 bis 30 Prozent abgefedert sowie Abläufe, Organisation und Leistung verbessert. Die durchschnittliche Patienten-Verweildauer liegt jetzt bei unter acht Tagen, das ist eine Herausforderung für die Mitarbeiter. Wir stehen insgesamt sehr gut da.

Wann ist der Umzugstermin?

SCHOPPIK: Den genauen Termin geben wir im Mai bekannt. Fest steht, dass der Bau Ende Januar 2012 übergeben und dann bis Mitte des Jahres umgezogen wird. Wir werden den Klinikbetrieb von einem auf den anderen Tag aufnehmen, allein die Vorbereitung des Umzugs wird ein Jahr dauern. Auch wir brauchen vorher einen Stresstest. Funktionieren alle Abläufe, die Stromversorgung, die Lüftung?

Von Medizinern kamen schon kurz nach dem Richtfest Klagen, die Klinik sei zu klein bemessen.

SCHOPPIK: Einerseits muss man das ernst nehmen, andererseits sind solche Klagen ein typischer Reflex, der mir nicht unbekannt ist. Wer die jetzige Chirurgie auf dem Safranberg kennt, wird nicht auf die Idee kommen, dass die neue Chirurgie zu klein geraten ist. Zudem geht es ja vor allem um Qualität. Und die Qualität der Patientenversorgung wird sich am neuen Standort wesentlich verbessern. Bei solchen Diskussionen muss man auch die Ärztlichen Direktoren in die Pflicht nehmen . . .

. . . was die Ausstattung angeht, kamen aber gleich die nächsten Klagen. Alte Geräte müssten mitgenommen werden, hieß es.

SCHOPPIK: Die neue Chirurgie wird in absolutem Top-Standard ausgestattet. Wir können aber nicht alle Großgeräte auf einen Schlag beschaffen, das wird ein vernünftiger Mix. Die 30 Jahre alte Büroausstattung nehmen wir nicht vom Safranberg auf den Oberen Eselsberg mit. Das 3 Jahre alte CT schon.

Was tut sich danach noch baulich oder anders gefragt: Sind die finanziellen Möglichkeiten damit erst einmal erschöpft?

SCHOPPIK: Eine Uni-Klinik muss immer bauen. Der Neubau der Psychosomatik für 7 Millionen Euro ist ein weiterer Schritt. Parallel dazu läuft die Sanierung der Inneren Medizin an, das ist ein 50-Millionen-Euro-Projekt, das weitere zehn Jahre Zeit in Anspruch nehmen wird.


Sie sprachen vorher von einer Herausforderung für das gesamte Personal. Ärzte und Pflegekräfte klagen, dass der Druck stetig zunimmt, die Arbeitsbelastung immer größer wird. Was sagt der Kaufmännische Direktor dazu?

SCHOPPIK: Wir sehen das Problem durchaus und versuchen zu reagieren. Dadurch, dass wir die Abläufe optimieren, größere Einheiten bilden. Und wir versuchen, sowohl Medizinern als auch Pflegepersonal mehr Luft zu verschaffen, indem wir Tätigkeiten, die nicht genuin ärztlich oder pflegerisch sind, wegorganisieren.

Durch die Zusammenlegung der urologischen und gynäkologischen Intensivstation haben Sie dann gleich noch zehn Stellen wegorganisiert . . .

SCHOPPIK: Wir haben zwei Intensivstationen zusammengeführt, die nicht voll ausgelastet waren. Es kann nicht sein, dass die Urologie ein signifikantes Defizit einfährt. Mit dem neuen Ärztlichen Direktor wird die Urologie neu ausgerichtet, diese Chance nutzten wir. Wobei zu sagen ist, dass die Idee vom Klinikums-Vorstand und von den beiden Ärztlichen Direktoren (Urologie: Prof. Mark Schrader; Frauenheilkunde Prof. Rolf Kreienberg, Anm. d. Redaktion) kam.

Thema Ausgliederung: Die DUU, die Dienstleistungsgesellschaft des Uni-Klinikums, speise die Arbeitnehmer mit „Schlecker“-Löhnen ab, lautet der Vorwurf des Personalrats. Stundenlohn 8,55 Euro.

SCHOPPIK: Die DUU, die dieses Jahr zehn Jahre alt wird, zahlt ihren knapp 500 Mitarbeitern den üblichen Tarif. Ich weiß, unser Personalrat sieht das anders, aber das ist Tarifrealität. Ich will das nicht weiter kommentieren . . .

. . . aber leidet nicht der von Ihnen beschworene Teamgeist, wenn die einen schlechter, die anderen besser bezahlt werden? Die Klinik sei, so Ihr Werbespruch, „the best place to work“.

SCHOPPIK: Der Teamgeist leidet nur, wenn der Personalrat diese Trennung schürt. Die DUU ist keine Billiglohn-Tochter . . .

. . . sie zahlt wesentlich niedrigere Löhne . . .

SCHOPPIK: . . . nur den Mitarbeitern, die neu eingestellt werden; sie haben vor zwei Jahren eine Sonderprämie erhalten. Und die Mitarbeiter, die vorher beim Klinikum angestellt waren, sind nicht schlechter gestellt. Eine solche Ausgründung ist betriebswirtschaftlich notwendig. Wir würden als Kaufleute sträflich handeln, wenn wir auf dieses Instrumentarium verzichteten. Kein Krankenhaus kann es sich leisten, nicht auszugründen. Ich würde das jederzeit wiederholen, allerdings die Kommunikation besser abstimmen.

Welche Bereiche sollen noch outgesourct werden? Wo sehen Sie weiteres Einsparpotenzial?

SCHOPPIK: Vielleicht beim Küchenpersonal, aber aktuell sind keine Ausgründungen geplant. Einsparmöglichkeiten sehe ich beim Zusammenspiel der verschiedenen Berufsgruppen. Wir müssen intelligente Lösungen suchen, umorganisieren und Kompetenzen fördern. Die neue Chirurgie wird zu Synergieeffekten führen, allein schon, was den Transport angeht oder was die Auslastung der Großgeräte betrifft.

Die Parkplatzsituation ist jetzt schon unbefriedigend, sie wird sich 2012 noch verschärfen. Gibt es konkrete Lösungsmöglichkeiten?

SCHOPPIK: Das Problem ist erkannt; ob es gebannt ist, wird sich zeigen. Wir streben eine Parkraumbewirtschaftung gemeinsam mit der Universität an. Es wird auf dem ganzen Campus keinen kostenlosen Parkplatz mehr geben, aber Vergünstigungen für Patienten oder für Studenten. Wir wollen auf dem Campus einen kostenlosen Shuttle-Service anbieten, in Absprache mit der Stadt. Es ist zu hoffen, dass die Anbindung über die Straßenbahn schnell erfolgt.

Was erwarten Sie denn jetzt von Grün-Rot?

SCHOPPIK: Unter anderem, dass wir die Tarifzuständigkeit für die Ärzte erhalten, wir also die Arbeitgeberfunktion übernehmen und die Professoren nicht mehr verbeamtet, sondern angestellt werden. Auch die eigene Bauherreneigenschaft sollte uns leichter ermöglicht werden. Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, wird das Klinikum an Flexibilität gewinnen.

War die Anzeige gegen Ihren Vorgänger Albert Schira wegen des angeblich zu günstigen Verkaufs ausgemusterter Dienstwagen notwendig?

SCHOPPIK: Das lag nicht in meiner Entscheidung. Wenn wir als Klinikums-Vorstand sehen, das etwas nicht ordentlich läuft, übergeben wir es an den Aufsichtsrat. Ich werde den Vorgang nicht weiter kommentieren.