Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 24.08.2009

Die Millionenfalle, Teil 2

In Bonn herrscht Wahlkampfzeit. Wer wird neuer Oberbürgermeister? Dass der Wahlkampf tobt, wäre eine maßlos übertriebene Beschreibung, gleichwohl gäbe es ein Wahlkampfthema, das die Stadt zum Kochen bringt. Aber es taucht allenfalls am Rande auf, dabei bietet es so viel Munition, dass es für mehrere Wahlkämpfe taugt: der Bau des World Conference Center Bonn (WCCB), seine explodierenden Kosten, die Eigentümerfrage und seine insgesamt ungewisse Zukunft, dazu viele Ungereimtheiten.

Stadt und Bürgern drohen dreistellige Millionenverluste - und das in einer Zeit ohnehin begrenzter finanzieller Spielräume. Die mangelhafte Wahlkampftauglichkeit des WCCB resultiert aus der Tatsache, dass alle Parteien vor drei Jahren öffentlich für das Projekt votiert und den Südkoreaner Man Ki Kim vom Investor SMI Hyundai Corporation als "Glücksfall für Bonn" bejubelt haben. Der ist aber offenbar das Gegenteil davon (der GA berichtete).

Doch die politische Einheitsfront bröckelt, spätestens seitdem die Verwaltung zum Verlauf des Bonner Zukunftsprojekts mehr Nebel wirft, als plausibel informiert, und sich abzeichnet, dass der Bau um sage und schreibe 60 Millionen Euro teurer wird. Deshalb drohten die Grünen mit der Kommunalaufsicht, um das Schweigen der Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann zu brechen. Viel Zeit bleibt nicht: Sie ist bald nicht mehr im Amt. Gleichzeitig wartet der Stadtrat auf Ergebnisse aus dem städtischen Rechnungsprüfungsamt: Waren die Rechnungen, die das Berliner Architekturbüro Young-Ho Hong, dem Kim in landsmannschaftlicher Verbundenheit den Generalunternehmervertrag gegeben hatte, überhöht oder nicht?


Was passierte seit 2006 unter dem Deckmantel veröffentlichter städtischer Zuversicht und Gelassenheit? Kim hat das vertraglich vereinbarte Eigenkapital von 40 Millionen Euro bis heute nicht in das Projekt eingebracht. Bei Baubeginn war es erst ein Viertel davon. Um wenigstens etwas Leistungskraft zu beweisen und Glaubwürdigkeit zurückzuerobern, lieh Kim sich - offenbar ohne Wissen der Stadt - zehn Millionen Euro bei Arazim Investment Ltd. auf Zypern. Dabei verpfändete er letztlich 94 Prozent der Anteile der UN Conference Center GmbH (UNCC), die Bauherr und Verfügungsberechtigte über mehr als 100 Millionen Euro Steuergelder ist, und wo Kim/SMI zunächst 100 Prozent der Anteile besaß. Zudem kassierte Arazim 60 Prozent Zinsen. Und da Kim Darlehen und Zinsen zu spät zurückzahlte, wurde aus einem Pfand vorläufiger Besitz, wie das Landgericht Bonn in einer Einstweiligen Verfügung entschied.


Kim, dem einst in Bonn der rote Teppich ausgelegt wurde und der sich nur noch stundenweise in Bonn aufhält, obwohl er weiterhin UNCC-Geschäftsführer ist, verhedderte sich daraufhin vollends. Um Arazim auszuzahlen, brachte er mit Honua Investment Management Inc. auf Hawaii seinen Nachfolger als UNCC-Hauptgesellschafter ins Spiel. Honua zahlte ab Mai 2008 rund 32 Millionen Euro, wovon Arazim 13 Millionen erhielt und SMI Hyundai 9,4 Millionen für 94 Prozent der UNCC-Anteile. Für eine Aufstockung des UNCC-Eigenkapitals blieben da nur 9,6 Millionen Euro übrig.


Eine verfahrene Lage: Mit Honua und Arazim steht die Stadt vor zwei "rechtmäßigen" Eigentümern, wovon der eine sich auf das Handelsregister (Honua) und der andere (Arazim) auf die Einstweilige Verfügung beruft. Fazit: Zwei Finanzinvestoren tanzen der Stadt auf der Nase herum, blockieren und drohen sich, während das Rathaus Beschwichtigungsformeln sendet.


Gleichzeitig droht auch die Baustelle ein Ort des Schweigens zu werden: Einige Handwerksbetriebe ziehen ab, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlt bekommen, während die Strabag AG nach GA-Unterlagen erst nach einigen Drohgebärden in den letzten Tagen 120 000 Euro für erbrachte Leistungen erhielt. Die Baustelle muss mit weiterem, frischen Geld am Laufen gehalten werden, denn eine ruhende kostet fast mehr als eine sich fortentwickelnde. Doch woher sollen 60 Millionen Euro kommen? Wieder (siehe Artikel unten) kommt zumindest die Hälfte von der Sparkasse KölnBonn.


Die WCCB-Kostenexplosion wirkt jedoch fast harmlos gegenüber der Eigentümerfrage. Arazim will es sich bezahlen lassen, dass es auf eine Klage verzichtet, die aus seinem vorläufigen Besitzerstatus einen dauerhaften machen könnte. Dass mit Meir Gurvitz, Chef von Arazim, nicht zu spaßen ist, verdeutlicht der Aktenvermerk 00054-09 vom 13. August, den Jürgen Lauer, externer WCCB-Rechtsberater der Stadt Bonn, formulierte nach einem Gespräch mit Vertretern der Bonner Verwaltung und der Sparkasse KölnBonn: "Von Herrn Kim ist bekannt, dass er mit Herrn Gurvitz gesprochen hat. Er habe angedroht, sein Mandat als Geschäftsführer niederzulegen, falls sich Arazim nicht mit 1 Mio. zufrieden gebe. Dies hat man bei Arazim nicht als Drohung mit einem Übel aufgefasst. Herr Penderok (Berater von SMI und Honua, Anm. d. Red.) hat darauf hin mit Herrn Gurvitz gesprochen. Es geht um 10,3 Mio. Euro, nicht um 2 oder 3 Mio", wie die Stadt Bonn annahm, die wieder einmal die eigene Bedrohungslage arg unterschätzte.


Dazu passt das Bild einer Fliege am Leimstreifen, wie er früher von der Decke hing, um das Insekt zu fangen. Wer genau hinschaute, konnte erkennen, wie die Fliege, einmal mit einem Körperteil festklebend, mit jeder Rettungsbewegung tiefer in den Schlamassel geriet. Zunächst landete UNCC-Geschäftsführer Kim, der Hilfe suchend nach weiteren zehn Millionen suchte, bei Arazim - und über die verpfändeten UNCC-Anteile jetzt auch die Stadt. Investoren wie Arazim sind gewiefte Taktiker, um Notlagen Dritter auszunutzen und möglicherweise zuvor sogar geschickt einzuleiten.


Nach Lage der Dinge wird die Eigentumsfrage nicht vor Gericht, sondern beschleunigt am Pokertisch entschieden. Ohne eine Klärung dieser Frage bleibt offen, wer wie viel zusätzliches Geld für die schwächelnde Baustelle beisteuern soll und überhaupt darf. Und wer soll den Pokerpreis an Arazim bezahlen? Das Zehn-Millionen-Darlehen von Kim würde dann letztlich rund 23,3 Millionen Euro kosten - Geld, zumindest 13,3 Millionen, das auf indirekten Wegen von vielen WCCB-Betroffenen stammt und der Baustelle fehlt. Und Geld, mit dem Arazim die Einlagen seiner Kunden versilbert.


Einstweilen hat Weltreisender Kim in der deutschen Botschaft in Washington (USA) einen weiteren 30-Millionen-Kredit mit der Sparkasse KölnBonn unterschrieben. In einer Situation, die alles andere als rechtssicher ist, weil Kim offenbar nach der UNCC-Satzung dazu die Zustimmung des Hauptgesellschafters benötigt. Er hat sie nur von Honua. Warum auch nicht? Die Stadt haftet auch hierfür im Fall der Fälle. Aber was ist, wenn - und da ist sie wieder, die Eigentumsfrage - das Pokerspiel vor Gericht zu Ende geführt wird und Arazim UNCC-Besitzer ist? Dann wäre es, immerhin, eine Herausforderung für Juristen. In jedem Fall bedeutet das: Ein quasi städtischer Kredit mästet weiter das Eigentum einer privaten GmbH, die - nach dem Stand der Dinge - diesem oder jenem Investor gehört.


Der neue große Hoffnungsträger der Stadt, Honua, mailt und faxt aus Honolulu - ein Hoffnungsträger, der, nüchtern betrachtet, heute als Strohhalm erscheint. Die Honua-Homepage ist eine Baustelle, die Manager sind fast nie zu erreichen. Das Geschäft von Honua besteht darin, wie bei jeder anderen Investment-Gesellschaft auch, das Geld ihrer Anleger zu vermehren. Den Angaben zufolge investiert man das Geld koreanischer Versicherungsgesellschaften in Immobilien weltweit. Honua hatte der Stadt angeblich frische 30 Millionen Euro versprochen, genauer: dem Bauherrn UNCC. Das Geld sollte Ende Juni 2009 überwiesen werden, dann bis zum 15. Juli und auch Ende Juli oder bis heute: kein Geld von Honua.


Auch in dieser Phase hatte die Stadt vor allem Optimismus verbreitet - oder mündliche Zusagen von Andrew Jang, Chef von Honua, offenbar falsch interpretiert. Mit Schreiben vom 2. Juli 2009, das dem GA vorliegt, an den Projektbeauftragten und pensionierten ehemaligen Stadtdirektor Arno Hübner, teilt der vermeintliche Retter Jang mit, dass sein Unternehmen selbst, zumindest Anfang Juli, wirtschaftliche Schwierigkeiten habe und die vereinbarten 30 Millionen Euro nicht zahlen könne. Oder will?


Hinter der höflichen asiatischen Absage steckt jedoch nur das Logik-Einmaleins: Warum soll Honua weitere Millionen in ein Projekt stecken, wenn am 5. August das Landgericht feststellt, dass Arazim und nicht Honua UNCC-Hauptgesellschafter ist? Und so kam es.


Mitarbeit: Andreas Boettcher, Ulrich Bumann, Bernd Leyendecker, Florian Ludwig, Ulrich Lüke und Delphine Sachsenröder


Alles, nur kein Risiko. Die Sparkasse KölnBonn tritt beim WCCB als Kreditgeber auf, die Stadt bürgt. Eine fatale Konstruktion


Bloß kein Risiko. Das Handeln der Sparkasse KölnBonn beim Kongresszentrum WCCB war und ist immer unter dieser einen Maxime zu sehen. Nach mehreren Bau-Skandalen in Köln, die das Institut viel Geld und Ansehen gekostet haben und noch kosten, zog der ehemalige Sparkassen-Chef Dietmar P. Binkowska in der Kölner Zentrale schließlich die Reißleine. Kreditgeber ja, Risiko nein. Dem hatte sich alles unterzuordnen. Auch in Bonn.


Und so zerstörte Binkowska sehr schnell die Hoffnungen zahlreicher Bonner Politiker, die Sparkasse werde sich auch in der Bundesstadt mit viel Geld und ohne auf Risiken zu schauen an wichtigen Standortprojekten wie dem WCCB beteiligen. Zähneknirschend willigten sie ein, als die Sparkasse Sicherheiten für das Geld, was sie bereit war zu geben, forderte: städtische Bürgschaften, in Form von Nebenabreden. Sie kamen. Das Risiko dieses privaten Bauprojekts lag plötzlich bei der Stadt - und damit faktisch beim Steuerzahler.


Mit ihrer Zustimmung zu den Nebenabreden ermöglichte der Bonner Stadtrat, zunächst noch ohne es zu wissen, eine fatale Konstruktion. Denn die Sparkasse, des unternehmerischen Risikos so völlig entledigt, war nun bereit, Kredite von bis heute 104 Millionen Euro zuzusagen und auszuzahlen. Auch als die private UNCC nicht in der Lage war, das geforderte Eigenkapital von 40 Millionen Euro vor Baubeginn einzubringen, gab die Sparkasse grünes Licht. Der Kredit floss, die Bagger rollten Ende 2006 an. Das Geld der Bauherren fehlte. Undenkbar bei jedem anderen privaten oder gewerblichen Bauprojekt.


Von nun an hatten sich Warnsignale dem Baufortschritt unterzuordnen. Weil Fördergelder zu platzen drohten und weil niemand eine Bauruine wollte, wurden die Arbeiten vorangetrieben und auch horrende Kostensteigerungen durchgewunken. Die Sparkasse zahlte, aber prüfen sollte sie nicht. Ihr Vorschlag, einen externen Experten mit der Bauprüfung zu beauftragen, kam bei der Stadt nicht an. Die wollte die Rechnungen selbst prüfen und ließ ihren Gebäudemanager dann mehr absegnen als kontrollieren - obwohl sie laut Projektvertrag gar kein Prüfungsrecht hatte.


Auch als sich die Warnsignale häuften, sollte und musste die Sparkasse sich nicht mehr so verhalten, wie sie das als normaler Kreditgeber getan hätte. Wie eine Bank, der ein großer Kredit zu platzen droht. Einige warnten nach GA-Informationen trotzdem - und wurden zum Stillhalten verdammt. Der politische Druck, das Kongresszentrum zu bauen, macht auch vor Sparkassen-Vorständen nicht halt - denn die Stadt ist Träger der Sparkasse.


So wurde der große Scherbenhaufen, vor dem Bonn und seine Bürger nun stehen könnten, erst ermöglicht, weil es kritische Kreditgeber bei dem Projekt nicht gab und gibt. "Wenn die Sparkasse das Risiko hätte - diese Kredite wären niemals vergeben worden", sagt ein Insider.


"Projekt steht auf Messers Schneide" - Reaktionen auf neue WCCB-Entwicklung
"Im Nachhinein ist man immer schlauer." Freimütig räumt FDP-Partei- und Fraktionschef Werner Hümmrich ein, dass die Stadt den Investor SMI Hyundai und seinen Präsidenten Man Ki Kim "mit zu viel Vorschusslorbeeren bedacht hat". Allerdings differenziert er: "Dem inneren Zirkel der Stadtverwaltung mit Bärbel Dieckmann an der Spitze hätten die Probleme mit dem Investor bekannt sein müssen; vielleicht waren sie sogar bekannt. Und dem Rat gegenüber sind Risiken stets ausgeblendet worden; das kritisiere ich ausdrücklich." Gleichwohl habe es "damals keine Alternative zum SMI Hyundai gegeben". Jetzt stelle sich die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, die Stadt hätte das WCCBonn in Eigenregie gebaut. Der von den Grünen beantragten Sondersitzung des Rates würde sich seine Fraktion nicht widersetzen, sagte Hümmrich dem GA; allerdings befürchte er dort eine "gewisse Schlammschlacht". Vielmehr solle man jetzt nach vorne schauen und hoffen, dass es bald zu einer Einigung zwischen Stadt und Sparkasse sowie den sich in der Investorenfragen streitenden Firmen Honua und Arazim kommt: "Das Projekt steht auf des Messers Schneide."


CDU-Fraktionsgeschäftsführer Georg Fenninger ist "nach wie vor optimistisch", dass die vom mutmaßlich neuen Investor Honua zugesagten 30 Millionen Euro Eigenkapital "bald" überwiesen werden. Man solle dies erst einmal abwarten - "da braucht man keine Sondersitzung des Rates". Er ließ durchblicken, dass "sichergestellt" sei, den Bau auch ohne Honua-Geld fertigstellen zu können.


Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) sagte, die Probleme beim WCCBonn "kennen wir seit Jahren". Sie betonte, "alles dafür getan zu haben, dass es nicht zu einem Baustopp kommt; dieser Meinung waren auch alle Fraktionen". In der Rückschau könne man sich immer fragen, ob man anders hätte handeln können: "Aber die Entscheidungen sind so, wie sie gefallen sind, immer verantwortlich getroffen worden". Sie kündigte an, dass die "intensiven Gespräche, die wir in der vergangenen Woche mit allen Beteiligten geführt haben", in dieser Woche fortgeführt würden "mit der klaren zeitlichen Vorgabe, bis zum Ende der Woche zu einer Lösung zu kommen". Den Vorwurf von FDP und Grünen, sie und ihre Verwaltung hätten den Rat nur unzureichend informiert, wies sie zurück.


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