Katholische Kirche und Homosexualität

„Wenn jemand beim Knaben schläft wie beim Weibe, die haben einen Greuel getan und sollen beide des Todes sterben; ihr Blut sei auf ihnen.“ (3  Buch Moses, 20,13)

Diese Aussage ist (ur)alt. Niedergeschrieben wurde sie von einem Mann. Die Rede ist (nur) von Männern – Frauen spielen keine Rolle. Wie das auch damals schon üblich war in männerdominierten Gesellschaften.  Soweit die Vorbemerkungen zu einem Thema, das immer mehr kein Thema mehr ist. Weil alles, worum es hierbei geht, immer selbstverständlicher wird. Mit einer flächendeckenden Ausnahme: der katholischen Kirche. 

Und so ist es auch in Deutschland seit 2001 zwei Menschen gleichen Geschlechts zivilrechtlich gestattet, gemeinsam in eine eingetragene Lebenspartnerschaft, auch „Homo-Ehe“ genannt, einzutreten. Diese Lebenspartnerschaft gleicht in ihren Rechtsfolgen größtenteils der „Ehe“, die nur Paare unterschiedlichen Geschlechts eingehen dürfen. Zwischen beiden (Zusammen)Lebensformen bestehen allerdings noch Unterschiede, beispielsweise beim Adoptionsrecht. 

Anders bei der Katholischen Kirche: Sie lehnt eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft grundsätzlich ab. Und nicht nur das: Homosexualität gilt – offiziell – als „Unzucht“, t.w. sogar als „Sünde“. Ein Blick zurück in die Geschichte der „Unzucht“.

Von der „Unzucht“ zur gleichgeschlechtlichen „Lebenspartnerschaft“ – der lange Weg des § 175

In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland veränderte sich die Rechtslage für homosexuelle Menschen erheblich. Bei der Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 wurde der §175 des Strafgesetzbuchs aus dem Rechtswesen des Dritten Reichs, konkret: der Nazi-Ära übernommen. Ursprünglich wurde dieser Paragraph im Deutschen Kaiserreich 1871 geschaffen und stellte zum ersten Mal männliche Homosexualität unter harte Strafen. So drohten bei „Unzucht“ zwischen zwei Männern bis zu zehn Jahre Zuchthaus. Das Nationalsozialistische Regime verschärfte diesen Paragraphen weiter, wodurch Tausende von Homosexuellen in Konzentrationslager deportiert werden konnten. 

Frauen konnten sexuell machen, was sie wollten. Kaiserreich und „Tausendjähriges Reich“ waren (männerdominierte) Gesellschaften.

Im Jahr 1949 wurden Gesetze aus pragmatischen Gründen aus dem „Dritten Reich“ übernommen „soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht“ (Art. 123 Abs. 1 GG). So auch der Paragraph 175. 

Erst 25 Jahre nach Gründung der BRD, 1969 noch zu Zeiten der damaligen Großen Koalition, wurde der Paragraph entschärft: Männer ab 21 Jahren durften von nun an straffrei „Unzucht“ begehen. Jüngere hingegen mussten bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe fürchten. Bis zu dieser Änderung waren etwa 50.000 Männer verurteilt worden. 

Eine neuerliche Reform des Sexualstrafrechts durch die sozialliberale Koalition im Jahr 1973 stellte nach  §175 ausschließlich Sex mit Minderjährigen unter 18 Jahren unter Strafe. Bei Mädchen lag dieses Schutzalter bei 14 Jahren. Zu Sex zwischen Frauen gab es keine gesetzlichen Regelungen. Die politische Welt(sicht) des Jahres 1973 war immer noch sehr stark von Männern geprägt. Der Bundestag setzte sich aus 463 Männern und 33 Frauen zusammen - sie repräsentierten knapp 7% aller Sitze.

Durch die Wiedervereinigung im Jahr 1990 wurde auch über eine Abschaffung des Paragraphen nachgedacht, da die DDR seit Ende der 50er Jahre homosexuelle Beziehungen nicht mehr bestrafte und auch homosexuelle Beziehungen zu Minderjährigen ab 1988 erlaubte. Aber erst am 10. März 1994, also viereinhalb Jahre nach der letzten deutschen Revolution 1989, wurde der §175 ersatzlos aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Geblieben sind natürlich alle Paragraphen, die sich auf sexuellen Missbrauch der unterschiedlichsten Arten bezieht (§§ 174a, b, c, §§ 176ff).  

Während sich seit der Gründung der Bundesrepublik sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich die Lage homosexueller Menschen in Deutschland stark verändert hat, ist die katholische Kirche den Weg zu mehr Liberalität in diesem Umfang nicht gegangen. Die katholischen Lehre „Persona Humana“ vom 29. Dezember 1975 gibt die Position der Katholischen Kirche zu bestimmten Fragen der Sexualethik wieder, dabei unter anderem auch zur Homosexualität. Die Schrift „Persona Humana“ wird von der Kongregation für die Glaubenslehre herausgegeben.

Die Kongregation für die Glaubenslehre ist das höchste der Leitungs- und Verwaltungsorgane innerhalb der Kurie, der Gesamtheit der päpstlichen Behörden. 

Die Aufgabe der Kongregation ist der Schutz der Kirche vor Häresie, also von der offiziellen Kirchenmeinung abweichende Lehren.

Die Theologie der Katholischen Kirche zur Homosexualität

Die Persona Humana gilt noch heute als Leitfaden zu Fragen der Sexualethik in der Katholischen Kirche. Die Erklärung wurde 1975 als Reaktion auf einen zunehmenden „Sittenverfall“, der „die allgemeine Mentalität vergiftet hat“, veröffentlicht. Mit dem Wort Sittenverfall meint die Kirche eine Verherrlichung des Geschlechtlichen, die der eigenen Vorstellung von Sexualität nicht entspricht. Es werden unehelicher Geschlechtsverkehr, künstliche Verhütung, Selbstbefriedigung und auch Homosexualität mit der Begründung der christlichen Lehre und dem „Naturgesetz“ kritisiert.

Im Bezug auf die Homosexualität wird in der Persona Humana unterschieden zwischen

  • Homosexuellen, deren Sexualität „einer falschen Erziehung, von mangelnder sexueller Reife, von angenommener Gewohnheit, von schlechten Beispielen oder anderen ähnlichen Ursachen herleitet“ und 
  • Homosexuellen, deren Sexualität ein angeborener „Trieb“ ist.

Das erste wird als heilbar, das zweite als unheilbar dargestellt.

So solle homosexuellen Menschen Verständnis entgegengebracht werden und sie sollten in der Hoffnung bestärkt werden, „ihre persönlichen Schwierigkeiten und ihre soziale Absonderung zu überwinden“. Homosexuelle Beziehungen seien Handlungen, die ihrer „unerlässlichen Regelung beraubt“ seien. Laut Bibel seien es schwere Verirrungen und „die traurige Folge einer Zurückweisung Gottes“ und könnten somit in keiner Weise gutgeheißen werden. 

(Persona Humana, Punkt 8)

Der Bund Katholischer Ärzte (BKAE) bezeichnet Homosexualität als „psychische Störung mit unterschiedlicher Ausprägung“ und sagt:

„Sittliches Fehlverhalten:  H[omosexualität] ist eine Form von Sexualität, deren Ausübung sittlich nicht erlaubt ist: Basierend auf  Hl. Schrift und  Lehre der Kirche (Katechismus, …). - Unnatürliche  sexuelle Praktiken, Verführung Anderer, Verzerrung des Bildes von Ehe und Familie, Eheprobleme, …“

Außerdem wirbt der Bund, dessen Mitgliederzahl nicht veröffentlicht wird, damit, durch ärztliche und geistliche Ansätze Homosexualität zu therapieren. So sagt der Bund, es sei durch Psychotherapie oder klassische Homöopathie, und durch Seelsorge, Gebet und Umkehr möglich, Homosexualität zu „lindern“ oder gar zu „heilen“. 

Aber auch der Katechismus der Katholischen Kirche regelt dies, einem Handbuch der römisch-katholischen Kirche, das Grundfragen beantworten und Überzeugungen wiedergeben soll.

In der aktuellen Version von 1992, angeordnet durch Papst JOHANNES PAUL II wird unter „Keuschheit und Homosexualität“ dargelegt, dass nach der Bibel homosexuelle Handlungen grundsätzlich nicht in Ordnung seien, da sie gegen das natürliche Gesetz verstoßen würden und deshalb nicht zu billigen seien. Für Menschen mit „homosexuellen Tendenzen“ sei die Sexualität eine Prüfung und somit müsse ihnen mit „Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen“ sein. Außerdem wird angeraten, in Keuschheit zu leben, um sich durch Selbstbeherrschung, Gebet und Gnade der christlichen Vollkommenheit zu nähern. 

„Homosexualität tritt in verschiedenen Zeiten und Kulturen in sehr wechselhaften Formen auf. Ihre psychische Entstehung ist noch weitgehend ungeklärt. Gestützt auf die Heilige Schrift, die sie als schlimme Abirrung bezeichnet [Vgl. Gen 19, 1-29; Röm 1,24-27; 1 Kor 6,10; 1 Tim 1,10], hat die kirchliche Überlieferung stets erklärt, ‚daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind‘ (CDF, Erkl. ‚Persona humana‘ 8). Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen.“

(Katechismus der Katholischen Kirche, Punkte 2357 - 2359)

David BERGER war lange Zeit angesehener Theologe in konservativen Kreisen der Katholischen Kirche und Leiter des konservativen Magazins „Theologisches“, sowie Professor an der Akademie des Thomas von Aquin im Vatikan. Nach seinem Outing im Jahr 2010 schrieb er ein Enthüllungsbuch, in dem er unter anderem aufzeigt, wie im Vatikan mit Homosexualität umgegangen wird. Im Interview mit ansTageslicht.de schildert BERGER, wie die Katholische Kirche die Homosexualität Geistlicher ausnutzt, um Druck auf sie aufzubauen und zu erpressen. Man wolle Homosexuelle auf diesem Weg auf Linie halten, was bei den Betroffenen der Erpressungen zu Angst und psychischen Leid führe. 

Generell sei die Kirche nicht an einer größeren Liberalität interessiert, sondern er bemerkte eine immer größere Homophobie seitens des Vatikans. Gerade in Lateinamerika seien Kirchen, die eine gesellschaftspolitische und sexualmoralische Radikalität an den Tag legten, sehr erfolgreich und die Katholische Kirche sehe hier großes Mitgliederwachstum.

Die eingetragene Lebenspartnerschaft in Deutschland

In Deutschland wurde das Gesetz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft im November 2000 im Bundestag durch Stimmen von SPD und Bündnis90/Die Grünen beschlossen. Es trat im August 2001 in Kraft und war weniger umfangreich als der ursprüngliche Gesetzesentwurf. Da weitere Gesetze hätten geändert werden müssen, wurde es in zwei Teile gespalten. Ein Teil benötigte keine Entscheidung des Bundesrates und konnte so durchgesetzt werden. Der zweite Teil scheiterte aufgrund der Mehrheit von CDU/CSU-regierten Ländern im Bundesrat. Dieser Teil enthielt vor allem Regelungen im Beamten- und Steuerrecht. Ein durch die Bundesländer Bayern, Sachsen und Thüringen beim Bundesverfassungsgericht eingeleitetes Normenkontrollverfahren (Prüfung auf Übereinstimmung mit dem Grundgesetz) war allerdings nicht erfolgreich (BVerfGE 105,313). 

Die CDU-geführten Länder kritisierten, das Lebenspartnerschaftsgesetz würde gegen den besonderen Schutz von Ehe und Familie in Artikel 6 Grundgesetz verstoßen. Dort heißt es: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“

Das Urteil der Verfassungsrichter dazu lautete: „Die Einführung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare verletzt Art. 6 Abs. 1 GG nicht. Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen. Dem Institut der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können.“

Die Katholische Kirche zur „Eingetragenen Lebenspartnerschaft“

Die Katholische Kirche appellierte, Gesetzesentwürfe zu einer Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften abzulehnen. In der Kongregation für die Glaubenslehre „Persona Humana“ vom Juni 2003 nennt sie die Ehe heilig, während homosexuelle Beziehungen ein Verstoß gegen das natürliche Sittengesetz seien, dies wird damit begründet, dass aus ihnen kein Nachwuchs entstehen könne. Homosexualität gehöre zu den Sünden, die gegen die Keuschheit verstoßen würden, weshalb der Staat daraufhin gewiesen sein sollte, „das Phänomen in Grenzen zu halten“. Katholische Parlamentarier wurden daher direkt aufgefordert, sich öffentlich gegen einen Gesetzesentwurf zur rechtlichen Anerkennung homosexueller Partnerschaften zu äußern und zu stimmen. 

„Wenn alle Gläubigen verpflichtet sind, gegen die rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften Einspruch zu erheben, dann sind es die katholischen Politiker in besonderer Weise, und zwar auf der Ebene der Verantwortung, die ihnen eigen ist. Wenn sie mit Gesetzesvorlagen zu Gunsten homosexueller Lebensgemeinschaften konfrontiert werden, sind folgende ethische Anweisungen zu beachten.

Wird der gesetzgebenden Versammlung zum ersten Mal ein Gesetzesentwurf zu Gunsten der rechtlichen Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften vorgelegt, hat der katholische Parlamentarier die sittliche Pflicht, klar und öffentlich seinen Widerspruch zu äußern und gegen den Gesetzesentwurf zu votieren. Die eigene Stimme einem für das Gemeinwohl der Gesellschaft so schädlichen Gesetzestext zu geben, ist eine schwerwiegend unsittliche Handlung.

Wenn ein Gesetz zu Gunsten homosexueller Lebensgemeinschaften schon in Kraft ist, muss der katholische Parlamentarier auf die ihm mögliche Art und Weise dagegen Einspruch erheben und seinen Widerstand öffentlich kundtun“, hieß es.

Eine Stimme dafür sei eine schwer unsittliche Handlung, da das Gesetz dem Gemeinwohl der Gesellschaft schade. Diese Lehre kam auf Anweisung Papst JOHANNES PAUL II. und stammt unter anderem von Cardinal Joseph RATZINGER, dem spätereren Papst BENEDIKT XVI. 

(Kongregation für die Glaubenslehre: Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen, Kapitel 4, 5, 10)

Es gibt allerdings auch weniger kritische Stimmen in Führungskreisen der Katholischen Kirche. Der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert ZOLLITSCH, äußerte kurz nach Amtsantritt im Februar 2008 im Berliner Tagesspiegel, er habe als Katholik das Ideal von Familie und Ehe, Homosexuelle Partnerschaften seien aber Realität, und so könnte der Staat auch entsprechende Regelungen für Homosexuelle treffen. Den Begriff „Ehe“ sei dabei aber falsch, da so suggeriert werde, die Partnerschaft würde mit der heterosexuellen Ehe gleichgestellt. 

Vier Jahre später nannte der damalige Papst BENEDIKT XVI. im Vatikan das in-Frage-stellen der traditionellen Familie von Mann und Frau eine "Bedrohung für die menschliche Würde und für die Zukunft der Menschheit“ - die heterosexuelle Ehe sei keine soziale Konvention, sondern „Keimzelle jeder Gesellschaft“.

Seit 2013 leitet Papst FRANZISKUS als „Stellvertreter“ von Jesus Christus hier auf Erden die Römisch-Katholische Kirche. Er äußerte sich bisher gegenüber Homosexuellen offener als seine Vorgänger. So sagte er zum Beispiel: "Wenn jemand homosexuell ist und guten Willens nach Gott sucht, wer bin ich, darüber zu urteilen?“ Weiter sei nicht die homosexuelle Neigung, sondern der Akt eine Sünde. Homosexuelle dürften nicht ausgegrenzt, sondern sollten in die Gesellschaft integriert werden. Die Kirche wolle Homosexuelle nicht verurteilen. Derlei vorsichtige Aussagen 

von Kirchenvertretern sollen offenbar signalisieren, dass eine eindeutige Veränderung der bisherigen Linie in nächster Zeit nicht wahrscheinlich ist.

Homosexualität und Evangelische Kirche

Im Vergleich zur Katholischen Kirche ist die Haltung der Evangelischen liberaler. Im Juni 2013 stellte der Rat der evangelischen Kirche in Deutschland das Familienpapier „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit - Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ vor. Diese Papier soll als Orientierungshilfe innerhalb der Evangelischen Kirche dienen. 

In dem Papier wird die heterosexuelle Ehe nicht mehr als alleinige Norm dargestellt, sondern es wird Unterstützung für andere Formen des Zusammenlebens, wie die homosexuelle Beziehung, gefordert. So heißt es darin unter Punkt 51 zur Homosexualität:

Die Frage nach der Segnung homosexueller Paare und der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften, die sich darin ausdrückt, bewegt die evangelische Kirche seit Langem und ist nach wie vor umstritten. Im Kern geht es bei diesem Thema um das evangelische Verständnis der kirchlichen Trauung angesichts neuer Lebensformen. Es geht aber auch um die Frage, wie biblische Texte – zum Beispiel der Schöpfungsbericht – auszulegen sind und welche Rolle dabei die historische und gesellschaftliche Einordnung spielt. Deutet man die biblischen Aussagen, in denen Homosexualität als Sünde gekennzeichnet wird (3. Mose 18,22; 20,13; Röm 1,26-27), als zeitlos gültig, kann man zu der Meinung kommen, eine homosexuelle Partnerschaft sei mit einer heterosexuellen keinesfalls vergleichbar.

Allerdings gibt es auch biblische Texte, die von zärtlichen Beziehungen zwischen Männern sprechen. Fragt man jenseits dieser einzelnen Textstellen nach dem, was menschliche Beziehung in Gottes Schöpfung ausmacht, dann ist zu konstatieren: Der Mensch wird von Anfang an als Wesen beschrieben, das zur Gemeinschaft bestimmt ist (1. Mose 2,18). Durch das biblische Zeugnis hindurch klingt als »Grundton« vor allem der Ruf nach einem verlässlichen, liebevollen und verantwortlichen Miteinander, nach einer Treue, die der Treue Gottes entspricht. Liest man die Bibel von dieser Grundüberzeugung her, dann sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften, in denen sich Menschen zu einem verbindlichen und verantwortlichen Miteinander verpflichten, auch in theologischer Sicht als gleichwertig anzuerkennen. Nutzen homosexuelle Menschen heute die rechtliche Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaft, dann erklären sie, wie heterosexuelle Menschen, bei der Eheschließung öffentlich ihren Willen, sich dauerhaft aneinander zu binden und füreinander Verantwortung zu tragen.“

Nikolaus SCHNEIDER, Vorsitzender im Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands, dem Leitungsgremium der Kirche in Deutschland, sagte in einem Interview mit der Berliner Zeitung: 

„Ich bejahe allerdings die Homosexualität als Ausdruck der Liebe zwischen zwei Partnern. Denn Sexualität dient nicht nur der Zeugung von Kindern, sondern auch dazu, Liebe auszudrücken und sich gegenseitig Lust zu schenken. […] Homosexualität ist keine Krankheit. Um es fromm zu sagen: Der liebe Gott hat wenige Menschen so gemacht.“

In allen einzelnen Landeskirchen der Evangelischen Kirche Deutschlands ist es homosexuellen Pastorinnen und Pastoren erlaubt, mit standesamtlich liierten Lebenspartnern im Pfarrhaus zu leben.

In 12 der 20 Landeskirchen in Deutschland ist es außerdem erlaubt, wenn die örtliche Pastorin, bzw. der Pastor einverstanden sind, öffentliche Segnungen von eingetragenen Lebenspartnern in den Kirchen vorzunehmen.

Homosexualität und Judentum

Innerhalb des Judentums gibt es unterschiedliche Einstellungen zur Homosexualität. Das orthodoxe Judentum, das die Thora wörtlich auslegt, lehnt jede Form der sexuellen Aktivität zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern ab. Orthodox lebende Juden richten sich nach der Halacha, dem jüdischen Recht, welches 613 Ge- und Verbote beinhaltet und Analsex verbietet. Ron YOSEF ist der erste offen schwul lebende orthodoxe Rabbi und outete sich im Jahr 2009 im israelischen Fernsehen. Nun setzt er sich für mehr Akzeptanz gegenüber Homosexuellen im orthodoxen Judentum ein. In einem Interview mit der taz, die tageszeitung berichtet YOSEF von Morddrohungen, die auf sein Outing folgten und fordert eine Diskussion zum Thema Homosexualität, da diese in der Lehre der orthodoxen Juden nicht vorkäme. 

In Teilen des nichtorthodoxen Judentums herrscht eine höhere Akzeptanz gegenüber homosexuellen Personen. Die Union progressiver Juden in Deutschland, die ein liberales Judentum vertreten, schreibt in einer Erklärung

„Die jüdische Einstellung zur Homosexualität sollte alle sexuellen Handlungen erlauben, wenn sie zwischen erwachsenen Menschen in gegenseitigem Einvernehmen im privaten Bereich geschehen, wie sie schon immer eine Vielfalt von Handlungen zwischen heterosexuellen Ehepartnern in der Intimität ihres ehelichen Lebens erlaubte (Nedarim 20b). Umgekehrt werden alle Formen der Untreue, Promiskuität oder sexuellen Ausbeutung verurteilt, unabhängig davon, ob sie von Hetero- oder Homosexuellen verübt werden. Außerdem sollte man der Doppelmoral ein Ende setzen, derzufolge Menschen, die das siebte Gebot übertreten und Ehebruch begehen, unbescholten davon kommen können, während man Schwule und Lesben, die treue Beziehungen leben, mit Abscheu betrachtet.“

Homosexualität und Islam

Auch im Islam gibt es unterschiedliche Auffassungen zur Homosexualität. Aiman A. MAZYEK ist Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, einem der wichtigsten deutschen Dachverbände für Muslime: „Die Verfolgung und Diskriminierung von Homosexuellen findet keine islamische Rechtfertigung. Ein umfassender Diskriminierungsschutz in der Verfassung für alle Menschen ist für das friedliche Zusammenleben in Deutschland notwendig." 

Dagegen ist Homosexualität in den meisten islamischen Ländern verboten, in einigen davon wie Saudi-Arabien oder dem Iran droht sogar die Todesstrafe für homosexuelle Handlungen.

Islamgelehre lehnen Homosexualität größtenteils ab, sie wird als „illegitimer Geschlechtsverkehr“ bezeichnet. Die Begründung ist unter anderem die gleiche wie die der Katholiken (3 Mose, 20,13, siehe ganz oben). Im Koran findet sich unter Sure 7, Verse 80-84 Zeilen, aus denen ein Verbot von Homosexualität gedeutet wird:

„Und (Wir entsandten) Lot, da er zu seinem Volke sagte: "Wollt ihr eine Schandtat begehen, wie sie keiner in der Welt vor euch je begangen hat? Ihr gebt euch in (eurer) Sinnenlust wahrhaftig mit Männern statt mit Frauen ab. Nein, ihr seid ein ausschweifendes Volk.“ Da war die Antwort seines Volkes keine andere als die: "Treibt sie aus eurer Stadt hinaus; denn sie sind Leute, die sich reinsprechen wollen." Sodann erretteten Wir ihn und die Seinen, mit Ausnahme seiner Frau; denn sie gehörte zu denen, die zurückblieben. Und Wir ließen einen gewaltigen Regen auf sie niedergehen. Nun siehe, wie das Ende der Verbrecher war!“

Direkte Verbote von Homosexualität werden allerdings nicht genannt. Generell wird Homosexualität im Islam eher tabuisiert, eine große Debatte fand bisher nicht statt.

(MK)