Umfrage des Vatikans zur Sexualmoral unter Katholiken

Kirchliche Sexuallehre trifft auf kein Verständnis bei Katholiken in Deutschland

Erstmals veranstaltete der Vatikan aktuell weltweit eine Umfrage zur Ehe und Sexualmoral unter Katholiken. Im Februar 2014 veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz die Umfrageergebnisse aus Deutschland. Titel: „Die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung

Die Ergebnisse zeigen, dass die Lehre von Sexualität und Familie in vielen Fällen bei Gläubigen nicht angenommen wird und nicht der Lebensrealität von Katholiken entspricht. So heißt es, „die Lehre der Kirche wird dort, wo sie bekannt ist, meist nur selektiv angenommen.“ 

Grundsätzlich trifft die kirchliche Ehe als Zeichen von Treue und Hoffnung auf einen lebenslangen Bund auf Akzeptanz bei kirchlich Verheirateten. Auf Ablehnung stößt jedoch das Verbot künstlicher Verhütung sowie der außereheliche Geschlechtsverkehr. Der Umgang mit homosexuellen Lebenspartnerschaften wird als Diskriminierung wahrgenommen und der Umgang mit Geschiedenen kritisiert.

Es scheint einen großen Unterschied zwischen der offiziellen Kirchenlehre und der Vorstellung gläubiger Katholiken zu geben, die ihre Kirche mit lebensferner Sexualmoral verbinden. Zwischenmenschliche Beziehungen und Sexualität wird als Privatbereich angesehen, bei dem Institutionen wie die Kirche nur beratend helfen und nicht dominierend Normen vorgeben sollten. Ehe und Familie sollen nach dem Gewissen der individuellen Privatperson gelebt werden. So die mehrheitliche Meinung. 

Der Bericht der Bischofskonferenz zeigt klar auf, dass die Lehre der Kirche und die Realität der Menschen weit auseinandergehen. Vor der Eheschließung leben Paare bereits zusammen, die Position der Kirche, die sich dagegen ausspricht, wird dabei sogar als unverantwortlich angesehen. Das Zusammenleben unverheirateter Paare trifft auf volle Zustimmung unter den Gläubigen, ebenso die voreheliche Geburt. Während die Kirche sich strikt gegen uneheliche Schwangerschaft ausspricht, ist ein Kind ohne verheiratete Eltern in der Realität nichts negatives und seltenes. Genauso selbstverständlich werden getrennt Lebende und Wiederverheiratete angesehen. Jedoch fühlen sie sich häufig diskriminiert und ausgegrenzt, da sie kein Recht auf Sakramente mehr haben und auch keine Ämter oder Dienste in der Glaubensgemeinschaft antreten dürfen.

So führt die Einstellung und Regelung der Kirche bei Geschiedenen und Wiederverheirateten zu einer größeren Distanzierung zur Kirche und dem Glauben. Eine strikte Verurteilung von Geschiedenen sehen die Katholiken als unmoralisch an, der Aufbau einer neuen Beziehung sei besser als ein Leben in Einsamkeit. Die Gläubigen verlangen einen höheren Respekt gegenüber den Entscheidungen des Einzelnen.

Bei Katholiken in Deutschland trifft auch das Verbot von künstlicher Empfängnisverhütung auf keinerlei Verständnis und wird auch nicht eingehalten. Gerade bei Kondomen wird die Kirche als lebensfremd kritisiert, das Verbot wird auch im Zusammenhang mit der Übertragung von Krankheiten, insbesondere HIV, gar als unmoralisch bezeichnet. 

Die Weigerung der Kirche, gleichgeschlechtliche Partnerschaften sowohl gesellschaftlich, als auch rechtlich anzuerkennen trifft auf wenig Zustimmung, man sieht es eher als Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung. Eine solche Position empfinden Gläubige als ungerecht, die Kirche trifft auch hier auf wenig Gehör. 

Insgesamt können die meisten Katholiken die Lehre der Kirche in vielen Punkten nicht nachvollziehen und leben sie daher auch nicht, viel eher erscheint sie lebensfremd und nicht mehr zeitgemäß. In einigen Punkten wird sie auch als diskriminierend und unbarmherzig angesehen.

Anschließend zeigen die Bischöfe auf, welche Folgen aus der Umfrage gezogen werden könnten. Die Befragung zeige demnach auf, dass für die Kirche in Deutschland eine Neuorientierung nötig ist. Es wird dabei sogar von „Verbotsethik“ gesprochen, die zu ändern sei. 

„In diesem Zusammenhang werden auch die Grenzen jeder „Verbotsethik“ deutlich, die versucht, das ihr Wichtige in – womöglich noch sanktionsbewehrte – Anweisungen und Verbote zu kleiden“ (S.18).

Vielmehr sei eine Orientierung am Individuum angebracht, die zu einem guten Leben in der Glaubensgemeinschaft führen solle. Die Bischöfe verlangen einen Neuansatz, um nicht als Gemeinschaft mit realitätsfremder Gesetzesethik angesehen zu werden. Gerade beim Umgang mit Geschiedenen sei eine Veränderung nötig, sodass diese auch die Sakramente der Kirche wieder annehmen dürften. Die Kirche werde dort geschätzt, wo sie stärkend und unterstützend auftritt, hier soll für die Gläubigen angesetzt werden, die Lebensrealität solle besser verstanden und darauf eingegangen werden. Daher sei im Bezug auf die Bischofssynode das Einbeziehen von Familien wichtig, sie müssten im Bezug auf die Ehe- und Familienpastoral ernst genommen werden.

Der Vatikan befragte weltweit seine Anhänger, da im Herbst 2014 und 2015 eine Bischofssynode zu dieser Thematik abgehalten werden soll. Bei einer solchen Synode berät der Papst mit den Bischöfen aus aller Welt relevante, kirchliche Angelegenheiten. Die Versammlung soll die veränderte Lebensrealität und die Einstellung der Kirchenanhänger reflektieren. Im Vorbereitungsdokument des Vatikans heißt es dazu:

Es zeichnen sich heute bis vor wenigen Jahren noch nie dagewesene Problematiken ab, von der Verbreitung der faktischen Lebensgemeinschaften, die die Ehe nicht anstreben und zuweilen deren Idee verwerfen, bis hin zu Verbindungen von Personen desselben Geschlechts, denen nicht selten die Adoption von Kindern gewährt wird.“