Nordbayerischer Kurier, 22.12.2001

von Udo MEIXNER

Porträt eines Phantoms

Pater Heinrich Morscher. Sein Name geistert seit dem Schulbuchskandal an der Auerbacher Realschule durch die Medien. Wird ihm doch nachgesagt, dass er der Mann sei, der die Auerbacher Schwestern mit den Ideen des Engelwerkes vertraut gemacht habe. Der KURIER versucht, das Bild des heute 72-Jährigen zu zeichnen, von dem es keine Bilder gibt. Das Bild eines Mannes, der von den einen als die Ursache allen Übels in Auerbach gesehen wird, von den anderen aber als „ganz normaler Geistlicher" charakterisiert wird.


Zunächst einmal stellt sich die Frage, was Pater Heinrich Morscher mit dem Auerbacher Kloster zu tun hat, wieso er von vielen als eigentlicher geistiger Verursacher der Schulbuchzensur an der Realschule eingestuft wird. Pater Morscher, so behaupten seine Kritiker, habe Mitte der achtziger Jahre dem Engelwerk seinen Lehren und seinen Organisationen sehr nahe gestanden (das Engelwerk wird als fundamentalistische und erzkonservative Bewegung innerhalb der katholischen Kirche eingestuft). In dieser Zeit stand Morscher auch bereits schon in engem Kontakt mit dem Auerbacher Kloster.

Geistige Verwandtschaft

Morscher ist einer der vielen Geistlichen, die im Laufe der Zeit von den Auerbacher Schulschwestern eingeladen wurden, im Kloster Einkehrtage für die Klosterfrauen zu halten.
Die Frage, ob Morscher je wirklich Mitglied der fundamentalistischen Engelwerk-Bewegung war oder nicht, spielt für Dr. Hans Schmid eigentlich keine Rolle. Schmid ist Leiter der Hauptabteilung Schule und Religionsunterricht bei der Erzdiözese Bamberg. Entscheidend ist für Schmid einzig und alleine die auffällige „geistige Verwandtschaft" zwischen Engelwerk-Lehren und den religiösen Praktiken, die teilweise von den Schwestern an den Tag gelegt werden.
Als Beispiele nennt Schmid die Gesprächsunfähigkeit und –unwilligkeit der Klosterfrauen: „Auch das Engelwerk rechtfertigt sich nicht nach außen." Als einige konkrete Beispiele im Bezug auf die Realschule und die beiden von Schwestern geleiteten Kindergärten seien zu nennen: an erster Stelle die Leibfeindlichkeit (Mädchen durften im Kindergarten keine. Leggings tragen, Jungen und Mädchen durften im Sommer nicht gemeinsam im Schwimmbecken planschen) und der Kampf gegen Sexualaufklärung (wie an der Realschule geschehen).
„All diese Fakten sprechen eine deutliche Sprache", schließt sich auch Ludwig Meier, Ministerialbeauftragter für die Realschulen der Oberpfalz, der Meinung von Hans Schmid an. Die Verhaltensweisen der Auerbacher Klosterfrauen sprechen auch für ihn eindeutig für eine geistige Verwandtschaft zu Engelwerk-Lehren, eine Verwandtschaft, deren Ursprung laut Meier auf Pater Heinrich Morscher zurückzuführen sei.
Morscher wurde 1929 in Vorarlberg geboren. 1954 wurde er als Mitglied der Kongregation der Missionare vom kostbaren Blut zum Priester geweiht und hielt in der Nähe von Kufstein regelmäßig Exerzitien ab. Als sein damaliger Ordensprovinzial, Pater Josef Epping, ihm nach diversen Beschwerden über abfällige Bemerkungen über Päpste und andere Priester im Jahre 1985 untersagte, weitere Einkehrtage zu halten, trennte sich Morscher erstmals von seinem Orden. Er schloss sich als so genannter Donate dem Orden der Regularkanoniker vom Heiligen Kreuz an. Der Kreuzorden, so die Kurzbezeichnung der Kongregation, gilt als die geistige Elite des Engel¬werkes.
Die einstige Nähe Morschers zum Engelwerk, die will auch Kaplan Helmut Prader nicht leugnen. Prader ist so etwas wie der zivilrechtliche Beistand von Pater Morscher und dessen Vertrauter. Prader gehört der Priestergemeinschaft vom heiligen Josef an, einem Treffpunkt für Geistliche in Klainhain bei St. Pölten (Österreich). „Pater Morscher ist aber kein Mitglied im Engelwerk", bemüht sich Kaplan Prader klarzustellen. Er will aber auch nicht leugnen, dass es in der Vergangenheit „gewisse Berührungspunkte" gab. Spätestens Ende der achtziger Anfang der neunziger Jahre aber hätten sich die Wege von Morscher und Engelwerk wieder getrennt.
Gesundheitlich ist Pater Heinrich Morscher angeschlagen durch einen Schlaganfall in den achtziger Jahren und einen weiteren im Frühjahr 2001. „Trotz seines fortgeschrittenen Alters ist für ihn aber kein Ruhestand denkbar", so sein Vertrauter Kaplan Prader. Und weiter meint der Geistliche: „Morscher wird wohl auch irgendwann einmal in der Ausübung seiner Tätigkeit sterben." Ein Altersheim werde Morscher nie von innen sehen. Eine Frage kann oder will aber auch Kaplan Prader nicht beantworten:
Welcher Kongregation gehört Pater Morscher eigentlich jetzt an? In dieser Frage hält sich auch Dr. Christof von Schledom bedeckt, der Anwalt Morschers. Die Frage der Inkardination – die Eingliederung eines Geistlichen in einen Orden oder eine Diözese – sei Privatangelegenheit Morschers. Licht ins Dunkel vermag schließlich Michael Dinhobl zu bringen, der Pressereferent der Diözese St. Pölten und Sprecher von Bischof Dr. Kurt Krenn. “Pater Morscher ist seit etwa einem Jahr ad experimentum in der Diözese St. Pölten inkardiniert”, so die Auskunft. Morscher untersteht somit direkt Bischof Krenn.
Keine Frage für Krenn

Der Begriff ad experimentum steht für die Probezeit, die vorgeschrieben ist, wenn ein Geistlicher in eine andere Diözese wechseln will. Diese Probezeit betrage etwa zwei bis drei Jahre, so Dinhobl.
Bischof Krenn und Pater Morscher jedenfalls würden sich schon seit langem kennen. Deshalb sei es für Krenn auch keine Frage gewesen, Morscher in seiner Diözese aufzunehmen.
Beide Geistlichen haben übrigens direkte Verbindungen zum Auerbacher Kloster: Morscher als Organisator der Exerzitien für die Klosterfrauen und Krenn als regelmäßiger Gast bei den jährlichen Einkleidungsfeiern im August. Zwei bis drei Auerbacher Schwestern sind ferner ständig in St. Pölten und versehen dort am Domplatz den Haushalt von Bischof Krenn.
Pater Ferdinand Zech, Provinzial der Missionare vom kostbaren Blut - Pater Morschers ehemaliger Vorgesetzter also -, antwortet auf die Frage nach etwaigen Zerwürfnissen zwisehen Morscher und der Kongregation diplomatisch: „Pater Morscher hat viele Dinge getan, die nicht mit uns ab¬gesprochen waren. Dazu gehört auch seine seelsorgerische Tätigkeit im Auerbacher Kloster." Pater Zech schätzt den Einfluss, den Morscher auf die Auerbacher Schulschwestern hat, immer noch als enorm ein.
Pater Zech glaubte bislang sogar, dass Morscher bei den Auerbacher Schulschwestern wohne. Er sei stets, davon ausgegangen, Auerbach sei Morschers fester Wohnsitz - schließlieh sei ja auch alle Korrespondenz zwischen der Kongregation und Mor¬scher ins Auerbacher Kloster geschickt worden.