Der Chimki-Wald und die Region

Das Moskauer Gebiet, eine verwaltungstechnisch eigenständige Region, ist ein wichtiger Bestandteil der russischen Wirtschaft. Es ist eine von Moskau unabhängige Föderationsregion, die keine Hauptstadt, kein eigenes Zentrum hat, und dessen Verwaltungsorgane meistens in Moskau direkt angesiedelt sind. Das Haushaltsbudget des Gebiets hat sich zwischen 2000 und 2008 verzehnfacht und lag im Jahr 2008 bei 235 Milliarden Rubel (5 Milliarden Euro). Die Bevölkerung ist für russische Verhältnisse relativ hoch: 2009 rund 6,5 Millionen Einwohner. Viele Städte haben über 100.000 Einwohner. Einige Vororte wie Odinzowo, Chimki oder Mytischi sind praktisch mit dem Stadtgebiet Moskaus verwachsen und bilden das so genannte „nahe Podmoskowje“ - Gebiet.

Städte, die ca. 100 Kilometer von Moskau entfernt, also weiter weg liegen, wie Klin, Dmitrow oder Serpuchow, bilden das „ferne Podmoskowje“. Aber selbst aus diesen weiter entfernten Städten wie Serpuchow fahren viele Einwohner täglich zur Arbeit in die Hauptstadt, weil dort die Löhne höher sind.
Umgekehrt zu diesem Trend zieht es Moskaus Bevölkerung vermehrt „aufs Land“, wo sie dem stressigen Alltag und der schlechten Luftqualität entkommen können. In den vergangenen Jahrzehnten ist das amerikanische Lebensmodell – in sogenannten „Cottage-Siedlungen“ oder „Townhouses“ in der Vorstadt zu wohnen – immer populärer geworden und führte zu einem regelrechten Bauboom. Das bedeutet auch: zu einem Kampf um Grund und Boden im „nahen Podmoskovie“.

Die Korruption in den Behörden, die für die Genehmigungen der Bauvorhaben zuständig sind, nahm im gleichen Maße zu. »Es ist schwer, in Russland Regionen zu finden, wo Grundstücke so wertvoll sind«, sagte Alexander KINJEV, Direktor der »Stiftung für Entwicklung der Informationspolitik«, in einem Interview mit »Radio Liberty«. Deshalb sei das »Niveau der Kriminalisierung der politischen Führung von Region, Kreis sowie der wirtschaftlichen Elite extrem hoch«. Was die Anzahl von Angriffen und Ermordungen angehe, konkurriere das Moskauer Gebiet in Wahlkampfzeiten mit dem als Unruhegebiet bekannten nordkaukasischen Dagestan“ schreibt der Moskauer Journalist Moritz GATHMANN in einer Studie von „Reporter ohne Grenzen“ (HELDEN UND HANDLANGER: Die Arbeit von Journalisten und Medien in den russischen Regionen).


Wie auch aus anderen Ländern allgemein bekannt: Umwelt sowie der Schutz derselben konkurrieren regelmäßig mit wirtschaftlichen Interessen. Wenn Natur und Umwelt, sprich Naturschutz und Umweltschutz keine 'Lobby', z.B. keinerlei gesetzliche Grundlage haben und nicht in den Köpfen der Menschen verankert sind, setzen sich ebenso regelmäßig die wirtschaftlich Mächtigen durch. Erst recht, wenn sie mit der politischen Macht liiert oder sogar weitgehend identisch sind. Genau dies scheint das Problem in Chimki zu sein, wenn es um den Wald und die notwendige Autobahn Moskau - St. Petersburg geht.

Dass eine schnelle Strasse benötigt wird, ist unumstritten. Nur

  • wie sie durch bzw. um Chimki herum geführt werden und

  • wieviel Waldfläche dafür geopfert werden soll,

darüber gibt es unterschiedliche Ansichten.Auch darüber, ob die Autobahn, wenn sie durch den Wald gehen soll, eine auf beiden Seiten 3 km breiten (also insgesamt 6 Kilometer) Randstreifen benötigt. Zum Beispiel für die Ansiedlung von Gewerbe. Beziehungsweise um neues bebaubares Land für spekulative Zwecke zu generieren.Die folgende Karte zeigt die verschiedenen Optionen, die es - eigentlich - gegeben hätte:

Die rote Route ist jene, die gerade politisch von oben herab durchgesetzt wird: von Ministerpräsident PUTIN (ehemals Geheimdienstmann) sowie den beiden ehemaligen Afghanistan-Veteranen - dem Gouverneur des Moskauer Gebiets GROMOV und dem Ersten Bürgermeister von Chimki, STRELCHENKO.Damit verbunden: fast die komplette Abholzung des Chimki-Waldes.Die beiden anderen Möglichkeiten standen nie ernsthaft zur Diskussion. Sie boten sehr viel weniger spekulative Baulandverwertung.