Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM): "... würde die öffentliche Sicherheit gefährden."

Der obige Satz lautet vollständig und im Zusammenhang:

"Durch die Bekanntgabe der begehrten Angaben würde die öffentliche Sicherheit gefährdet werden. Diese beinhaltet die Unversehrtheit der Rechtsordnung, d.h. auch den Schutz von Individualgütern wie Gesundheit, Ehre, Freiheit, Eigentum und sonstiger Rechtsgütern der Bürger."

Dies ist die Anwort der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) auf die Bitte von Max ANGERMAIER, die Namen der Mitglieder in der "Vertreterversammlung" zu benennen, die im Rahmen der sogenannten Sozialwahlen und in geheimer Abstimmung von den wahlberechtigten Menschen zuletzt im Jahr 2017 gewählt wurden: Von Arbeitnehmern auf der einen Seite, von Arbeitgebern auf der anderen.

Die "Vertreterversammlung" ist das Gremium, in dem beide Seiten, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, paritätisch "vertreten" sind und die dann den Vorstand einer Berufsgenossenschaft wählen. Genauer gesagt: zwei Vorstände - einen für die Arbeitnehmer, einen von der Arbeitgeberseite. Es sollen ja beide Seiten gleichberechtigt vertreten sein.

Man stelle sich vor: Der Deutsche Bundestag würde all jene Abgeordneten nicht mit Namen ausweisen, die nicht direkt gewählt wurden, sondern über die Liste in das Parlament eingezogen sind, und man dürfte nicht wissen, mit welchem beruflichen Hintergrund und/oder sonstigen Qualifikationen sie die Wähler "vertreten". Man würde das als intransparent und hochgradig undemokratisch verurteilen.

Bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall, abgekürzt BGHM, ist dies Standard: absolut intransparent. Der obige Satz und auch der nachfolgende, mit dem das fragliche Antwortschreiben der BGHM vom 28. Februar 2016 beginnt, ist deshalb nicht im Rahmen einer Karnevalsrede gefallen, sondern (bier)ernst gemeint:

"Bei den gewünschten Angaben handelt es sich sowohl um geschützte personenbezogene Daten
als auch um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse,
für die nach § 35 Abs. 4 SGB I ein vergleichbarer Datenschutz gilt.
"

Max ANGERMAIER war übrigens viele Jahre selbst im Vorstand einer der später dann fusionierten Berufsgenossenschaften, konkret der Maschinenbau- und Metall-BG, später sogar im Vorstand der DGUV (bzw. deren Vorläuferinstitution Hauptverband der Berufsgenossenschaften HVBG). Er betreibt heute die Plattform www.forum-bg.de.

Beispiel 2

Wir recherchieren im April 2021 zum Thema "Arbeitsschutz" in Deutschland. Da geht es auch um eine "Aktennotiz", die ein agiler Unternehmer nach einem ausführlichen Gespräch mit Vertretern aus dem Hause VW und der BGHM anfertigt hat.

Bei einem solchen Inhalts-Protokoll, bei dem jener, der es angefertigt hat, eine tragende Rolle spielt, z.B. weil er ein solches Treffen selbst angeregt hat, ist es nicht auszuschließen, dass da auch die persönliche Sicht einer solchen Diskussion mit einfließt. Deshalb wollten wir von der BGHM wissen, ob ihr diese "Aktennotiz" ebenfalls vorliegt und ob sie Wichtigkeit dieses Gesprächs ebenso einschätzt wie der Anfertiger dieses 6seitigen Vermerks.

Antwort der BGHM:

Wir dürfen "keine Informationen im Zusammenhang mit Mitgliedsunternehmen geben,
da diese Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
nach § 35 Abs. 4 SGB I darstellen und den Sozialdaten gleichstehen."

Gemeint ist wohl: Wir wollen nicht.

Beispiel 3

Im Zusammenhang mit der eben erwähnten Recherche greifen wir auch einen Vorgang auf, der sich im Jahr 2017 in einem größeren Autohaus im Frankfurter Raum abgespielt hat. Der Geschäftführer, zuständig auch für die Werkstätten, war umsichtig, wollte seiner Verpflichtung nachkommen und eine notwendige Gefährdungsbeurteilung potenzieller Gefahren z.B. beim Schweißen erstellen, kam damit aber nicht zurecht, weil das einigermaßen kompliziert ist und die allermeisten Firmen damit überfordert sind, wie wir ausführlich recherchiert haben: "Arbeitsschutz in Deutschland": Mehr Schein als Sein.

Der Manager holte die BGHM zu Hilfe und der hessische Vertreter war guten Willens, aber doch sehr erstaunt, wie unbeschwert die Werkstattbeschäftigten mit den potenziellen Gefahren bisher umgegangen waren. Es kam zum Eklat. Der konnte schnell gelöst werden, weil der BGHM-Mann sah, wie ernst das Autohaus bemüht war, den sinnvollen Vorgaben gerecht zu werden.

Weil wie diesen Vorgang zunächst nur aus der Sicht eines der Beteiligten kannten, wollten wir die Einschätzung der BGHM dazu hören. Deren Antwort:

Wir dürfen "keine Informationen im Zusammenhang mit Mitgliedsunternehmen geben,
da diese Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
nach § 35 Abs. 4 SGB I darstellen und den Sozialdaten gleichstehen.
"

Beispiel 4

Benzol ist einer der gefährlichsten Stoffe und deren Anteil im Benzin, egal ob Normal oder Super, wurde im Rahmen eines heftigen Kampfes mit der Industrie nach und nach reduziert. Benzol ist für die sogenannte Klopffestigkeit bei Ottokraftstoffen von Bedeutung.

Die Industrie, die sich üblicherweise gegen Vorgaben, die für die Gesundheit der Menschen relevant sind, regelmäßig wehrt, aber dann, wenn es sein muss, schnell Alternativen findet, hat sich viel einfallen lassen, um den Benzolgehalt auch durch moderne Einspritztechnik in Autos zu reduzieren. Trotzdem ist und bleibt Benzol ein Problem, auch wenn es deutlich geringer geworden ist.

Damit die Kfz-Werkstätten, bei denen dies ein Rolle spielt, nicht selbst Messungen für eine "Gefährdungsbeurteilung" anstellen müssen, verweist die BGHM - und natürlich auch deren Dach, die DGUV - auf beispielhafte Messergebnisse, doe Gefahren ausschließen (sollen). Diese Messungen wurden in 17 Kfz-Werkstätten durchgeführt. Das sind 0,05% aller Betriebe (17 von 37.000).

Zu diesen Messungen wollten wir Näheres wissen. Z.B. ob die BGHM eine solche Stichprobe als ausreichend oder gar repräsentativ ansehe? Eine Frage, die sie mit dem Hinweis beantwortete, eine Werkstatt könne die "nach Prüfung der Übertragbarkeit" einfach "übernehmen und so auf eine individuelle messtechnische Ermittlung verzichten." Das ist natürlich keine Antwort auf unsere Frage, aber das ist wohl Standard bei der "Körperschaft des Öffentlichen Rechts", die sich "Berufsgenossenschaft Holz und Metall" nennt.

Wir hatten weiter angefragt, ob die BGHM die Messprotokolle in anonymisierter Form zu Verfügung stellen könne. Bei 17 Messprotokollen (bzw. 37.000 Kfz-Werkstätten) sollte dies kein unüberwindliches Problem darstellen. So hatten wir jedenfalls vermutet.

Antwort der BGHM:

"Bei den Expositionsdaten handelt es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
nach § 35 Abs. 4 SGB I, die den Sozialdaten gleichstehen
und dem Sozialgeheimnis nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I unterliegen."

Beispiel 5

Im Zusammenhang mit dem bereits beschriebenen Thema Arbeitsschutz in Deutschland: zwischen Schein und Sein dokumentieren wir, wie u.a. aufgrund falscher Arbeitsunfallberichte der Betroffene, den wir auf seinen Wunsch mit C.B. anonymisieren, keine Unfallrente erhält. Wir haben das Beispiel dokumentiert unter Arbeitsunfall bei Volkswagen: gefälschte Unfallberichte.

Als sich der Rechtsanwalt des Betroffenen bei der BGHM meldet, um zu erfahren, was denn bei den Ermittlungen des Unfalls seines Mandanten herausgekommen ist, erhält er diese Antwort:

"Die von Ihnen begehrten Informationen unterliegen dem Sozialdatenschutz.
Zu den Sozialdaten gehören auch Informationen über die vom Präventionsdienst
durchgeführten Besichtigungen und die Durchführung von Unfalluntersuchungen."

Resümee

Die BGHM ist mit fünfeinhalb Millionen Mitgliedern bzw. "Versicherten" eine der drei großen von insgesamt neun Berufsgenossenschaften, die alle ein mehr oder weniger unkontrolliertes Eigenleben führen (können). Sie sind Bestandteil eines großen, aber unbekannten Monopols, das wir detailliert rekonstruiert haben unter www.ansTageslicht.de/DGUV. Wie das System der Gesetzlichen Unfallversicherung, konkret die Idee von Berufsgenossenschaften vor rund 140 Jahren entstanden war und wie sich diese Institutionen bis heute entwickelt haben, nämlich zu einem riesigen Schattenreich, haben wir dokumentiert unter www.ansTageslicht.de/GUV.

Bei WIKIPEDIA heißt es unter dem Begriff Berufsgenossenschaften, Stichwort "Aufsicht", dass die BGen "der staatlichen Aufsicht unterliegen" würden. Über die Zuverlässigkeit von WIKIPEDIA-Informationen haben wir uns an anderer Stelle beschäftigt (www.ansTageslicht.de/Wikipedia). Uns liegen andere Erkenntnisse vor. Zum Beispiel ein Schreiben der "staatlichen Aufsicht", dass dem zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales "gegenüber den Berufsgenossenschaften als selbstverwaltete Körperschaften des öffentlichen Rechts fachlich sowie dienstrechtlich keine Weisungs- oder Aufsichtsrechte zustehen" (mehr unter www.ansTageslicht.de/BierundAsbest).

Das ist das Problem: Solange dieses intransparente Schattenreich unbeobachtet und unkontrolliert agieren kann, wird sich für jene, für die es eigentlich gedacht ist, nichts ändern. Die Folgen für Betroffene haben wir an mehreren Beispielen aufgezeigt:

Kontrollieren können wir nicht. Aber beobachten. Und dies dann dokumentieren.

Dies versuchen wir. Informationen sind deshalb jederzeit hilfreich.

(JL)

Der Text, den Sie hier lesen, gehört zum Themenkomplex

Krank durch Arbeit.

Weitere Bestandteile sind diese Themenschwerpunkte:

Ebenso dazugehörig, aber an anderer Stelle bei uns platziert:

Alle diese Themenschwerpunkte bestehen aus mehreren (ausführlichen) Texten, die wir "Kapitel" nennen. Den gesamten Themenkomplex im Überblick können Sie direkt aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/krankdurcharbeit.