Staatsanwaltschaft Göttingen und Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig

Vorbemerkung:

Dieser Text ist eines der Kapitel aus der umfangreichen Dokumentation Juristische Ignoranz und richterliche Arroganz. Warum Lisa HASE am Landgericht Göttingen keine Chance hat. Es geht dabei um eine zahmedizinische Leidensgeschichte, die in eine gerichtliche Odyssee mündet, die Einblicke in die Praktiken der deutschen Justiz vermittelt, insbesondere jene am LG Göttingen. Dazu gehören aber auch die Vorgänge bei der Staatsanwaltschaft, bei der die Protagonistin eine Strafanzeige gestellt hat. Und die Reaktion auf ihre Beschwerde, die sie - nach Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft (StA) Göttingen - bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft (GStA) in Braunschweig vorgebracht hat. Wir dokumentieren hier, was im Jahr 2011 auf Lisa HASE's Anzeige hin geschehen ist. Aber auch, wie uns die GStA geantwortet hat, als wir im Dezember 2022 diese Geschichte rekonstruiert haben: Die GStA Braunschweig hat uns schlichtweg angelogen.

Alltag im niedersächsischen Justizwesen? Oder nur eine Panne?

Das können wir derzeit (März 2023) noch nicht beantworten, weil das Justizministerium erst eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu Ende führen möchte. Wir werden berichten, wie diese ausgeht und wie man uns eine der von uns gestellten Fragen beantworten wird, nämlich ob es bei der GStA Braunschweig Standard ist, Medien mit wahrheitswidrigen Angaben in die Irre zu führen?

Dieses Kapitel können Sie direkt aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/GStA, die ganze Geschichte mit allen Texten unter www.ansTageslicht.de/LandgerichtGoettingen.


Die Vorgeschichte ganz, ganz kurz:

Die zahnmedizinische Leidensgeschichte von Lisa HASE haben wir im Teil I der insgesamt vier chronologisch angeordneten Texte dokumentiert. Dort ist beschrieben, was alles passieren kann, wenn man sich in eine universitäre Zahnklinik begibt, wo Berufsanfänger arbeiten. Macht einer einen Fehler und der nächste junge Zahnarzt weiß das nicht, z.B. weil der falsche Zahn geröntgt wurde, doktert er am falschen Zahn herum. Der 'richtige', also der Problemzahn, wird dann nicht behandelt und muss im schlechtesten Fall später gezogen werden. Wenn dann der nächste Behandler die Patientendokumentation nicht liest, geschieht der nächste Fehler, und so addieren sich schnell Pfusch und Pannen und 'Besuche' bei mehreren Zahnärzten, weil man zu denen, die schlecht gearbeitet haben, nicht mehr geht.

Und so landet die Patientin bei Zahnarzt Nr. 12, Oberhaupt einer sehr großen Zahnarztpraxis in Göttingen. Irgendwann, genau nach 3 Jahren ständiger Zahnschmerzen, kann die Protagonistin nicht mehr, sie ist physisch am Ende. Aber sie will verstehen, was passiert ist und warum sie 5 zuvor gesunde Zähne verloren hat. Dazu braucht sie Einblick in ihre Patientenakte, die ihr zunächst verweigert wird. Lisa HASE muss klagen, juristisch klarer Fall, sie erhält eine Kopie.

Und staunt nicht schlecht, was sie da - wir reden von Dezember 2005 - zu sehen bekommt: Merkwürdigkeiten über Merkwürdigkeiten:

  • Sie erhält 5 getrennte handschriftliche Behandlungsdokumentationen ihrer Behandler.
    Sie aber hat nur eine einzige in Erinnerung, denn sie war in einer "Gemeinschaftspraxis", wo jeder Zahnarzt wissen muss, was der andere gemacht hat
  • Die einzelnen Akten sind jeweils in einer mehr oder weniger einheitlichen Schrift geschrieben - so, als ob jedesmal die selbe Zahnarzthelferin das Protokoll geführt hätte.
    Und das bei den (sehr) vielen Zahnarztterminen in dieser "Gemeinschaftspraxis" von Zahnarzt Nr. 12. "Gemeinschaftspraxis" steht übrigens auch auf dem Schild an der Haustür.

Für Lisa HASE stellen sich diese Fragen:

•    Wurde die Akte etwa neu (ab)geschrieben?
•    Für einen bestimmten Zweck?
•    Und bei dieser Gelegenheit verändert?
•    Kommen deshalb mehrere Flüchtigkeitsfehler zustande?
•    Ist etwa das ein oder andere falsch dokumentiert?
•    Wurde deshalb an einer Stelle - nachträglich - sogar mit Tippex gearbeitet (auf Blatt 4, Datumseintrag 6.10.2004)?
•    Warum fehlt ein Behandlungstermin im Januar 2005?

3 Jahre später: Klage auf Schadensersatz, 6 Jahre später: Strafanzeige

Für Lisa HASE bricht die nächsten drei Jahre eine schwere Zeit an. Zahnschmerzen ohne Ende, so stark, dass sie in dieser Zeit kaum mehr arbeiten kann. Trotzdem will sie verstehen, was passiert ist und beginnt sich in die zahnmedizinische Fachliteratur einzulesen. Das kostet Konzentration und Kraft, beides wird durch die Malaise mit ihren Zähnen beeinträchtigt. Im Dezember 2008 ist es soweit, sie weiß, wieso Fehler gemacht wurden und bringt eine Schadensersatzklage gegen Zahnarzt Nr. 12 u.a. auf den Weg. Gegen die Zahnklinik läuft bereits eine solche.

Weil Zahnarzt Nr. 12 eine "Größe" in Göttingen ist und u.a. auch als Gutachter vor Gerichten auftritt, haben die Richter am Landgericht offenbar ein Problem, einen Interessenskonflikt. Sie versuchen dem auszuweichen, indem sie Lisa HASE auf ihre "Prozessfähigkeit" hin überprüfen lassen wollen - ausführlich beschrieben im Teil II der Chronologie: Versuch der Psychiatrisierung durch die Richter des Landgerichts Göttingen.

Lisa HASE kann dem zuvorkommen, sie ist clever, und die (erste) Strategie der Richter gescheitert, das Verfahren auf diese Weise beenden zu können. All das nimmt mehr als drei Jahre in Anspruch. Über die zentrale Frage, ob die Patientendokumentation von Zahnarzt Nr. 12 nachträglich neu geschrieben und/oder manipuliert worden ist, erheben die Richter keinen Beweis. Sie machen es einfach nicht. Und so entschließt sich die Protagonistin, eine Strafanzeige gegen Zahnarzt Nr. 12 zu stellen: wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung nach § 267 StGB (Strafgesetzbuch). Sie will auf diese Weise klären lassen, was die Richter nicht machen: manipuliert oder nicht?

Beispielhaft: einige Ungereimtheiten und Widersprüche in den Patientenakten

Wenn man lügt, muss man aufpassen. Man braucht ein gutes Gedächtnis, in dem man speichern kann und zwar exakt, wem man was wann gesagt, sprich vorgelogen hat. Aus diesem Grund werden Verdächtige, wenn sie von der Polizei verhört werden, oft mehrmals befragt. Die Kriminalisten warten dann nur darauf, dass sich jemand widerspricht.

Ähnliches gilt beim Manipulieren von Dokumenten. Wenn man beispielsweise eine dicke Akte aufteilen will auf mehrere einzelne, und zwar nachträglich, muss man aufpassen, dass Dinge nicht doppelt irgendwo auftauchen oder dass veränderte, sprich jetzt fingierte Vorgänge dann auch mit anderen, parallelen Aufzeichnungen übereinstimmen. Bei Patientendokumentationen beispielsweise Behandlungsinformationen mit Daten für die kassenärztliche Abrechnung.

Lisa HASE begründet ihre Verdachtsmomente detailliert in ihrer Anzeige vom 1. Juli 2011. Beispielsweise, dass die Deckblätter zweier vorgelegter Dokumentationen identisch sind, aber dass in beiden Fällen eine falsche Information vermerkt ist. Oder dass Vermerke nicht mit dem übereinstimmen, was sich aus den Röntgenbildern ergibt. Oder dass sie einen Test in der "Gemeinschaftspraxis" bar bezahlt und dafür eine Quittung von Zahnarzt Nr. 12 erhalten hat, die bezahlte Leistung aber in der Patientenakte einer Kollegin von ihm steht. Oder dass Zahnarzt Nr. 12 Leistungen bei der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet hat, die aber in der Dokumentation wieder einer ganz anderen Kollegin auftauchen. Undsoweiter.

Flüchtigkeitsfehler? Oder typische Pannen beim Manipulieren?

Einstellung des Ermittlungsverfahrens

Die Staatsanwaltschaft Göttingen macht es sich einfach. Sie weist zunächst auf die Unterschiede zwischen einer "unechten" und einer "verfälschten" Urkunde hin und räsoniert alsbald, "dass es bei der Frage, ob eine Urkunde unecht ist, nicht etwa darauf ankommt, ob der Inhalt stimmig ist, sondern allein darauf, ob die Urkunde von demjenigen herrührt, er als Aussteller der Urkunde aus dieser hervorgeht."

Dass die Patientenakte von Zahnarzt Nr. 12 von Zahnarzt Nr. 12 herrührt, ist unstrittig. Strittig ist, ob sie "verfälscht" ist. Aber zu letzterem vermag die Göttinger Staatsanwaltschaft "keinen hinreichenden Tatverdacht" erkennen, etwa dass sie "in unzulässiger Weise abgeändert" worden wäre.

Außerdem: Dem Vorwurf der Manipulation wäre von Zahnarzt Nr. 12 "im Zivilprozess energisch widersprochen worden."

Zeugen werden dazu nicht gehört. Etwa die Zahnarzthelferin, die die Patientenakte(n) geschrieben haben soll.

Und zu den von Lisa HASE aufgezeigten Widersprüchen: "Mögliche Widersprüche zwischen den Eintragungen in verschiedenen Patientenakten müssen nicht bedeuten, dass hier seinerzeit Tatsachen bewusst falsch dargestellt worden sind." Als Beleg führt er Behauptungen aus einem Schriftsatz der Anwältin von Zahnarzt Nr. 12 ins Feld. 

Ergo: Einstellung des Ermittlungsverfahrens. "Mangels hinreichendem Tatverdacht."

"Verfälschen" einer Urkunde

Die Rechtsmeinung ist eindeutig: Wenn durch eine "Veränderung" in welcher Art auch immer in einer "echten" Urkunde die "Beweisrichtung" geändert wird, ist dies eine Urkundenfälschung. So lässt es sich beispielsweise in einem der Standardkommentare zum Strafrecht lesen, den der ehemalige BGH-Richter Thomas FISCHER alljährlich auf den neuesten Stand bringt. Und unter Textziffer 19a zur Kommentierung des § 267 StGB taucht das Stichwort "Krankenakte" auf. Dazu hat sich bereits im Jahr 1994 das OLG Koblenz geäußert (Az: 2 Ss 123/94): Verfälscht ein Arzt Befunde, ist das strafbar, "da er die Beweisrichtung der Urkunde abändert." Im konkreten Fall war es um die nachträgliche Veränderung ('Aufhübschen') von Labordaten durch einen Arzt gegangen, aber die Begründung der Koblenzer Richter ist eindeutig auch auf nachträgliche "Veränderungen" übertragbar, die sich auf das Behandlungsgeschehen beziehen, wenn damit Fehler kaschiert werden sollen.

Die Göttinger Staatsanwaltschaft geht weder auf dieses Urteil noch auf diesen Aspekt ein.    

Widerspruch zur Einstellung: abgelehnt.

Mit der Einstellungsverfügung gibt sich Lisa HASE nicht zufrieden, schreibt nochmals auf 9 Seiten an die StA Göttingen mit der Bitte, die Ermittlungen einem anderen Staatsanwalt zu übertragen. Denn die Einstellungsverfügung habe "ungeprüft die Sichtweise" des von ihr angezeigten Zahnarztes übernommen. Da "fühle man sich als Laie auf den Arm genommen."

Und sie appelliert an die Fairness: "Es dürfte einem Staatsanwalt bekannt sein, dass das Grundgesetz auch dem Kläger in einem Arzthaftpflichtprozess das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren zusichert. Es dürfte ebenfalls einem Staatsanwalt bekannt sein, dass „Waffengleichheit“ im Arzthaftpflichtprozess außerordentlich schwer herzustellen ist. Der Kläger ist in der Regel durch Krankheit, Schmerzen und deren einschneidende private und berufliche Konsequenzen benachteiligt, er trägt nicht nur sein Schicksal sondern auch die finanziellen Folgen und die Beweislast und er steht einer Gegenseite gegenüber, die ihm an Fachkenntnis weit überlegen ist und zudem das wichtigste Beweismittel in den Händen hält: die Patientenakte."

Und genau da müsse eine Strafverfolgungsbehörde doch ansetzen. Und Ideen entwickeln, wie man einen begründeten Manipulationsverdacht aufklären kann.

Außerdem: Die von der gegnerischen Anwältin vorgebrachten Behauptungen, auf die sich die Einstellungsverfügung ebenfalls gründet, hätten den Zweck gehabt, ihr, Lisa HASE, einen Betrugsversuch zu unterstellen. Und dies hätte man doch objektiverweise bemerken müssen. Und im Übrigen müsse ein Staatsanwalt doch wohl unterscheiden können, wenn er aus Schriftsätzen der beklagten Partei oder Beweisbeschlüssen eines Gerichts zitiert, ob dort unbewiesene Behauptungen  oder erwiesene Tatsachen stehen. Sei da nicht etwas mehr Präzision bei den Ermittlungen angebracht?

Abgelehnt!

Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft in Braunschweig

Lisa HASE verbleibt nur noch die Möglichkeit einer Beschwerde auf der nächsthöheren Ebene. Da geht es fix: Nach nur 8 (!) Arbeitstagen kommt die Antwort:

"Mögliche Manipulationen Ihrer Patientenakten sind jedenfalls nicht mit der für eine Anklageerhebung
erforderlichen Sicherheit erweislich. Deshalb muss es bei der Verfahrenseinstellung verbleiben."

Punkt. Ende.

Das Ende

Dass Behörden schnell arbeiten, ist - bekanntermaßen - eher eine Seltenheit denn Standard. Andererseits: Will man Dinge schnell vom Tisch haben, empfiehlt sich genau eine solche Strategie: Nix wie weg damit.

Lisa HASE's Versuch, die für sie offensichtliche Manipulation auf diesem Weg zeitnah klären zu lassen, ist damit gescheitert. Die Strafverfolgungsbehörde hat es sich ziemlich einfach gemacht, wir hatten dies weiter oben skizziert.

Aber auch vor Gericht kommt sie nicht weiter. Dort sind die Göttinger Landrichter gerade dabei, einen neuen Gutachter zu beauftragen, den dritten, dem in einem Hinweis- und Beweisbeschluss verschiedene Fragen vorgegeben werden, die er gutachterlich beantworten soll. Die Fragen stützen sich auf die vorgelegten Patientendokumentationen, u.a. jene von Zahnarzt Nr. 12. 

Allerdings: Ob die dort notierten Informationen die originalen sind oder nachträglich im Sinne des § 267 StGB "verändert" wurden, prüfen die Richter nicht. Bis heute - Stand März 2023 - haben sie darüber noch keinen Beweis erhoben. Welche Folgen dies für Lisa HASE hat, haben wir detailliert beschrieben im Teil III der chronologischen Rekonstruktion: Die Göttinger Landrichter und ihr Gutachter. Oder: Wie man mit (überflüssigen) Gutachten die Beweisführung eines Klägers für immer unmöglich macht.

"ansTageslicht.de": unsere Rekonstruktionsarbeiten im Jahr 2022

Einen komplizierten Fall zu rekonstruieren und darzustellen, ist nicht jedermanns oder jeden Mediums Sache. Wir haben uns darauf spezialisiert, und in diesem Fall die zahnmedizinische und juristische Leidensgeschichte von Lisa HASE hier in 11 Kapiteln dokumentiert.

1. Runde:

In diesem Zusammenhang stellen wir der Generalstaatsanwaltschaft in Braunschweig im Dezember 2022 erste Fragen. Wir wollen wissen, wie sie mit Beschwerden umgeht, wie und was sie prüft. Beispielsweise konkret, ob sie auch die inhaltliche Begründungen der untergeordneten Staatsanwaltschaften checkt.

Antwort: "Dabei wird die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, einschließlich ihrer inhaltlichen Begründung, daraufhin überprüft, ob in formeller und materieller Hinsicht die sachlich richtige Entscheidung getroffen und ausreichend begründet wurde."

Wir fragen aber auch, ob sie dabei die Rechtsprechung auswertet und/oder auch einen Blick in die einschlägigen Kommentare zum StGB und zur StPO wirft.

Die Antwort kommt fix: "Im Rahmen der formellen und materiell-rechtlichen Prüfung des konkreten Falles werden regelmäßig sowohl Literatur, insbesondere einschlägige Kommentare zum StGB und zur StPO, als auch die aktuelle Rechtsprechung ausgewertet, um die Entscheidung der Staatsanwaltschaft zu überprüfen und auf die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung und Rechtsprechung hinzuwirken."

2. Runde:

Das liest sich gut und deswegen legen wir der GStA Braunschweig kurzerhand Lisa HASE's Fall vor - mit allen notwendigen Dokumenten. Und äußern die Bitte, "uns nicht mit (sonst üblichen) juristischen Plattitüden zu kommen wie etwa dergestalt, dass Sie darüber keine Auskunft geben dürften und dergleichen."

Die GStA macht genau das: Mit Blick auf das "Persönlichkeitsrechts und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung", z.B. des beschuldigten Zahnarztes Nr. 12, sehe sie "weder Anlass noch Möglichkeit, im Rahmen einer Presseanfrage zu dem Verfahren weitergehende Auskünfte zu erteilen."

3. Runde:

Damit geben wir uns nicht zufrieden und stellen klar, dass dies "klassische Ausweichantworten" sind. "Mit unseren Fragen und Ihren dazu potenziell gehörigen Antworten würde weder das eine noch das andere verletzt." Denn: "Unsere Fragen bezogen sich auf das Verhalten Ihrer Behörde!"

Reaktion der GStA kurz vor Weihnachten: "Ihre erneute Zuschrift habe ich zur Kenntnis genommen und Ihr Anliegen erneut geprüft, sehe mich dadurch allerdings aufgrund der hierzu vorgenommenen Interessenabwägung im Rahmen einer Presseanfrage im Ergebnis nicht veranlasst, weitergehende Auskünfte zur Sachbehandlung des im Jahre 2011 in strafrechtlicher Hinsicht abgeschlossenen Verfahrens zu erteilen."

4. Runde:

Weil die GStA nun mit einer "Interessensabwägung" argumentiert, wollen wir wissen, welche Interessen sie denn gegeneinander abgewogen hat:

  • unsere gegen die Interessen Dritter (Zahnarzt), um den es gar nicht geht,
  • oder unsere und ihre eigenen, etwa nicht antworten zu wollen?

Antwort: Unsere bisherigen Anfragen "wurden hier abschließend geprüft", auch bezugnehmend auf unsere Nachfragen. Aber: "Weitere Auskünfte können nicht erteilt werden."

Punkt. Ende.

5. Runde:

Wir geben so schnell nicht auf, denn Ausweichstrategien von Pressestellen sind daraufhin ausgelegt, um erstens nicht wirklich antworten zu müssen, und zweitens um Nachfragende zum Aufgeben zu bringen. Wir fragen also, ob die GStA ihre letzte "Antwort auch - irgendwie - begründen" kann, also worin die "abschließende" Prüfung, etwa die der "Interessensabwägung", bestanden habe?

Antwort: Es kommt keine mehr.

6. Runde:

Wir erinnern nochmals an unsere letzte Nachfrage, betonen, dass wir ja verstanden hätten, dass die GStA "unsere Fragen ganz grundsätzlich nicht beantworten möchte", würden aber doch gerne die "abschließende Prüfung" besser verstehen wollen.

Reaktion: keine.

7. und letzte Runde:

Zuguterletzt setzen wir ein letztes Schreiben auf, denn wenn jemand nun gar nicht mehr reagiert, ist weiteres Nachfragen Zeitverschwendung. Wir fassen den ganzen Vorgang nochmals zusammen, machen deutlich, dass man uns angelogen hat, denn hätte man beispielsweise tatsächlich in einem juristischen Kommentar nachgesehen, wäre man auf das Stichwort "Krankenakte" gestoßen. Weil man das aber offensichtlich nicht zugeben wolle, oder könne oder dürfe, würde man mit ausweichenden Plattitüden daherkommen. Standard bei Anfragen von Medien?

Wir betonen: Für uns gilt - neben unserem eigenen Verständnis über Transparenz - das, was Ziffer 1 des Pressekodex vorgibt: "Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse." Und kommen zu dem Ergebnis: "Ganz offensichtlich ist dies nicht der Anspruch oder gar die Philosophie der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig."

Darauf bekommen wir (natürlich) schon gar kein Feedback mehr. Den gesamten Schriftwechsel im Rahmen unserer Presseanfrage haben wir hier als PDF hinterlegt.

Niedersächsisches Justizministerium

Weil wir zuletzt überhaupt keine Antworten mehr bekommen, wenden wir uns an die zuständige Dienst- und Fachaufsichtsbehörde aller Staatsanwaltschaften: an das Ministerium. Hierzulande agieren Staatsanwälte nicht unabhängig wie beispielsweise in den meisten anderen europäischen Ländern. Staatsanwaltschaften werden zwar dem Bereich der "Justiz", also der "Judikative" zugerechnet, repräsentieren de facto aber die "Exekutive". Und sind deshalb weisungsgebunden, müssen auch regelmäßig bei potenziell relevanten Ermittlungsverfahren 'nach oben' Bericht erstatten.

In der Betreffzeile der Email geben wir bekannt, worum es uns geht: "Wahrheitswidrige Antworten der GStA BS: Standard in Niedersachsen?"

Antwort: Man betrachte unsere "Eingabe als Dienstaufsichtsbeschwerde", wir würden zu gegebener Zeit Antwort erhalten.

Wir schreiben zurück, dass es uns weniger um derlei Maßnahmen geht, sondern dass wir an einer konkreten Antwort interessiert sind, nämlich ob es in Niedersachsen "Standard" wäre, etwa bei der GStA in Braunschweig, Vertreter der Presse "mit wahrheitswidrigen Antworten bewusst in die Irre zu führen"? Und wie es um die "Fehlerkultur im niedersächsischen Justizapparat bestellt ist"?

Neue Antwort: "Eine Bewertung ohne Kenntnis des konkreten Sachverhalts ist nicht möglich."

Wir machen am 20. Februar 2023 eine kleine Zusammenfassung und weisen darauf hin, dass sich der "konkrete Sachverhalt" aus dem Emailverkehr mit der GStA Braunschweig ergibt, und hängen den - so wie hier oben - als PDF mit an. Und bieten weiter an, alle notwendigen Unterlagen nachzureichen. Weil wir aber das Gefühl haben, dass man uns auch hier möglicherweise ebenfalls mit ausweichenden Antworten abspeisen will, erklären wir, dass wir nun doch den von uns initiierten Vorgang als Grund für eine Dienstaufsichtsbeschwerde verstehen wollen. Dann nämlich muss das Ministerium schon aus formalen Gründen eine Bewertung intern machen und uns darüber informieren.

Und so sind wir gespannt, wie es um die Fehlerkultur im niedersächsischen Justizapparat bestellt ist, soweit es die StA Göttingen und die GStA Braunschweig betrifft.

Wie es die Göttinger Landrichter mit Fragen, Hinweisen und Kritik halten, haben wir detailliert in der chronologischen Rekonstruktion in 3 Teilen dokumentiert und nochmals zusammengefasst im Kapitel ABC der (wichtigsten) Richter von Lisa HASE

Wir bleiben dran. Und werden weiter berichten.

(JL)