Nr. 9: Die "Lehrmeinung" der Berufsgenossenschaft zu "Fume Event": "Gerüche"

50.000 Fälle = ca. 100.000 Wählerstimmen, jedes Jahr: 9. Schreiben an die MdB's

Die Asbestindustrie und die Tabakkonzerne haben es – aus ihrer Sicht erfolgreich – vorgemacht: Wie man mit eigener Forschung in eigenen Institutionen andere Erkenntnisse produzieren und damit Zweifel säen, sprich Verunsicherung schaffen kann: bei den Menschen, teilweise bei den Medien und vor allem auch in der Politik: Asbest ist nicht gefährlich, wenn man damit richtig hantiert, und Passivrauchen schadet nicht.

Heute wissen wir es anders, aber bei Asbest hat es Jahrzehnte gedauert, bei Pentachlorphenol (PCP/Dioxin) ging es schneller (nur 3 Jahrzehnte), bis die „Politik da oben“ reagieren musste – der öffentliche Druck war zu groß geworden und unzählige Menschen haben das mit ihrer Gesundheit und vorzeitigem Tod bezahlt.

Das Problem der kontaminierten Kabinenluft durch „Fume Events“, die treffender „Cabin Air Contamination Event“ heißen sollten (Prof. Dr.-Ing. Dieter SCHOLZ), ist seit Ende der 50er Jahre bekannt: seit 60 Jahren. Getan hat sich bisher nichts.

Bei Asbest und Passivrauchen konnte sich die Industrie auf wirkungsvolle Unterstützung verlassen: durch die Arbeitsmedizin. Deren ‚Kopf‘, Prof. Dr. med. Helmut VALENTIN aus Erlangen war beispielsweise Chef eines geheimen Asbestgremiums, das sich „Unabhängiger Wissenschaftlicher Beirat“ nannte. Die „Erlanger Schule“ hat großen Einfluss: In vielen medizinischen Fakultäten sitzen deren Schüler bzw. Vertreter: Prof. DREXLER in Erlangen (vgl. Email Nr. 4), Prof. LETZEL in Mainz (Nr. 5), Prof. TRIEBIG in Heidelberg (Nr. 6, 7).

Die Berufsgenossenschaften und die Sozialgerichte stützen sich gerne auf Vertreter der „Erlanger Schule“, sie wissen, was sie bekommen: Zusammenhänge zwischen einem Vorfall und unmittelbar danach auftretenden Gesundheitsschäden sind „nicht hinreichend wahrscheinlich“. So hieß es z.B. auch bei Asbest.

Um diese „nicht hinreichende Wahrscheinlichkeit“ zu untermauern, lässt die Berufsgenossenschaft Verkehr (BGV), aber auch die Lufthansa Messungen in Flugzeugen durchführen. Wie wir in Nr. 8 unter „underreporting“ dokumentiert haben, ist eine Stichprobe von bis zu 100 Testflügen viel zu gering, um ein Ereignis einzufangen, das mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von 1:2.000 auftritt. Die BGV stört das nicht und beharrt auf ihrer „Lehrmeinung“: Fume Events seien vor allem „Geruchsereignisse“. Das rapportiert sie sogar auf einem Verkehrspilotentag.

Und die Messergebnisse bei derlei Testflügen (kein ernstzunehmendes Fume Event) würden belegen, dass vorhandene Schadstoffe in viel zu geringen Konzentrationen vorkämen, die alle nicht schädlich sein könnten. Die Grenzwerte würden alle eingehalten, so die Erkenntnisse der eigenen Forschung der BGV.

Grenzwerte für bestimmte Substanzen, beispielsweise für das Tricresylphosphat (TCP) in den Turbinenölen gibt es gar nicht, weil die Chemikalie hoch toxisch ist. Grenzwerte sind außerdem politischer Natur, wie wir von Asbest wissen: früher 2 Mill. Fasern pro m3 Luft, heute 15.000 Fasern - entspricht einem einhundertdreiunddreißigstel.

Davon abgesehen: Nach den Regeln der American Conference of Governmental Industrial Hygienists (ACGIH) sind in einer sogenannten Druckkabine ab einer Höhe von 5.000 Fuß (entspricht 1.500 Metern) überhaupt keine Grenzwerte anwendbar – der menschliche Organismus reagiert hier ganz anders als auf dem Boden (mehr unter www.anstageslicht.de/ueberdenWolken).

Originalton des Bundesarbeitsministeriums zum Thema „eigene Forschung“: Die Unfallversicherung trage dazu bei, "den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären“, so zu lesen in der BT-Drucksache 19/4093 (S. 4). Können Sie da eine Art Muster oder gar Widersprüche erkennen?

Diesen Text können Sie auch online aufrufen unter www.anstageslicht.de/Gerueche und hier als PDF auf 1 DIN A 4-Seite . Ausführlich unter www.anstageslicht.de/Lehrmeinung. Die ganze Serie findet sich unter www.anstageslicht.de/MdB.

Online am: 01.08.2021
Aktualisiert am: 19.09.2021


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Nr. 9: Die "Lehrmeinung" der Berufsgenossenschaft zu "Fume Event": "Gerüche"


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