Nr. 13: Arbeitsschutz, der dem "Sozialgeheimnis" unterliegt

50.000 Menschen, jedes Jahr: 13. Schreiben an die MdB’s - vier Wochen vor der Bundestagswahl 2021

Aufgabe der Unfallversicherung“ ist es, „mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten.“ So steht es im Gesetz (§ 1 SGB VII). Nützt allerdings wenig, so lange es nicht umgesetzt wird.

Betroffene, die durch Arbeitsunfälle oder ‚auf Arbeit‘ krank und/oder berufsunfähig geworden sind, wissen das – als Opfer des Nicht-Handelns. Die „Politik da oben“ schert es ganz offenbar wenig, jedenfalls ist das die Erfahrung, die Betroffene machen. Und deshalb den „Glauben an den Rechtsstaat verloren“ haben. Und dann ganz oft in Verschwörungstheorien versinken oder zu Querdenker-Bewegungen u.ä. abdriften.  

Die Europäische Flugsicherheitsbehörde EASA hat z.B. seit Jahren vorgegeben, dass Flugzeuge mit Sensoren ausgestattet sein müssen (CS 25.1309), weil sich in der Kabinenluft eines Flugzeugs keine „schädlichen Substanzen“ befinden dürfen (CS 25.831: „free from harmful or hazardous concentrations of gases or vapours“). Kein Flugzeug hat solche Sensoren. Kümmert das jemanden? Das Luftfahrt-Bundesamt etwa? Die Sozialgerichte? Oder die Abgeordneten des Deutschen Bundestags als „Gesetzgeber“?

Nicht viel anders im Kfz-Werkstattgewerbe, das rd. 300.000 Beschäftigte in 37.000 Werkstätten betrifft. Es gibt unzählige Vorschriften zum Thema „Arbeitsschutz“, die Regulierungsdichte ist hierzulande hoch. Vieles ist sinnvoll gemeint. Aber konkrete Vorgaben werden oft durch Vereinfachungsmaßnahmen verwässert und bieten dann Exit-Optionen.

Beispiel § 6 der „Gefahrstoffverordnung“: Darin ist eine „Gefährdungsbeurteilung“ vorgeschrieben beim Umgang mit „gefährlichen Stoffen“ und unter Berücksichtigung von „physikalisch-chemischen Wirkungen“. Wasser oder sogar nur Feuchte gepaart mit Aluminiumstaub ergibt ein hochexplosives Wasserstoffgas-Gemisch. Ein Funke durchs Schweißen und es kracht. Oder allein das Schweißen: Da bilden sich krebserregende Gase und Nano-Partikel – ähnlich wie bei den Diesel-Emissionen. Anderer Gefahrstoff: Benzol. Eine Kfz-Werkstatt ist ein potenzieller Arbeitsunfall-Ort.

Deshalb sind „Messungen“ vorgeschrieben. Die aber durch „andere geeignete Methoden“ ersetzbar sind.

In der Praxis funktioniert das jetzt so: Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat dazu ein „Einfaches Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe“ ausgedacht, kurz EMKG. Da heißt es, dass man auf „Messungen von vergleichbaren Arbeitsplätzen“ zurückgreifen könne. Und die Unfallversicherungsträger böten dafür „Hilfestellungen“.

Der Dachverband der Berufsgenossenschaften, DGUV e.V., bietet „Hilfestellung“: mit der „EGU“ („Empfehlungen Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger“). Beispiel  Benzol. Die BGHM hat „vergleichbare Arbeitsplätze“ gemessen: in 17 Betrieben. Von insgesamt rd. 37.000. Ihr Rezept: Nach Prüfung der Übertragbarkeit auf seine betriebliche Situation kann der Arbeitgeber diese Ergebnisse übernehmen und so auf eine individuelle messtechnische Ermittlung verzichten.“

Wir haben nachgefragt: Wie wurden diese Betriebe ausgewählt? Welche Einflussfaktoren dabei berücksichtigt? Typische Betriebe? Kleine und/oder große? Repräsentativ? Antwort: keine. Begründung: „Es handelt sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die … dem Sozialgeheimnis gleichstehen.“ 

Halten Sie 17 Betriebe für repräsentativ? Das Vorgehen und die Antwort für hilfreich? Verstehen Sie als „Gesetzgeber“ darunter das, was Sie selbst im Gesetz „mit allen geeigneten Mitteln“ gemeint haben?

Folgen des Nichthandelns haben wir mehrfach dokumentiert: Nr. 2: TUIfly-Pilot, der nicht mehr fliegen kannNr. 3 (Arbeitsunfall bei VW) oder Nr. 4 (Harnblasenkrebs).

Diesen Text auf 1 Seite können Sie auch online aufrufen unter www.ansTageslicht.de/Praevention. Und hier auf 1 DIN A 4-Seite als PDF. Ausführlicher: www.anstageslicht.de/Arbeitsschutz. Die ganze Serie: www.anstageslicht.de/MdB.

(JL)

Online am: 23.08.2021
Aktualisiert am: 19.09.2021


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Nr. 13: Arbeitsschutz, der dem "Sozialgeheimnis" unterliegt


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