Was kann man tun, wenn man - eigentlich - nichts tun kann?

Vorbemerkung:

Statt von "Zuschauern und Zuschauerinnen" und/oder "Zuhörer und Zuhörerinnen ständig zu reden bzw. zu schreiben und Texte unnötigerweise zu verlängern, werden wir in diesem Kapitel nicht "gendern". Deswegen sind mit den Begriffen wie "Richter" oder (der oder die) "Beklagte" bei uns alle gemeint: männliche, weibliche, aber auch diverse. Letztere fallen beim "gendern" sowieso heraus. Deswegen sprechen wir dieser neuen modische Welle der politischen "correctness" ohnehin nicht allzu viel Bedeutung zu.

Wenn wir in einigen Texten dann doch von beispielsweise "Richter:innen" schreiben, dann hat dies eine konkrete Bedeutung, weil wir damit zum Ausdruck bringen wollen, dass es in einem solchen Fall nicht nur um männliche Vertreter einer Berufsgattung geht, sondern eben auch um weibliche, was vormals eher männlichen Gattungsvertretern vorbehalten war. Aber die Zeiten haben sich glücklicherweise geändert, und wir hoffen, dass es bei diesen Korrekturen allein nicht bleibt. 

Diesen Text können Sie direkt aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/WKMTvorGericht, die dazu gehörige Geschichte mit allen Kapiteln unter www.ansTageslicht.de/LandgerichtGoettingen.


Das grundsätzliche Problem

Weil der Satz "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand" ganz offenbar Erfahrungen vieler Menschen widerspiegelt, bedeutet dies, dass man selbst wenig bis ganz wenig tun kann, um Fairness, sprich Recht & Gesetz einzufordern. Für einen Rechtsstaat ein absolutes Armutszeugnis, wie wir bereits an anderer Stelle betont haben.

Trotzdem gibt es einige Dinge, auf die man achten sollte. Und die man dann doch tun kann. Auch wenn die Erfahrung lehrt, dass das keine Erfolgsgarantie ist. Aber man sollte es deswegen tun, um wenigstens nichts ausgelassen zu haben, was man eben doch tun konnte.

Die richterliche Justiz agiert in einem abgehobenen 'Raumschiff', das sich - weitestgehend - einer

  • fachlichen und
  • dienstaufsichtsrechtlichen

Kontrolle entzieht, jedenfalls in jener Instanz, in der man sich gerade befindet. Eine inhaltliche Kontrolle findet erst in der nächsten Instanz statt - sofern man es bis dahin psychisch, physisch und finanziell schafft. Wenn Betroffene mehrere Jahre oder gar eine ganze Dekade nicht weiterkommen, oder wie im Fall von Lisa HASE (www.ansTageslicht.de/LandgerichtGoettingen) fast zwei ganze Jahrzehnte in der ersten Instanz durchhalten müssen und ein Ende nicht in Sicht ist, bei denen wird verständlich, wenn solche Menschen den Glauben an den "Rechtsstaat" in dieser Zeit verlieren.

Hängt man in einer Instanz fest, dann funktioniert praktisch keinerlei Kontrolle. Denn es ist gängige Rechtsmeinung derer, die diese Meinung selbst vorgeben können, dass "weder Verfahrensverstöße noch sonstige Rechtsfehler eines Richters für sich betrachtet ein Ablehnungsgrund" darstellen, etwa um einen Richter wegen der "Besorgnis" der Befangenheit ablehnen zu können. So hat es der Präsident des OLG Braunschweig Lisa HASE mitgeteilt, und es ist nicht seine Privatmeinung, sondern "herrschende Meinung" in der Justiz.

Was wir damit kommunizieren wollen: Man sollte sich auf eine solche Situation vor Gericht einstellen. Einmal für den eigenen konkreten Fall. Zum anderen politisch darauf hinwirken, dass sich daran etwas ändert.

Dass es eine "Richterdisziplinaraufsicht" gibt, nützt nichts, denn weil die "Unabhängigkeit" von Richtern in der Verfassung kodifiziert ist (was in einem demokratischen Rechtsstaat unerlässlich ist), wird davon so gut wie nie Gebrauch gemacht. Niemand wagt sich an Richter ran: die Kollegen sowieso nicht und auch nicht die politisch Verantwortlichen. Die freie Presse, die sogenannte Vierte Gewalt, ist die einzige Institution, die so etwas macht und Richter zu kritisieren pflegt.

Zum Stichwort 'Befangenheit' mehr weiter unten.

Hier jetzt Hinweise und Tipps, die wir - in Zusammenarbeit mit Juristen und 'Betroffenen als Experten' - selbst gelernt haben und die wir kommunizieren wollen.

Tipp Nr. 1: Auswahl des Rechtsanwalts

Grundsätzlich gilt: In der Wirtschaft, also da, wo es auf Qualität und Effizienz ankommt, kommen - wenn es keine internen 'Bremsen' gibt - nur Fachleute voran und nur mit ausgewiesenen Experten kann man Innovation, Fortschritt und Produktivität nach vorne bringen. Schon deswegen, weil in den meisten Branchen Wettbewerb herrscht. Und der Erfahrungssatz "Konkurrenz belebt das Geschäft" stimmt eben auch im übertragenen Sinne: Nur wer sich solchen Herausforderungen stellt und bereit ist, sich sachlicher Kritik zu stellen, kann auf Dauer Qualität sicher stellen.

Anders gesagt: Wer technisch und/oder qualitätsmäßig nicht mithalten kann, bleibt auf der Strecke. Für die Kunden kein Problem, sie halten sich an den, der einfach besser ist.

Allerdings: Das gilt natürlich nicht immer, denn Vettern- oder Günstlingswirtschaft oder gar Korruption  wirken unausweichlich als Qualitätsbremse. 'Qualitätswettbewerb' wiederum wirkt dagegen.

Wie wir vielfach beobachten, u.a. auch am Landgericht Göttingen, gelten die obigen Überlegungen für die richterliche Justiz nicht flächendeckend. Der "gesetzliche Richter", den der Geschäftsverteilungsplan an den Gerichten vorsieht, muss - egal ob er mit einem Sachgebiet oder einer Problematik vertraut ist oder nicht - im Prinzip entscheiden und kann es allenfalls so einrichten, dass er eine gründlich ausgewogene Entscheidung der nächsten Instanz überlässt, aus welchen Gründen auch immer (fehlende Sachkenntnis, Bequemlichkeit o.a.).

Nur in ganz wenigen Bereichen gibt die Exekutive oder der Gesetzgeber vor, dass sich Richter zu Fortbildungsmaßnahmen verpflichten müssen und in noch weniger Fällen müssen Richter über spezielles Know-how verfügen, um bestimmte Gerichtsbarkeiten ausüben zu dürfen. Beispielsweise an Familiengerichten, wo Richter über das "Wohl" von Kindern entscheiden sollen bzw. dürfen. Da hat der Gesetzgeber inzwischen erkannt, dass die 'Entscheider' ein gewisses Grund-Know-how haben müssen, etwa in psychologischer Hinsicht, um adäquat über das Leben und deren Befindlichkeiten von jungen Menschen (be)urteilen zu können.

Auch an Verwaltungsgerichten kann man davon ausgehen, dass dortige Richter sich bereits während ihres Studiums mit dieser speziellen Thematik vertraut gemacht haben und sich darin auskennen. Es ist dies ein Grund, weshalb Verwaltungsgerichte ganz überwiegend im Sinne der klagenden Bürger entscheiden, wenn die sich gegen die Übermacht des Staates und seines Behördenapparats zur Wehr setzen müssen oder Fairness, sprich das Einhalten von Recht und Gesetz einfordern.

Vor Zivilgerichten ist das meist anders. Am Landgericht Göttingen sitzen die 'Entscheider' mal in einer Kammer, die über handelsrechtliche Fragen oder über Bausachen (siehe Richterin SCHNEIDEWIND) entscheiden darf, mal über Bankenrecht (z.B. Richter WIEMERSLAGE) oder eben - zwischendrin mal sozusagen - auch Medizinhaftungsfragen.

Genau hier setzt der erste Hinweis an: Sie sollten einen ausgewiesenen Anwalt zu Rate ziehen, der sich wirklich auskennt. In der Regel ist dies nicht jener Rechtsanwalt, den Sie möglicherweise schon einmal mit einer unvollständigen Nebenkostenabrechnung Ihres Vermieters beauftragt haben oder der Sie in einer Autounfallsache beraten oder vertreten hat. Sie brauchen in schwierigen und komplizierten Fällen jemanden, der sich

  • in dem fraglichen Rechtsgebiet bis ins letzte Detail auskennt,
  • der das schon lange macht und
  • der im Zweifel auch - altersgemäß - mehr Erfahrung und Arbeitsstunden auf dem Buckel hat als verbeamtete Richter.

Konkret geht es darum, dass jemand Sie vor dem Gerichtsapparat vertritt, der mit seinem Know-how über alle gängigen Urteile etwa höherer Instanzen, Fachaufsätze und/oder die aktuellen Diskussionen über bestimmte Rechtsfragen, wie sie beispielsweise auf Fachtagungen etc. behandelt werden, die Richter auf die richtige Spur zu bringen versucht: durch detaillierteres Wissen über den aktuellen Stand der Dinge.

Die Frage ist: Wie kann man so jemanden finden?

Rechtsanwaltskammern, bei denen alle RAe registriert sein müssen, führen Listen über Anwälte und deren bevorzugten Rechtsmaterien. Aber es ist ein Unterschied, ob ein Anwalt dort sein bevorzugtes Interessensgebiet eintragen lässt oder ob er tatsächlich auch als "Fachanwalt" geführt wird. "Fachanwälte" müssen a) eine spezielle Prüfung ablegen, b) sich regelmäßig in dem fraglichen Rechtsgebiet weiter fortbilden und sie müssen c) nachweislich eine Minimumanzahl an Prozessen auf diesem Gebiet für ihre Mandanten geführt haben.

Aber hier gibt es bereits einen ersten Haken: Ein Anwalt, der für seinen Klienten in der Sache erfolgreich ist, kann möglicherweise bereits im Vorfeld ein geplantes Verfahren umgehen, wenn es ihm gelingt, mit Argumenten und Überzeugungskraft im Sinne seines Mandanten das gewünschte Ergebnis zu bewirken, ohne dass die Sache vor Gericht entschieden werden muss. Ein solcher Anwalt bekommt u.U. nicht die formal geforderte Anzahl von Verfahren zusammen. Deswegen kann ein offiziell nicht als "Fachanwalt" gekrönter Rechtsanwalt durchaus ein fachlich ausgesprochen versierter Anwalt sein, ohne dass er sich so nennen darf. Das sollte man wissen.

Was Sie in diesem Zusammenhang machen können und dürfen: Sich erkundigen, etwa bei der Anwaltskammer oder anderen Institutionen. Sie können einen in Aussicht genommenen Rechtsanwalt anrufen und ihn fragen,

  • wie viele Fälle er bereits vertreten hat, vor Gericht und außergerichtlich
  • wie viele davon im Sinne seiner Mandanten ausgegangen sind
  • ob er Urteile erstritten hat, die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung in einer Fachzeitschrift oder online veröffentlicht worden sind und/oder
  • ob er zu dem von Ihnen gesuchten Rechtsgebiet möglicherweise sogar publizistisch in einer der vielen juristischen Zeitschriften aktiv ist.

Das alles macht natürlich Arbeit, aber es ist effektiv investierte Zeit, denn wenn sie einen passenden und engagierten Juristen gefunden haben, steigen Ihre Erfolgschancen vor Gericht.

Aufpassen sollten Sie, wenn Sie Patientenorganisationen um Rat fragen. Wir haben schon von Fällen gehört, in denen solche Institutionen nur deshalb Empfehlungen gegeben haben, weil der fragliche Anwalt einmal im Jahr 500 Euro als kleine Spende abdrückt. Hinterher stellte er sich als absolute Niete heraus. Deswegen unsere hier oben genannten Fragen bzw. Kriterien, anhand derer Sie sich zumindest einen Eindruck über die gewünschte Expertise machen können.

Und auch das sollten Sie bedenken: Manche Anwälte machen Reklame damit, dass sie soundsoviele Ärzte oder Kliniken bereits verklagt haben. Das ist kein brauchbares Indiz für fachliche Qualität. Es kommt darauf an, wieviele Verfahren sie in Arzthaftungssachen bereits gewonnen haben! Daran sollten Sie sich orientieren.

Natürlich ist auch das alles keine Erfolgsgarantie. Richter können es sich leisten, Urteile höherer Instanzen nicht zur Kenntnis zu nehmen - z.B. mit dem Hinweis darauf, dass der höherinstanzliche Fall mit ihrem, dem aktuellen, nicht vergleichbar ist. Richter müssen nur dann die auf einer höheren Ebene gefällte Rechtsprechung übernehmen, wenn es den von ihnen entschiedenen Fall betrifft, der aber von der oberen Instanz anders gesehen und deshalb an das untere Gericht zurück überwiesen wird.

Ob das so auch am Landgericht Göttingen im Fall von Lisa HASE geschehen wird, wissen wir nicht, weil der Fall seit fast zwei Jahrzehnten immer noch in der ersten Instanz schmort. Und die vielen damit befassten Richter - wie wir im ABC der (wichtigsten) Richter von Lisa HASE zeigen - dieses Verfahren nach allen Regeln der Kunst verschleppen. Unter anderem, weil sie sich nicht an das halten, was der Gesetzgeber eigentlich klipp und klar in Fällen vorgegeben hat, wenn Tatsachen "streitig" sind: Dass ein Richter nach § 404a Abs. 3 ZPO einem Gutachter die (bewiesenen und deshalb unstrittigen) "Anschlusstatsachen" benennen muss, die er zu bewerten hat. Und dass der Richter dazu - vorher - Beweis erheben muss.

Die Göttinger Richter belieben es umgekehrt zu machen. Offenbar deswegen, weil dann alles länger dauert und ihre Hoffnung steigt, dass der Klägerin physisch, psychisch und finanziell die Luft ausgeht. Die erste Strategie, ihre Verfahren mittels der Überprüfung ihrer "Prozessfähigkeit" beenden zu können, hat ja nicht geklappt (Details unter Versuch der Psychiatrisierung durch die Richter am Göttinger Landgericht).

Läuft es also schief, was weder Sie noch Ihr Anwalt zu vertreten haben, haben Sie wenigstens ein weiteres gewichtiges Argument, in die nächsthöhere Instanz zu gehen und/oder im Einzelfall Journalisten anzusprechen, um sie im Zusammenhang mit Ihrem konkreten Fall darauf hinzuweisen, weshalb der Erfahrungssatz "Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand" leider zutreffend ist: manchmal nur wegen eines Nicht-zur-Kenntnis-Nehmens von Recht und Gesetz durch das Gericht.

Hier ein zweiter Hinweis: Ihr Anwalt sollte sich nicht nur in der fraglichen Materie bestens auskennen, er muss auch 'tough' sein. Konkret: Er sollte bereit sein, sich im Gerichtssaal nicht alles gefallen zu lassen und im Zweifel auch klare Worte gegenüber den Richtern zu äußern. Sie beispielsweise regelmäßig danach zu fragen,

  • wie sie bestimmte Sachverhalte sehen,
  • ob ihnen die dazu vorgelegten Beweise ausreichen
  • bzw. was gegebenfalls noch nachgereicht werden müsste.

Dieses Recht ist in § 139 der ZPO geregelt. Der regelmäßige Hinweis darauf bzw. regelmäßiges Nachfragen signalisiert einem Richter, dass ein Anwalt weiß, welche Rechte er für seinen Mandanten hat und dass er im Zweifel darauf auch bestehen würde. Spätestens in der nächsten Instanz.

Publikum auf den Zuschauer-/Zuhörerbänken

Hilfreich - und dies ist der dritte Tipp - ist es, wenn Sie zu Ihren Gerichtsterminen Publikum mitbringen. Möglichst viel. Egal, ob das Verwandte oder Freunde sind oder sonstwer ist.

Wenn Zuschauer/Zuhörer im Gerichtssaal sitzen, wissen die Richter, dass sie nicht im Schatten des allgemeinen Desinteresses agieren (können). Denn auch dies ist einer der Gründe, weshalb sich Richter so unangreifbar geben, weil sie abseits der Öffentlichkeit arbeiten (können). Und ihnen niemand auf die Finger schaut.

Solche Zuschauer/Zuhörer sind im Zweifel Zeugen, wenn Streit darüber entsteht, was im Gerichtssaal gesagt wurde und was nicht. Denn auch dies zementiert die ungebrochene Macht der Judikative, dass es die Richter sind, die vorgeben, was ins amtliche Protokoll kommt, und was nicht. Und das kann später, wenn es um die Urteilsfindung geht, entscheidend sein. Denn was gerichtlich nicht dokumentiert ist, hat auch nicht stattgefunden. 

Deshalb, Tipp Nr. 4, sollten einige der von Ihnen mitgebrachten zuhörenden Zeugen, selbst mitschreiben, wer was wann (Uhrzeiten dazu notieren!) sagt oder behauptet, wenn es von Bedeutung ist. Wenn das nicht funktioniert, etwa weil ein Richter dies untersagt, dann ist es hilfreich, wenn mehrere nach einer Sitzung ein Gedächtnisprotokoll anfertigen. Mit Angabe, von wann bis wann der Gerichtstermin stattgefunden hat und um welche Uhrzeit das Gedächtnisprotokoll angefertigt wurde.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist Mitschreiben - eigentlich - kein Ausschlussgrund. Ein Richter darf allenfalls verhindern, dass potenzielle Zeugen, die erst später gehört werden, sich darüber informieren, was andere zu dem gesagt haben, wozu sie dann selbst befragt werden können.

In manchen Ländern werden Gerichtstermine wörtlich protokolliert, in anderen wiederum sind sogar Videoaufnahmen möglich. Die deutsche "Rechtspflege" hinkt all dem hinterher, ist noch lange nicht so weit - obwohl solche Forderungen auf dem Tisch liegen, und kein geringerer als der frühere Vorsitzende des 2. Strafsenats am Bundesgerichtshof, Thomas FISCHER, vertritt die Meinung, dass Aufzeichnungen im Gerichtssaal geeignet sind, "Willkürgefahren zu mindern".

Den Tipp, sicherheitshalber heimlich via Handy alles mitzuschneiden, und zwar so, dass es niemand merkt, dürfen wir (natürlich) nicht geben. Gespräche mitzuschneiden oder Tonaufnahmmen im Gerichtssaal sind verboten und wir würden uns selbst strafbar machen, wenn wir das empfehlen würden. Davon abgesehen, solche Aufnahmen sind schon deshalb amtlich nicht verwertbar, weil sie "unbefugterweise" zustande gekommen sind. Sie könnten allenfalls einem unbeteiligten Dritten, z.B. einem Journalisten, als Beleg für das dienen, was gesagt wurde bzw. was eben nicht, oder wie eine Sitzung abgelaufen ist. Aber wie gesagt: Mehrere gesetzliche Vorschriften schließen dies aus, die wir - weil verboten - hier auch gar nicht aufführen müssen.

Vorbereitungen für den eigenen Anwalt

Die meisten Fälle, die vor Gericht über längere Zeiträume verhandelt werden, sind kompliziert. Arzthaftungsfragen sind das immer. Da geht es um Fragen, ob die medizinischen Dokumentationen vollständig und/oder ausreichend sind, es geht um Bewertungsfragen, zu denen Gutachter eingeschaltet werden müssen, weil Richter kaum über medizinisches Wissen zu über 10.000 Krankheitsbildern verfügen (können), und schon gar keine Expertise haben, über die ein ausgewiesener Medizinmann verfügt. Es geht über einzelne Behandlungsabläufe, erkennbare Symptome oder Diagnosen im zeitlichen Ablauf: Was hängt -  möglicherweise - mit was wie zusammen, u.a.m.

Zum Thema "Gutachten" und "gerichtliche Sachverständige" (Gutachter) geben wir an anderer Stelle Hinweise und Tipps: www.ansTageslicht.de/WKMT-Gutachter (NOCH NICHT ONLINE). Denn nur um ein Beispiel zu nennen: Inzwischen ist auch den Richtern in höchster Instanz aufgefallen, "dass manche Sachverständige Behandlungsfehler nur zurückhaltend ansprechen" (BGH VI ZR 261/08, Beschluss v. 9.6.2009). Gemeint offenbar: Auch die Richter am BGH erkennen das Problem, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt. Folge bzw. Forderung der obersten Richter:

  • Da müssen ihre Kollegen in den unteren Instanzen solche Gutachten "kritisch hinterfragen",
  • "gegebenenfalls sogar ein anderes Gutachten einholen"
  • und der Tatrichter in der 1. Instanz muss "allen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen ... nachgehen", und zwar "von Amts wegen." 
  • Bedeutet eben auch, dass ein Richter auf "Einwendungen einer Partei gegen das Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen" einzugehen hat, selbst wenn die (nur) in einem "Privatgutachten" vorgebracht werden.

Unterstützung bzw. Zuarbeit für den eigenen Anwalt

Alles in allem: All das ist viel Arbeit. Und Anwälte sind in der Regel mehr als ausgelastet, insbesondere, wenn sie (sehr) gut sind, und deshalb haben sie nur begrenzte Kapazitäten, sich in jeden einzelnen Fall hineinzuarbeiten.

Genau hier setzt unser Tipp Nr. 5 an. Jeder kennt seinen Fall, was die Ereignisse und Geschehnisse anbelangt, am besten. Dieses Know-how gilt es zu nutzen und damit den Anwalt zu entlasten, damit der sich auf die rechtliche Materie konzentrieren kann. Das ist aufwendig genug.

Konkret empfehlen wir, den eigenen Fall, den Ablauf, also alle Ereignisse und Vorgänge

  • nüchtern und sachlich, also nur auf die konkreten Fakten bezogen
  • zeitlich im korrekten Ablauf
  • unter jeweiliger Angabe, wie man die skizzierten Vorkommnisse belegen kann

in einer Art chronologischer Tabelle aufzuschreiben. Beim Lesen wird dann jeder nachvollziehen können, was wann passiert ist und wie es sich beweisen lässt.

Wir haben ein solches 'Formular' entwickelt, mit dem wir selbst arbeiten. Sie können es hier downloaden: Chronologie aller Vorkommnisse. Es handelt sich um ein Word-Dokument, in das Sie alle Eintragungen machen können, und in der dann Ihr Anwalt oder wer auch immer ergänzen und korrigieren kann.

Als Beispiel für eine letztlich sorgfältig ausgearbeitete, aber natürlich inhaltlich und zeitlich aufwendige Zuarbeit für Ihren RA dokumentieren wir hier eine Verzögerungsrüge aus dem Jahr 2023 (zum Hintergrund siehe das Kapitel Fakten ignorieren, Tatsachen erfinden, Verfahren verschleppen: Fehlerkultur und richterliche Unabhängigkeit am Landgericht Göttingen, Teil IV der chronologischen Darstellung), die von Lisa HASE auf 23 Seiten (!) erarbeitet und von ihren Anwält:innen dann in die juristisch-formal korrekte Form übertragen wurde.

"Befangenheit" ? Von Richtern ?

Diese Zwischenüberschrift ist unvollständig, und dies ganz bewusst, weil es überhaupt nicht um die möglicherweise vorhandene oder auch nicht vorhandene "Befangenheit" von Richtern geht, sondern allein um die "Besorgnis" einer der Prozessparteien, dass ein Richter befangen sein könnte - nicht unbedingt und nachgewiesenermaßen sein muss! Auch richterliche Statements wie z.B. "Ich fühle mich nicht befangen" (wie wir das schon öfters gehört und gelesen haben), sind völlig irrelevant. Die Gründe für eine "Besorgnis" müssen für einen vernüftig denkenden Menschen erkennbar bzw. nachvollziehbar sein.

Darauf wollen wir hinweisen. Denn hierin besteht einer der elementarsten und häufigsten Fehler unseres Systems der gängigen "Rechtspflege". Denn "Befangenheitsrecht" wird so gut wie an keiner juristischen Fakultät - etwa als eigenständiges Lehrfach - gelehrt. Deswegen kennen sich auch so gut wie alle Richter damit nicht wirklich aus. Bei den Anwälten ist das oft nicht viel anders.

Rechtstheoretisch wird das so gesehen: Mit dem "gesetzlichen Richter", den das Grundgesetz vorsieht, soll die Unabhängigkeit und die Neutralität eines Richters gegenüber beiden Prozessparteien garantiert werden. Ein befangener Richter agiert nicht als "gesetzlicher Richter" und deswegen reicht die für einen Dritten nachvollziehbare "Besorgnis" der Befangenheit aus. Wie gesagt: theoretisch.

Sollte es allerdings sein, denn die Verweigerung "rechtlichen Gehörs", also das Nichteingehen auf gewichtige Vorbehalte einer der Prozessparteien zu einem Sachverhalt oder einer richterlichen Entscheidung wiegt schwer. Sie ist regelmäßig ein Grund, um zumindet in die nächste Instanz zu gehen. Und eigentlich auch ein Grund für eine Verfassungsbeschwerde, denn die Verweigerung "rechtlichen Gehörs" ist eine Verletzung von Artikel 103, Absatz 1 des Grundgesetzes (GG). Konkret unserer Verfassung. Der Artikel lautet so: "Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör."

Entscheidend: die "Besorgnis", nicht die "Befangenheit"

Dazu gibt es - eigentlich - eine eindeutige Rechtsprechung. Nur: Die nutzt wenig, wenn sich Richter daran nicht halten. Und das scheint der Regelfall zu sein. Jedenfalls dann, wenn die Partei, die objektiv nachvollziehbare Gründe hat, an der Unvorgenommenheit eines Richters zu zweifeln, nicht von vorneherein alles tut, damit ein Ablehnungsantrag nicht einfach vom Tisch gewischt werden kann.

Dazu wollen wir hier einige Hinweise geben. Aber wieder versehen mit dem Hinweis, dass damit nicht gesichert ist, dass ein "Befangenheitsantrag" - so die sprachliche, aber unvollständige Kurzform - funktioniert.

Für das konkrete Vorgehen empfehlen wir dringendst das einzige uns bekannte Buch, das dafür in Frage kommt, verfasst von einem ehemaligen Richter am OLG Köln, der zuletzt als Rechtsanwalt tätig war. Und der aus eigener Erfahrung weiß, wovon er schreibt:

Egon SCHNEIDER: Befangenheitsablehnung im Zivilprozess.

Dieses Buch gibt es inzwischen in der dritten Auflage, aber die konkrete Auflage spielt keine Rolle, weil in jeder die wichtigsten Dinge dargestellt sind. Wenn es der eigene Anwalt nicht hat oder wem es zu teuer ist, kann es sich in einer (Rechts)Bibliothek ausleihen und/oder dort von den wichtigsten Kapiteln Fotokopien ("für private Zwecke") machen.

Egal wie, die wichtigsten Hinweise geben wir jetzt hier an dieser Stelle:

Weil es darauf ankommt, die Begründetheit der "Besorgnis" möglichst unabweisbar zu machen, müssen in einem entsprechenden Antrag genau solche Gründe detailliert vorgebracht, sprich ggfs. auch ausführlich erklärt werden, die eine solche Sorge - für andere nachvollziehbar - begründen (können). Gegebenenfalls können dies auch mehrere, unterschiedliche Gründe sein. Sie müssen geeignet sein, an der "Unvoreingenommenheit" eines Richters zu zweifeln. So hat es z.B. das Berliner Kammergericht zuletzt 2006 formuliert.

Bei einer solchen Begründung sollte man diese Reihenfolge in 4 Schritten bei der Argumentation im Auge behalten:

  1. Gründe (detailliert) benennen,
  2. die potenziell eine "Besorgnis" auslösen darüber können (Konjunktiv!),
  3. nämlich Zweifel daran zu haben, 
  4. dass der Richter nicht unvoreingenommen, konkret: nicht unparteiisch (bzw. parteiisch) sein könnte (Konjunktiv!).

Es kommt also auf 2 Dinge nicht an:

1) zu behaupten, ein Richter sei befangen

2) dass der Richter einen Rechtsfehler begangen habe.

Allein die potenzielle Parteilichkeit / Unvoreingenommenheit / Nicht-Neutralität ist relevant.

Gründe und typische Fallsituationen finden sich in Egon SCHNEIDER's Buch zur Befangenheit im Zivilprozess.

Hier sei nur darauf hingewiesen, dass man - falls ein Verfahren anfängt, schief zu laufen - versuchen kann, den Richter in Widersprüche zu verwickeln.

Z.B. durch hartnäckiges Nachfragen, warum er ein bestimmtes Beweisangebot nicht zur Kenntnis nehmen will, wieso er bestimmte Zeugen nicht hören will, ob er damit das "rechtliche Gehör" verweigern möchte, ob er damit die andere Partei zu begünstigen beabsichtige, usw.

Widersprüche stellen - eigentlich - ebenfalls einen Grund für eine "Besorgnis" dar. Wird der Richter ausfällig, ist spätestens das ein potenzieller Grund für eine "Besorgnis", dass .... (siehe oben).

In einem solchen Fall sind Zeugen im Publikum eine hilfreiche Sache, denn der Richter weiß, dass Abstreiten nicht helfen würde.

Wichtig auch, dass der Anwalt in einem solchen Fall auf einer Unterbrechung der Sitzung bestehen muss! Dann muss er an Ort und Stelle sofort einen solchen Antrag aufsetzen, im Zweifel handschriftlich, und bevor man diesen abgibt, sollte man diesen entweder fotokopieren oder mit dem Handy abfotografieren, damit man den Antrag auch belegen kann. Der Antrag auf Ablehnung wegen Befangenheit muss vor Beendigung der Sitzung schriftlich vorliegen. Und zwar mit - möglichst detaillierter - Begründung, weshalb hier eine "Besorgnis" vorliegt.

Mehrfache Ablehnung von einzelnen Befangenheitsanträgen und/oder -gründen, jetzt im Zusammenhang

Eine beliebte richterliche Strategie: Die vorgebrachten Gründe eines Befangenheitsantrags einzeln zu isolieren und sie dann einzeln als nicht ausreichend abzulehnen. Darauf muss man sich einstellen.

Allerdings verkennt diese Richter-Strategie die höhere Rechtsprechung. Denn die besagt klipp und klar, dass solche Argumente im Zusammenhang gesehen werden müssen. Denn selbst wenn einzelne Gründe für sich allein genommen eine "Besorgnis" der Befangenheit nicht hinreichend begründen sollten (nach Meinung der darüber zu entscheidenden Richter natürlich), können sie im Zusammenhang durchaus Anlass für eine "Besorgnis" sein:

"Die Gesamtwürdigung kann dann ergeben, dass auch prozessleitende Entscheidungen, die für sich betrachtet, dem Gesetz entsprechen, geeignet sein können, das Misstrauen einer Partei in die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen", wie das OLG Nürnberg schon Anfang der 50er Jahre erklärt hatte. Details zu diesem Problem finden sich im Buch Befangenheit von Egon SCHNEIDER unter der Randnummer (Rn) 378 (in allen Auflagen).

Egal wie: Man muss sich darauf einstellen, dass Richter selten ihren Kollegen eine derartige "Watschn", wie man das in Bayern nennen würde, zumuten. Eine Krähe hackt der anderen keine Augen aus, und Egon SCHNEIDER hat diesen Zusammenhang mit einem einzigen Wort auf den Punkt gebracht: Da ist die "Kameraderie" außen vor (Rd 20).

Will - oder kann - man nicht auf die nächsthöhere Instanz setzen, aus Zeit- und/oder Kostengründen, bleibt nur noch der letzte Weg: eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Aber dort hilft selbst Glück nicht mehr, wie wir gleich zeigen:

Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht

Ein solches Unterfangen kann man sich, wenn man nur auf Erfolg setzt, sparen. Im Jahr 2021 lag die Erfolgsquote solcher Beschwerden beim BVerfG bei 1,29%, also 1,3 Prozent. Bzw. gerundet bei 1 (einzigen) Prozent. Die geringste Erfolgsquote seit 24 Jahren. Auf gut deutsch: aussichtslos.

Auch das betrachten wir nicht unbedingt als Indiz für einen voll funktionsfähigen Rechtsstaat. Insbesondere deswegen nicht, weil die vorgeschaltete 'Clearingstelle' keine Begründung geben muss. Wir sehen natürlich das Dilemma, dass rund 5.000 Beschwerden jährlich einen immensen Arbeitsaufwand bedeuten (würden). Aber in einem "Rechtsstaat" geht es um eine fundamentale Säule des demokratischen Miteinanders, und da darf entsprechender Personal- und Kostenaufwand nicht zu Lasten von Recht & Gesetz gehen. Jedenfalls ist dies unsere Meinung.

Das Bundesverfassungsgericht selbst sieht das natürlich in seinem Jahresbericht 2021 auf S. 36 anders: "Dass mit 95% die ganz überwiegende Mehrheit der Verfahren Verfassungsbeschwerden waren, unterstreicht den Charakter des Bundesverfassungsgerichts als Bürgergericht."

Wir müssen dieses Eigenlob nicht weiter kommentieren. Die Zahl 1,29% spricht für sich und die nachfolgende Darstellung, wie es mit der häufigsten Art der Verfassungsbeschwerden, der sogenannten Gehörsrüge, funktioniert, spricht ebenfalls für sich:

"Gehörsrüge" als Verfassungsbeschwerde

Schon vom Ablauf eines solchen Verfahrens ist das eine absolut widersprüchliche Angelegenheit, die ob ihrer Vorgaben - eigentlich - zum Scheitern verurteilt ist. Die Frage, ob dies absichtlich - seitens der Justiz selbst oder der Exekutive (Bundesjustizministerium) oder gar der Legislative (Rechtsausschuss im Deutschen Bundestag) - so installiert worden ist, sei an dieser Stelle dahingestellt.

Im Artikel 103 des Grundgesetzes ist der Anspruch auf "rechtliches Gehör" als relevantes Verfassungsrecht kodifiziert. Das ist die offizielle Schreib- und Lesart.

Die reale Welt in den Gerichten sieht oft anders anders aus. Und zwar so:

Die Frist für die Einreichung einer Verfassungsbeschwerde beträgt exakt 1 Monat nach der letzten rechtskräftigen Entscheidung. Also rund 4 Wochen etwa nach einem Urteil in der letzten Instanz.

Will man eine solche Beschwerde - etwa auf der Instanzebene eines Landgerichts - wegen der Verletzung des "rechtlichen Gehörs" einreichen, muss zuvor das OLG eingeschaltet werden. Dafür sind nur 2 Wochen Zeit. Dabei darf noch nicht Berufung eingelegt worden sein, weil ja sonst die zweite Instanz den gerügten Fehler korrigieren könnte.

Egal wie: Diese zweite Instanz muss jetzt entscheiden, ob dieses Ansinnen zu recht besteht oder ob eine solche Gehörsrüge nicht gerechtfertigt (konkret: entweder zulässig, aber nicht begründet. Oder unzulässig, egal ob begründet oder nicht).

Wird eine solche Rüge vom OLG als rechtens anerkannt, beginnt erst jetzt ab diesem Zeitpunkt die 1-monatige Einreichungsfrist zu ticken.

Wird die Gehörsrüge als unzulässig erklärt, ist bereits ein erheblicher Teil, im schlechtesten Fall die ganze Frist verstrichen, weil die letzte rechtskräftig gewordene Entscheidung ja die des vorinstanzlichen Urteils ist. Kommt die ablehnende Entscheidung des OLG nicht innerhalb der gesamten Monatsfrist zustande, ist alles gelaufen.

Kommt ein ablehnender Beschluss erst kurz vor Ablauf der einmonatigen Frist zustande, bleiben u.U.nur wenige Tage, eine Verfassungsbeschwerde aufzusetzen. Weil das Arbeit macht, ist die Wahrscheinlichkeit, dafür einen Anwalt zu finden, sehr gering. Und nicht jeder hat Erfahrung mit solchen Dingen und nicht jeder weiß, worauf genau es da ankommt.

Egal wie: Ein Anwalt müsste sich ersteinmal in den ganzen Aktenberg einarbeiten. Das geht nicht so fix. Egal wie: Es wird in jedem Fall teuer.

Einzige Lösung: Eine Anhörungsrüge vorm OLG und die Verfassungsbeschwerde gleichzeitig einzureichen. Aber da sind die Chancen wieder fraglich, weil das BVerfG fordert, dass eine Beschwerde erst angenommen wird, wenn zuvor das OLG entschieden hat.

Absicht? Um die Arbeit des BVerfG bzw. des "Bürgergerichts" zu entlasten? Oder einfach nur Unfähigkeit oder Unwilligkeit? Der Justiz? Der Exekutive? Der Abgeordneten im Deutschen Bundestag?

Für Anwälte, die sich dennoch darauf einlassen wollen, empfehlen wir die Lektüre eines Fachaufsatzes von J.F. STURM: "Die Anhörungsrüge in der neuesten Rechtsprechung des BVerfG - (Problematische) Tendenzen und HInweise zur Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden" in der Zeitschrift "Anwaltsblatt" aus dem Jahr 2018.

Letzte Ausfahrt: die 'hohe Politik'

Richter sind gehalten, sich an Recht und Gesetz zu halten. Dass dies nicht flächendeckend geschieht, ist - ersteinmal - nicht zu ändern. Die richterliche Unabhängigkeit und Unangreifbarkeit kennt praktisch keine Grenzen.

Jedenfalls so lange nicht, wie der Gesetzgeber dem nicht Einhalt gebietet. "Gesetzgeber" meint: entweder das zuständige Ministerium für Justiz (Exekutive) als Zuarbeiter für das Parlament und/oder das Parlament selbst als letztlich zuständige Legislative.

Im Bundesministerium der Justiz in Berlin arbeiten (Stand 2022) rund 850 Menschen als Angestellte im Öffentlichen Dienst oder als Beamte. Mit 7 Abteilungen und jeder Menge Unterabteilungen, nachgelagerten Referaten und Sachgebieten ist dies ein monströser Apparat, in dem viele zeitliche Kapazitäten zusammen kommen. Mehr als ein einzelner Abgeordneter im Deutschen Bundestag auffahren kann. Ein "MdB" (Mitglied des Deutschen Bundestags) hat im besten Falle 4 Mitarbeiter, er selbst hetzt von Ausschuss zu Ausschuss und Abstimmung im Plenum, muss seine zuarbeitenden Mitarbeiter koordinieren und regelmäßig auch vor Ort in seinem Wahlkreis auftauchen. Zusätzliche Funktionen im Parlament (Obmann, Sprecher, Mitglied im Fraktionsvorstand u.a.m.) sowie andere Aktivitäten und Mitgliedschaften verkürzen nicht nur das zeitliche Budget, sondern auch das kognitive Wahrnehmungsvermögen von Dingen, auf die ein MdB nicht 'geeicht' ist. Jeder hat seine speziellen Themen, die ihm am Herzen liegen, und es ist ausgesprochen aufwändig, solche Menschen für Dinge zu sensibilisieren, die außerhalb ihres sozialisierten Wahrnehmungsfilters liegen.

So ist es kein Wunder, dass mehr als 90% aller Gesetzesvorhaben im Ministerium entwickelt und vorbereitet werden und nicht von den MdB's selbst als Entwurf oder Vorlage eingebracht werden.

Politische Entscheidungsprozesse dauern lange. Jedenfalls dann, wenn nicht wegen aktueller Ereignisse Eile angesagt ist. Wie die Erfahrung zeigt, wird im Rahmen einer Regierungskoalition fast immer nur das umgesetzt, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Was da nicht drin steht, wird nicht Teil der politischen Agenda. Jedenfalls nicht in der fraglichen Legislaturperiode. Daher lassen sich Lösungen für die unzähligen Schwachstellen in der deutschen "Rechtspflege" nur von daher andenken.

Zwar ist die Gruppe der Juristen im Deutschen Bundestag zahlenmäßig die stärkste Berufsgruppe, mit 109 MdB's von 735 insgesamt also 15%, aber über das fachliche Wissen, die anwaltliche Praxiserfahrung mit deutschen Gerichten wissen wir wenig. Wir wissen nur, dass ausgewiesene Fachanwälte, die mehr als ausgelastet sind, keine politische Karriere im Parlament anstreben. Die würden das - vermutlich - als reine Verschwendung von Zeit und Ressourcen ansehen. Deswegen - so unsere weitere Vermutung - werden die auf politischer Ebene tätigen Anwälte eher zu jenen gehören, die vormals juristischen 'Kleinkram' und Routinesachen vertreten haben und über die von uns genannten Schwachstellen nicht viel wissen (dürften).

Weil wir das aber nicht genau wissen, aber wissen wollen, werden wir in Kürze eine weitere Befragung unter den Abgeordneten machen, soweit sie sich als Juristen ausweisen. Insbesondere unter jenen, die im Rechtsausschuss dort vertreten sind.

Wir hatten ein solches Projekt schon einmal gestartet. Zuletzt über 16 Wochen lang unmittelbar vor der letzten Bundestagswahl 2021: im Zusammenhang mit dem Problem der Berufskrankheiten und der geringen Quote von Anerkennungen. Nachzulesen unter www.ansTageslicht.de/MdB.

Weil es in dem hier geschilderten Kontext weniger um Stoffmenge, dafür aber um elementare Schwachstellen unseres Rechtssystems geht, lassen wir uns von der Hoffnung leiten, damit mehr Aufmerksamkeit zu bekommen.

Dann werden wir weitersehen. Und weiter berichten. Bzw. Empfehlungen, sprich Hinweise & Tipps  geben (können).

Letzter Hinweis: Wer sich ganz generell mit den Fragen beschäftigen möchte, wie ein Zivilverfahren abläuft, dem empfehlen wir dieses Buch von Harald BECHTELER und Johannes RAUE aus dem Jahr 2020: Zivilprozess für Anfänger.

(JL)


Hinweis:

Wir haben uns hier auf die Probleme vor Gericht konzentriert. Ähnliche unzufriedenstellende Probleme kann es (oft) geben, wenn man eine Staatsanwaltschaft einschaltet, etwa im Wege einer Strafanzeige. Wie das im Fall von Lisa HASE (nicht) funktioniert hat, haben wir zusammengefasst unter Staatsanwaltschaft Göttingen - Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig.

Wie man in solchen Fällen am besten vorgeht, auf was man achten muss, weil sich Staatsanwälte letzten Endes dann doch aus Ermittlungsverfahren herausmogeln können, werden wir in Kürze ganz allgemein ebenfalls dokumentieren: www.ansTageslicht.de/Strafanzeige (NOCH NICHT ONLINE). Bis dahin bitten wir um Geduld.