Nr. 4: Harnblasenkrebs und Prof. DREXLER

50.000 Fälle = ca. 100.000 Wählerstimmen, jedes Jahr: viertes Schreiben an die MdB’s

Gelbe Bremsflüssigkeiten, Kühlflüssigkeiten, Schmieröle und Ölschlamm, Einspritzreiniger, Benzoldämpfe, Graphitfette, Dieselabgase – Stoffe, mit denen Kai WACKER, dessen Namen wir hier pseudonymisieren, 22 Berufsjahre lang täglich in Berührung gekommen ist. Oder chemisch: Trichlorethylen und Nitrit, Stickstoff-dioxyd, Benzol in größeren Mengen und vor allem Aromatische Amine wie 2-Naphthylamin, 4-Aminobi-phenyl, Chlor-o-toluidin und Benzidin. Das meiste davon krebserregend. Vor allem: Harnblasenkrebs.

Es betrifft nicht nur Kai WACKER. In Deutschlands 37.000 Kfz-Werkstätten arbeiten an die 300.000 Kfz-Mechaniker und –meister. Und Harnblasenkrebs zählt zu den häufigsten Krebserkrankungen: über 20.000 jedes Jahr, nur Männer betrachtet. Rauchen ist eines der Risiken. Ein anderes: Arbeiten in einer Kfz-Werk-statt. Auslöser z.B.: die Aromatischen Amine aus den Azo-Farbstoffen, die früher im Benzin waren.

Die Gesetzliche Unfallversicherung (GUV) und ihre Berufsgenossenschaften steuern schon lange dagegen: in Gestalt von Wissenschaftlern, die diese Risiken seit Jahrzehnten systematisch verschleiern und die Gefahren kleinrechnen. Z.B. dadurch, dass sie sagen, dass ein Gesundheitsschaden als „beruflich bedingt“ nur dann anerkannt werden kann, wenn deren Risiko doppelt so hoch ist wie beim Rest der Welt.

Da die GUV quasi ein Monopol beim Definieren, Ermitteln und Interpretieren von Berufskrankheiten besitzt, indem sie fast die gesamte Branche der Arbeitsmedizin kontrolliert, fällt es ihr leicht, diese Sicht der Dinge auch bei den Gerichten durchzusetzen. Den 4 Wissenschaftlern, die dagegen hielten, darunter ein Toxikologe, der langjähriger Vorsitzender der MAK-Kommission war, ein Chemiker vom Deutschen Krebsforschungszentrum sowie zwei Professoren der Arbeitsmedizin, die sich nicht dem lukrativen Mainstream verschrieben haben, gelang es nicht, sich Gehör zu verschaffen.

Das musste auch Kai WACKER erfahren, als im Alter von 38 Jahren Harnblasenkrebs diagnostiziert wird. Die Behandlung ist schwierig. Als er 48 wird, muss der gesamte Harntrakt rausoperiert und künstlich ersetzt werden. Seine Ärzte reklamieren „beruflich verursacht“.

Jetzt läuft es so, wie es immer läuft. Die BG Holz und Metall (BGHM) lehnt ab, verstrickt den Kranken in Schriftwechsel, beauftragt als Gutachter einen der renommiertesten und fachlich ranghöchsten: Prof. Dr. med. Hans DREXLER von der Uni Erlangen. Der kommt schnell zu einem Ergebnis: Eine Risikoverdoppelung bei diesen Stoffen sei wissenschaftlich nicht belegt, ergo komme  eine Anerkennung als Berufskrankheit und demzufolge eine lebenslange Rentenzahlung als Entschädigung für die vorzeitige Beendigung des Berufslebens nicht in Frage. Die Richterin am Sozialgericht Frankfurt übernimmt diese Meinung 1:1, braucht dafür zwei volle Jahre, um das so ins Urteil hineinzuschreiben. Im Normalfall wäre hier jetzt Schluss.

Dem ehemaligen Kfz-Meister, der sich inzwischen in psychologische Behandlung begeben musste, gelingt es, mit Hilfe seiner Schwiegereltern Geld aufzutreiben, um einen Toxikologen mit einem neuen Gutachten zu beauftragen, der sich ebenfalls nicht in das System der Berufsgenossenschaften hat einbinden lassen, eine seltene  Ausnahme. Der nimmt das Gutachten des ranghöchsten Arbeitsmediziners Prof. DREXLER nach Strich und Faden auseinander. DREXLER habe sich,

  1. auf „ungeeignete“ Literatur gestützt,
  2. in einem Fall Ergebnisse herangezogen, die „in dieser Form der genannten Publikation nicht entnommen werden“ können,
  3. sei der Ansatz, nur die „geringe Menge“ der Aromatischen Amine zu betrachten, irrelevant, weil es auf deren chemischen Reaktionen im menschlichen Organismus ankomme, und
  4. spiele die reklamierte Risikoverdoppelung keine Rolle, weil bekanntermaßen bereits die kleinsten Mengen krebsauslösend seien.

Dem Landessozialgericht bleibt nichts anderes übrig, als das DREXLER-Gutachten zu verwerfen und dem Berufskranken eine Rente zuzusprechen. Er hatte seltenes Glück: einen unabhängigen Toxikologen zu finden. Und den ersteinmal vorfinanzieren zu können. Ebenfalls ein Ausnahmefall.

Und nur mit entweder Glück und/oder als Ausnahmefall kommt man offenbar im deutschen System der Gesetzlichen Unfallversicherung zu seinem Recht. So ist es - ganz offenbar - von der "Politik da oben" gewollt.


Hinweise

Die ausführliche Version dieser Geschichte findet sich unter www.ansTageslicht.de/Harnblasenkrebs. Diese Kurzversion auf 1 DIN A 4-Seite, lässt sich aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/professordrexler oder sich als PDF downloaden.

(JL)

Online am: 26.06.2021
Aktualisiert am: 19.09.2021


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Nr. 4: Harnblasenkrebs und Prof. DREXLER


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