Aerotoxisches Logbuch: Was sich tut und was sich nicht tut - bei "Fume Events" und bei der Gesetzlichen Unfallversicherung im Zusammenhang mit Berufskrankheiten

Als "Aerotoxisches Logbuch" hat es 2017 angefangen. Jetzt haben wir es erweitert. Nicht nur um "Fume Events" geht es jetzt hier, sondern um Berufskrankheiten ganz grundsätzlich, für die - eigentlich die "Gesetzliche Unfallversicherung" (GUV) zuständig ist. Aber wie das so ist bei Versicherungen: Die Beträge nehmen sie gerne, zahlen wollen sie aber nur ungern.

Wir erweitern das Logbuch, das wir als Blog führen, deshalb, weil wir den misslichen Umstand, dass Menschen, deren Arbeitsplatz das Flugzeug ist und die in ein Fume Event geraten und deshalb arbeitsunfähig, aber nicht entschädigt werden, ganz grundsätzlich angehen müssen. Also an den Wurzeln packen müssen. Aus diesem Grund werden wir ab September 2023 auch Vorgänge und Ereignisse hier listen, die nicht nur fliegendes Personal betreffen.

Zum Themenfeld Fume-Event finden Sie viele Texte (die wir "Kapitel" nennen), zentral aufrufbar unter

Das Problemfeld Berufskrankheit lässt sich zentral erschließen unter

Informationen über Gutachter bzw. "Schlecht"-Achter unter

Einige unserer Texte ("Kapitel") zu Fume Events  gibt es auch in englischer Sprache:

Dieser Blog, den wir nach wie vor als Aerotoxisches Logbuch führen werden, aber eben in etwas erweiterter Form, lässt sich mit diesem kurzen (Perma)Link direkt aufrufen und verlinken:

10. November 2018

Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage

Die Bundesregierung hat inzwischen eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantwortet, die nach der Häufigkeit des Vorkommens von Fume Events gefragt hatte: Drucksache 19/4443

Die Antwort der Bundesregierung lautet wie immer: Sie hat wenig Informationen und will offenbar noch weniger wissen. 

So dürften die Zahlen zur den Vorkommnissen - wie üblich - underreported sein, wie das auch aus den USA bekannt ist. Es gibt keine zwingend vorgeschriebenen Meldewege. Auch sind die Airlines über Meldungen 'not amused', weil ein halbwegs effektives Säubern der Klimaanlage und/oder ein Austausch der sog. ducts zwischen Triebwerk und Klimaanlage erhebliche Verzögerungen eines weiteres Einsatzes des Flugzeuges bedeutet. Dies bedeutet einerseits Kosten, zum anderen Einnahmeausfälle. Auch aus diesem Grund wird erfahrungsgemäß nur ein Teil solcher Vorkommnisse gemeldet. Davon abgesehen, dass es in den meisten Fällen wohl (nur) weniger dramatische "Geruchsereignisse" sind. 

Auf die erheblichen Unterschiede zwischen gemeldeten Ereignissen und real vorkommenden Ereignissen haben beispielhaft hingewiesen unter "Incidents" - Vorfälle, die meistens nicht in offiziellen Statistiken auftauchen.

So hat der Parlamentarische Staatssekretär Steffen BILGER (CDU) für die Bundesregierung auf die Frage "Was plant die Bundesregierung zu tun, um sicherszustellen, dass möglichst alle Fime Events gemeldet werden?" dies geantwortet:

"Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte vor, dass meldepflichtige Fume Events nicht auch gemeldet werden. Daher sind keine zusätzlichen Maßnahmen geplant."

Und auf die Frage, "inwieweit erwägt die Bundesregierung die flächendeckende verpflichtende Einführung von Atemluftfiltern, die Organophosphate sowie flüchtige organische Verbindungen entfernen?", lautet die Antwort so:

"Die konkreten Stoffe, die die Kabinenluft möglicherweise verunreinigen, sind bisher nicht ausreichend identifiziert und bekannt. Erst wenn diese vollständig identifiziert sind, ist eine entsprechende Filterentwicklung möglich und zielführend."

Die Vereinigung Passagier (VP) kommentiert dies so:

"Teile der Luftfahrtindustrie haben ein größeres Problembewusstsein als die Bundesregierung, denn Fluggesellschaften wie EasyJet und die Lufthansa testen bereits entsprechende Filtersysteme."

In der Tat will gerade EasyJet im Neuen Jahr alle seine Flieger mit Filtern der Fa. Pall ausstatten (siehe Eintrag vom 20.9.2017, schnell auffindbar über den Tag "EasyJet"). Dies hat die Airline letztes Jahr auf der großen Konferenz zum Aerotoxischen Syndrom in London bekannt gegeben.

Die Bundesregierung bzw. das Verkehrsministerium hat davon und offenbar auch von den beiden EASA-Studien keine Ahnung. Und will offensichtlich auch nichts davon wissen. 

15. Oktober 17

Airbus A 319 muss 'notlanden'

Erst jetzt wird bekannt, dass es (bereits) am 3. Oktober ein Fume Event in einem Flieger von easyJet (Registration No. G-EZNC) gegeben hat, der sich auf dem Weg von Palma/Mallorca nach Luton befand, und in Paris einen Stop einlegen musste: Mehreren Passagieren und Flubegleitern, aber auch dem Copiloten war es "unwohl" geworden. Nach der ungewollten Landung standen bereits 6 Sanitäter bereit, die die Passagiere und den Copiloten mit erster Hilfe versorgten. Letzteren mit reinem Sauerstoff. Dieses berichtet der Aviation Herald.

So gesehen, nichts Ungewöhnliches, weil sich Fume Events bekanntermaßen regelmäßig ereignen, die dann allerdings in aller Regel kleingeredet oder ganz verschwiegen werden. 

Nun hat der britische Journalist Andrew GILLIGAN bei der Airline nachgefragt, ob dies ein sog. aerotoxischer Vorfall gewesen sei. Nein, so die Antwort, dies wäre ein reiner "smell event" gewesen, und easyJet würde überhaupt solche Ereignisse nicht im Zusammenhang mit dem Begriff "aerotoxisch" einordnen. 

Allerdings musste easyJet zugeben, dass es eine Leakage von Hydraulikflüssigkeit gegeben hatte, die in einer "sehr kleinen Menge" einen Geruch entwickeln konnte. Noch in Paris sei eine "technische Säuberung" erfolgt, bei der auch alle Rücklauf-Filter ausgetauscht worden seien. Dazu musste der Flieger über 60 Stunden am Boden bleiben, bevor er weiter nach London fliegen konnte. 

Andrew GILLIGAN (@mragilligan) lässt in seinem Artikel "EasyJet in forced landing as 'smell event' overcomes co-pilot", der in der Times erschien, auch eine Passagierin zu Wort kommen, die Details zu diesem Vorgang liefert. 

Interessant sind einige Blogeinträge zu diesem Bericht, wo sich auch ein Fachmann unter der Bezeichnung "VH-EAH" zu Wort meldet und erkennen lässt, dass er einige jener Menschen gewesen sei, die in die EASA-Studie (publiziert 2017) involviert gewesen sei. Er korrigiert erstens, dass die Landung keine "Notlandung" gewesen sei, und dass, zweitens, die EASA-Studie ergeben habe, dass solche "cabin air events" keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit hätten.

Auch dieser Vorgang zeigt erneut, wie das Problem immer wieder heruntergespielt wird. Dass dies auch durch easyJet geschieht, ist insofern erstaunlich, als sich diese Airline entschieden hat, zusammen mit PALL Aerospace neue Filter einzubauen, die die Zapfluft (bleed air) direkt filtern sollen (siehe Eintrag vom 20. September).

20. September 17

easyJet wird Filter für Zapfluft (bleed-air) einbauen

Ausgerechnet die Billig-Airline hat sich dazu entschließen können, zusammen mit dem Unternehmen PALL Aerospace, das auch die HEPA-Filter für die re-circulated air in der Flugzeugkabine herstellt, in etwa einem Jahr alle eigenen Flieger mit einem Filter zu versehen, der die Schadstoffe abhalten soll, die durch die bei den Triebwerken abgezapfte Luft säubern soll. Damit könnte, wenn alles funktioniert, die potenzielle Kontamination der Kabinenluft weiter abgemildert, ggfs. auch verhindert werden.

Dies haben die Airline und der Hersteller auf der Londoner Konferenz angekündigt.

Die Luft im Flugzeug wird in den meisten moderneren Flugzeugen zunächst eingesogen, komprimiert, gekühlt und wieder temperiert und während des Fluges dann zu 50% mit der bereits vorhandenen Luft (re-circulated air) gemischt. Die zu 50% wieder verwendete Luft kann durch sog. HEPA-Filter von Schadstoffen gesäubert werden. Die Schwachstelle bisher: der jeweils neu eingespeiste Luftstrom aus der Turbine. Eine übersichtliche Grafik dazu ist in der Sunday Times abgedruckt.

Die Ziele von easyJet und PALL Aerospace sind ambitioniert. Aber ohne hoch gesteckte Ziele und Engagement sind Innovationen nicht zu haben. Im fraglichen Zeitraum müssen nicht nur die Testflüge unternommen, sondern auch die vielen Anträge bei den Zulassungsbehörden gestellt und genehmigt werden.

Warum ausgerechnet eine Billigairline als Erste diesen Weg geht, ist nicht wirklich klar. Auf der anderen Seite sieht sich easyJet derzeit mit 2 Klagen von Flugbegleitern ausgesetzt: eine in Frankreich (Strafanzeige), eine neuere in Großbritannien.

Genau genommen ist easyJet nicht wirklich die erste Airline, die Filter für die Zapfluft in ihren Maschinen hat. Die Fracht-Flugzeuge von DHL sind inzwischen alle mit solchen Vorkehrungen ausgestattet: im Cockpit. 

8. März 17

easyjet: Kopenhagen - Berlin-Schönefeld
Airbus A 319-100

Der Aviation Herald meldet: Auf dem Flug von Dänemark nach Berlin kommt es zu einem Fume Event. Das Kabinenpersonal orderte noch während des Fluges medizinische Hilfe nach dem Landen, die dann auch bereitstand. Offenbar mussten mehrere Passagiere ärztlich versorgt werden.

Aviation Herald kann sogar ein Passagierfoto veröffentlichen: Mehrere Ambulanzwagen direkt vor der Gangway. Weil Fluggäste medizinisch versorgt werden mussten, ermittelt nun die BFU.