Aerotoxisches Logbuch: Was sich tut und was sich nicht tut - bei "Fume Events" und bei der Gesetzlichen Unfallversicherung im Zusammenhang mit Berufskrankheiten

Als "Aerotoxisches Logbuch" hat es 2017 angefangen. Jetzt haben wir es erweitert. Nicht nur um "Fume Events" geht es jetzt hier, sondern um Berufskrankheiten ganz grundsätzlich, für die - eigentlich die "Gesetzliche Unfallversicherung" (GUV) zuständig ist. Aber wie das so ist bei Versicherungen: Die Beträge nehmen sie gerne, zahlen wollen sie aber nur ungern.

Wir erweitern das Logbuch, das wir als Blog führen, deshalb, weil wir den misslichen Umstand, dass Menschen, deren Arbeitsplatz das Flugzeug ist und die in ein Fume Event geraten und deshalb arbeitsunfähig, aber nicht entschädigt werden, ganz grundsätzlich angehen müssen. Also an den Wurzeln packen müssen. Aus diesem Grund werden wir ab September 2023 auch Vorgänge und Ereignisse hier listen, die nicht nur fliegendes Personal betreffen.

Zum Themenfeld Fume-Event finden Sie viele Texte (die wir "Kapitel" nennen), zentral aufrufbar unter

Das Problemfeld Berufskrankheit lässt sich zentral erschließen unter

Informationen über Gutachter bzw. "Schlecht"-Achter unter

Einige unserer Texte ("Kapitel") zu Fume Events  gibt es auch in englischer Sprache:

Dieser Blog, den wir nach wie vor als Aerotoxisches Logbuch führen werden, aber eben in etwas erweiterter Form, lässt sich mit diesem kurzen (Perma)Link direkt aufrufen und verlinken:

22. November 2018

Verkehrsausschuss des Bundestag hat keine "Kapazitäten" für die Probleme der Gesetzlichen Unfallversicherung und Fume Events

Wir hatten nach der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der GRÜNEN zu diesen beiden Aspekten (Eintrag v. 18. September) die vier relevanten Ausschüsse des Bundestags angeschrieben, um zu erfahren, ob sie in den Antworten der Bundesregierung Widersprüche erkennen können, die wir sehen und2) ob sie der Meinung sind, dass die "eigene Forschung" der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) als unabhängig gelten kann. Hier lassen sich das Anschreiben und die 4 Fragen nachlesen.

Nun hat der erste Ausschuss für Verkehr geantwortet: "Eine weitergehende Beantwortung" sei "aufgrund fehlender Kapazitäten nicht möglich". Das Ausschussbüro verweist stattdessen auf eine Bundestags-Seite, in der man alle bisherigen Protokolle etc dieses Ausschusses aus vielen Legislaturperioden nachschauen kann.

Dies sagt schon einmal etwas über die Wahrnehmung der von uns thematisierten Probleme im Ausschussbüro etwas aus. Wir werden unsere Fragen jetzt direkt an die Obleute der Fraktionen stellen.

10. November 2018

Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage

Die Bundesregierung hat inzwischen eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantwortet, die nach der Häufigkeit des Vorkommens von Fume Events gefragt hatte: Drucksache 19/4443

Die Antwort der Bundesregierung lautet wie immer: Sie hat wenig Informationen und will offenbar noch weniger wissen. 

So dürften die Zahlen zur den Vorkommnissen - wie üblich - underreported sein, wie das auch aus den USA bekannt ist. Es gibt keine zwingend vorgeschriebenen Meldewege. Auch sind die Airlines über Meldungen 'not amused', weil ein halbwegs effektives Säubern der Klimaanlage und/oder ein Austausch der sog. ducts zwischen Triebwerk und Klimaanlage erhebliche Verzögerungen eines weiteres Einsatzes des Flugzeuges bedeutet. Dies bedeutet einerseits Kosten, zum anderen Einnahmeausfälle. Auch aus diesem Grund wird erfahrungsgemäß nur ein Teil solcher Vorkommnisse gemeldet. Davon abgesehen, dass es in den meisten Fällen wohl (nur) weniger dramatische "Geruchsereignisse" sind. 

Auf die erheblichen Unterschiede zwischen gemeldeten Ereignissen und real vorkommenden Ereignissen haben beispielhaft hingewiesen unter "Incidents" - Vorfälle, die meistens nicht in offiziellen Statistiken auftauchen.

So hat der Parlamentarische Staatssekretär Steffen BILGER (CDU) für die Bundesregierung auf die Frage "Was plant die Bundesregierung zu tun, um sicherszustellen, dass möglichst alle Fime Events gemeldet werden?" dies geantwortet:

"Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte vor, dass meldepflichtige Fume Events nicht auch gemeldet werden. Daher sind keine zusätzlichen Maßnahmen geplant."

Und auf die Frage, "inwieweit erwägt die Bundesregierung die flächendeckende verpflichtende Einführung von Atemluftfiltern, die Organophosphate sowie flüchtige organische Verbindungen entfernen?", lautet die Antwort so:

"Die konkreten Stoffe, die die Kabinenluft möglicherweise verunreinigen, sind bisher nicht ausreichend identifiziert und bekannt. Erst wenn diese vollständig identifiziert sind, ist eine entsprechende Filterentwicklung möglich und zielführend."

Die Vereinigung Passagier (VP) kommentiert dies so:

"Teile der Luftfahrtindustrie haben ein größeres Problembewusstsein als die Bundesregierung, denn Fluggesellschaften wie EasyJet und die Lufthansa testen bereits entsprechende Filtersysteme."

In der Tat will gerade EasyJet im Neuen Jahr alle seine Flieger mit Filtern der Fa. Pall ausstatten (siehe Eintrag vom 20.9.2017, schnell auffindbar über den Tag "EasyJet"). Dies hat die Airline letztes Jahr auf der großen Konferenz zum Aerotoxischen Syndrom in London bekannt gegeben.

Die Bundesregierung bzw. das Verkehrsministerium hat davon und offenbar auch von den beiden EASA-Studien keine Ahnung. Und will offensichtlich auch nichts davon wissen. 

9. November 2018

Wie jetzt bekannt wurde, hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages eine Zusammenstellung zur Frage gemacht:

"Welche rechtlichen Vorgaben müssten in Deutschland oder auf der Ebene der Europäischen Union konkret geändert werden, um Betreiber und/oder Hersteller ziviler Passagierflugzeuge zum Einbau entsprechender Filteranlagen zu verpflichten?"

Dazu haben sich 2 Institutionen geäußert.

1) Das Bundesverkehrsministerium verweist auf die Zuständigkeit der EASA und merkt an, dass die BFU Kenntnisse darüber habe, "dass auch bei Fluggesellschaften, die bereits jetzt Filter im Einsatz haben, Fume Events mit den üblichen Erscheinungsmerkmalen auftreten." Eine genaue Quelle gibt das BMVI allerdings nicht an.

2) Die ausführlichste Stellungnahme stammt von der Vereinigung Cockpit ( S. 5 und 6): VC weist darauf hin, dass es bereits ausreichende EU-Vorschriften gibt, nämlich die EU-Richtlinien 98/24/EG und 89/391/EWG "zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische Stoffe bei der Arbeit." 

In allen Branchen (Chemieindustrie, Gefahrgüter, Lärmschutz) würden die umgesetzt, weil auch mit Bußgeldern geahndet. Nur nicht in der Luftfahrt.

Es müssten also keine gesetzlichen Regelungen geändert oder neu aufgesetzt werden. Es müssten nur bestehende Vorschriften eingehalten werden. Doch: "Weder die Zulassungsbehörden prüfen auf die Einhaltung, noch die Überwachungsbehörden sehen sich in der Pflicht", so die VC.

Hier sind die Dokumente

18. September 2018

Bundesregierung antwortet auf Kleine Anfragevon BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nach unseren Veröffentlichungen Ende Mai wollten DIE GRÜNEN von der Bundesregierung wissen, ob und welchen Handlungsbedarf sie bei dem System der Gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere bei der DGUV sehe?

Antwort der Bundesregierung, vertreten durch die parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Kerstin GRIESE (SPD): "Kein Reformbedarf bei Unfallversicherung".

Wir setzen uns kritisch mit den wichtigsten Antworten auseinander: unter www.ansTageslicht.de/wieweiter.  

25. Mai 2018

In Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung:
Arbeitsmedizin + Fume Events. Ein Schattenreich als Schweigekartell

Das DokZentrum hatte sich vor einem Jahr mit Fume Events beschäftigt: der kontaminierten Luft in Flugzeugen. Und rekonstruiert, wie sich dieses Gesundheitsproblem entwickelt hat, Und dass die meisten Vorfälle nicht in den offiziellen Statistiken auftauchen. Allein dadurch wird das Problem verharmlost. Denn Fakt ist: Immer mehr Piloten und Crewmitglieder werden durch Fume Events fluguntauglich, sprich berufsunfähig: www.ansTageslicht.de/Kabinenluft.

Bei diesen Recherchen blieben Fragen offen: Wieso nimmt niemand dieses Problem ernst?. Und warum ändert sich nichts?

Jetzt haben wir darauf Antworten gefunden: Es ist die Branche der „Arbeitsmedizin“, die mit ihren Gutachten praktisch alle Zusammenhänge zwischen Vorfall, Schadstoff und anschließenden Gesundheitsproblemen abstreitet. Fast immer.  So war es bei Asbest, bei Quecksilber, bei Dioxin. Und anderen Gefahrstoffen. Und so ist es auch bei der kontaminierten Kabinenluft.

Die Wissenschaft der Arbeitsmedizin hat sich in das System der „Gesetzlichen Unfallversicherung“ einbinden lassen. Die wiederum wird von der Industrie, den Unternehmen finanziert. Ergebnis: Nur in 7% aller beantragten Berufsunfähigkeitsfällen wird gezahlt – die Arbeitsmedizin leistet zuverlässige Hilfe: Für die Unternehmen, die nicht bereit sind, bessere Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Denn das ist teurer als Entschädigungen in wenigen Fällen.

Warum das niemand ändert? Es ist ein absolut intransparentes System, ein „Schattenreich“. Niemand außerhalb des Systems weiß davon. Bis heute abend 19 Uhr, wenn diese Dokumentation online geht: www.ansTageslicht.de/krankdurcharbeit  oder alternativ: www.ansTageslicht.de/Arbeitsmedizin.

Das DokZentrum teilt seine Rechercheergebnisse mit der Süddeutschen Zeitung. Die berichtet heute abend ebenfalls online, morgen, Samstag, 26. Mai, steht ein kompakter Artikel in der gedruckten Wochenendausgabe als Dossier: Kartell des Verschweigens.

Künftig wird Verschweigen nicht mehr so ohne weiteres möglich sein. Wir werden weiter kontinuierlich berichten, auch wenn das Aerotoxische Logbuch als Folge der aufwendigen Recherchen die letzten Wochen eine kleine Pause einlegen musste.