Aerotoxisches Logbuch: Was sich tut und was sich nicht tut - bei "Fume Events" und bei der Gesetzlichen Unfallversicherung im Zusammenhang mit Berufskrankheiten

Als "Aerotoxisches Logbuch" hat es 2017 angefangen. Jetzt haben wir es erweitert. Nicht nur um "Fume Events" geht es jetzt hier, sondern um Berufskrankheiten ganz grundsätzlich, für die - eigentlich die "Gesetzliche Unfallversicherung" (GUV) zuständig ist. Aber wie das so ist bei Versicherungen: Die Beträge nehmen sie gerne, zahlen wollen sie aber nur ungern.

Wir erweitern das Logbuch, das wir als Blog führen, deshalb, weil wir den misslichen Umstand, dass Menschen, deren Arbeitsplatz das Flugzeug ist und die in ein Fume Event geraten und deshalb arbeitsunfähig, aber nicht entschädigt werden, ganz grundsätzlich angehen müssen. Also an den Wurzeln packen müssen. Aus diesem Grund werden wir ab September 2023 auch Vorgänge und Ereignisse hier listen, die nicht nur fliegendes Personal betreffen.

Zum Themenfeld Fume-Event finden Sie viele Texte (die wir "Kapitel" nennen), zentral aufrufbar unter

Das Problemfeld Berufskrankheit lässt sich zentral erschließen unter

Informationen über Gutachter bzw. "Schlecht"-Achter unter

Einige unserer Texte ("Kapitel") zu Fume Events  gibt es auch in englischer Sprache:

Dieser Blog, den wir nach wie vor als Aerotoxisches Logbuch führen werden, aber eben in etwas erweiterter Form, lässt sich mit diesem kurzen (Perma)Link direkt aufrufen und verlinken:

21. September 2020

Fume Event vor dem Berliner Sozialgericht

Der Vorfall liegt bereits 7 Jahre zurück, hatte sich am 22. März 2013 ereignet: ein heftiges Fume Event in einer Boeing 757, einem Flugzeugtyp, der als besonders anfällig für derlei Probleme bekannt ist. In der Maschine von Hamburg auf dem Weg nach Gran Canaria: 242 Passagiere und die 8-köpfige Crew inklusive der beiden Piloten im Cockpit.

Inzwischen sind 3 der Flugbegleiterinnen flugunfähig - aufgrund der gesundheitlichen Folgen des Vorfalls. Darunter Freya von der ROPP, Mutter von zwei Kindern. Sie muss klagen, weil die zuständige Berufsgenossenschaft Verkehr keinen kausalen Zusammenhang zwischen dem Fume-Event und den gesundheitlichen Langzeitfolgen sehen kann bzw. will, wie üblich. Ihr Fall ist kompakt beschrieben unter www.ansTageslicht.de/Betroffene-Fume-Event.

Das Verfahren läuft nun im 7. Jahr immer noch in der 1. Instanz (Az: S 68 U 281/16). Jetzt war Termin. Das Besondere: Erstmals wurde ein Zeuge eingebunden: der frühere Untersuchungsführer bei der BFU, der den spanischen Behörden zugearbeitet hatte, die federführend den Vorfall untersucht hatten.

Der BFU-Mitarbeiter, inzwischen pensioniert, hatte nur eine begrenzte Aussagegenehmigung. Und die BFU hatte ihm zudem die nochmalige Einsicht in die damaligen Akten, die er selbst zusammengestellt hatte, verwehrt. Soweit zum Verhalten dieser Behörde "BFU".

Trotzdem: Der frühere Untersuchungsführer verstand es, die konkrete technische Beschreibung des Vorfalls mit der allgemeinen Problematik der kontaminierten Kabinenluft zu verbinden. Dies scheint ein hilfreiches Verfahren zu sein, wenn nicht die Klägerseite auf die ungelöste technische Problematik und die daraus möglichen Einwirkungen auf die Kabinenluft hinweisen muss, sondern wenn dies durch Personen geschieht, die nicht unmittelbar in das Verfahren eingebunden sind. Für die Richter und die in aller Regel weniger interessierten ehrenamtlichen Richter als Beisitzer (wie dies hier nicht zu übersehen war) mag dies überzeugender wirken, wenn dies ausgewiesene Experten tun.

Das Verfahren wird weiter gehen: ein neues arbeitsmedizinisches Gutachten soll die neu aufgetretenen Krankheitsbilder und deren kausales Zustandekommen klären.

Wir werden weiter dazu berichten.

15. Mai 2019

Literaturstudie zur Kabinenluft durch den BDLI aus dem Jahr 2017

Wir hatten den BDLI genau vor einem Monat angeschrieben und nach den Ergebnissen einer Studie gefragt, die dieser seinerzeit groß angekündigt hatte: eine vollumfängliche Literaturauswertung zum Problem der Kabinenluft. Die veröffentlichung wa für Dezember 2017 vorgesehen, was inzwischen 16 Monate her ist. Angeblich wurden insgesamt rund 800 Publikationen ausgewertet, die dazu weltweit zu finden waren.

Eine Antwort haben wir bisher nicht erhalten. Nun haben wir - genau 4 Wochen später - nachgehakt. Und werden über das Feedback berichten.

Anfang Mai 2019

Wir hatten im März den verkehrspolitischen Sprecher der CSU im Europaparlament, Markus FERBER, angesprochen, der im Zusammenhang mit dem Absturz zweier Boeing 737 Max 8-Maschinen die EASA mit deutlichen Worten kritisert hatte, weil die Behörde von den Problemen dieses Flugzeugstyps gewusst hatte. Aber nichts gesagt, veröffentlicht und niemanden gewarnt hatte. Ein typisches Verhalten von Aufsichtsbehörden, deren Mitarbeiter sich ausschließlich in ihren Dienstvorschriften ergehen und keinerlei Empfindungen für potenzielle Geschädigte haben. Markus FERBER hatte dazu gesagt: "Eine Flugsicherheitsbehörde, die einen Softwarefehler erst als Risiko einstuft, wenn schon zwei Flugzeuge abgestürzt sind, stellt für den Bürger selbst ein Risiko dar."

Wir hatten Markus FERBER auf das Problem der potenziell kontaminierten Kabinenluft hingewiesen und er hat uns geantwortet:

  • Auch er ist der Meinung, dass "dieses Thema mehr öffentliche Aufmerksamkeit verdient"
  • dass das EP die Kommission schön öfters darauf hingewiesen habe, "dieses Problem zu untersuchen",
  • und die deshalb eine Untersuchung bei der EASA in Auftrag gegeben habe,
  • deren Ergebnisse im Dezember dieses Jahres vorliegen sollen.
  • Denn die Kommission fordere, "dass Ereignisse, welche ungewöhnliche Gerüche und Rauch enthalten, gemäß der Verordnung EU Nr. 376/2014 obligatorisch gemeldet werden müssen."

Und FERBER schreibt:

"Ich bin der Ansicht, dass man der EASA - wie jeder Behörde - genau auf die Finger schauen muss und nicht zögern darf, Mängel und Fehler aufzuzeigen. Die Thematik der potentiell kontaminierten Kabinenluft ist für mich von großem Interesse, ich werde die Veröffentlichung der Studienergebnisse Ende des Jahres kritisch verfolgen."

Wir werden Markus FERBER dabei unterstützen. Und haben ihm das auch signalisiert.

9. November 2018

Wie jetzt bekannt wurde, hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages eine Zusammenstellung zur Frage gemacht:

"Welche rechtlichen Vorgaben müssten in Deutschland oder auf der Ebene der Europäischen Union konkret geändert werden, um Betreiber und/oder Hersteller ziviler Passagierflugzeuge zum Einbau entsprechender Filteranlagen zu verpflichten?"

Dazu haben sich 2 Institutionen geäußert.

1) Das Bundesverkehrsministerium verweist auf die Zuständigkeit der EASA und merkt an, dass die BFU Kenntnisse darüber habe, "dass auch bei Fluggesellschaften, die bereits jetzt Filter im Einsatz haben, Fume Events mit den üblichen Erscheinungsmerkmalen auftreten." Eine genaue Quelle gibt das BMVI allerdings nicht an.

2) Die ausführlichste Stellungnahme stammt von der Vereinigung Cockpit ( S. 5 und 6): VC weist darauf hin, dass es bereits ausreichende EU-Vorschriften gibt, nämlich die EU-Richtlinien 98/24/EG und 89/391/EWG "zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische Stoffe bei der Arbeit." 

In allen Branchen (Chemieindustrie, Gefahrgüter, Lärmschutz) würden die umgesetzt, weil auch mit Bußgeldern geahndet. Nur nicht in der Luftfahrt.

Es müssten also keine gesetzlichen Regelungen geändert oder neu aufgesetzt werden. Es müssten nur bestehende Vorschriften eingehalten werden. Doch: "Weder die Zulassungsbehörden prüfen auf die Einhaltung, noch die Überwachungsbehörden sehen sich in der Pflicht", so die VC.

Hier sind die Dokumente

18. Oktober 2018

Kontaminierte Kabinenluft jetzt vor dem Internationalen Strafgerichtshof

Die Aerotoxic Association hat jetzt in einem Offenen Brief an den Staatsanwalt des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag diesen aufgefordert, aktiv zu werden, weil die Existenz potenziell vergifteter Kabinenluft gegen mehrere internationale Regelwerke verstößt. Unter anderem gegen The right to healthy indoor air, wie dies etwa die WHO fordert. Oder auch gegen die Air quality guidelines. Global update 2005. Particulate matter, ozone, nitrogen dioxide and sulfur dioxide.

Selbst die EASA fordert in ihrem Regelwerk CS 25.831 das, was auch der Code of Federal Regulations der USA in Sachen Luftverkehr fordert: 

"Crew and passenger compartment air must be free from harmful or hazardous concentrations of gases or vapours" (S. 1 D 38f)

Tatsächlich ist dies nicht der Fall. Schon ganz & gar nicht, wenn sich Fume Events ereignen, die mehr als nur "Gerüche" sind. 

Dem Offenen Brief sind im Original 2 ganze Ordner an Unterlagen, wissenschaftliche Nachweise, bisherige Gerichtsdokumente, Belege und Zeugnisse von über 100 Betroffenen beigefügt, aus denen sich die seit Jahrzehnten anhaltende Malaise ergibt.