Aerotoxisches Logbuch: Was sich tut und was sich nicht tut - bei "Fume Events" und bei der Gesetzlichen Unfallversicherung im Zusammenhang mit Berufskrankheiten

Als "Aerotoxisches Logbuch" hat es 2017 angefangen. Jetzt haben wir es erweitert. Nicht nur um "Fume Events" geht es jetzt hier, sondern um Berufskrankheiten ganz grundsätzlich, für die - eigentlich die "Gesetzliche Unfallversicherung" (GUV) zuständig ist. Aber wie das so ist bei Versicherungen: Die Beträge nehmen sie gerne, zahlen wollen sie aber nur ungern.

Wir erweitern das Logbuch, das wir als Blog führen, deshalb, weil wir den misslichen Umstand, dass Menschen, deren Arbeitsplatz das Flugzeug ist und die in ein Fume Event geraten und deshalb arbeitsunfähig, aber nicht entschädigt werden, ganz grundsätzlich angehen müssen. Also an den Wurzeln packen müssen. Aus diesem Grund werden wir ab September 2023 auch Vorgänge und Ereignisse hier listen, die nicht nur fliegendes Personal betreffen.

Zum Themenfeld Fume-Event finden Sie viele Texte (die wir "Kapitel" nennen), zentral aufrufbar unter

Das Problemfeld Berufskrankheit lässt sich zentral erschließen unter

Informationen über Gutachter bzw. "Schlecht"-Achter unter

Einige unserer Texte ("Kapitel") zu Fume Events  gibt es auch in englischer Sprache:

Dieser Blog, den wir nach wie vor als Aerotoxisches Logbuch führen werden, aber eben in etwas erweiterter Form, lässt sich mit diesem kurzen (Perma)Link direkt aufrufen und verlinken:

KW 19 - 4. Mai 2020

Berufskrankheiten-Reformgesetz: 2. und 3. Lesung in 1 Abwasch

Darauf wird es am kommenden Donnerstag, 7. Mai, hinauslaufen. Die Abstimmungen sind ab 16:15 Uhr geplant.

Ursprünglich war eine öffentliche Anhörung vorgesehen. Die fiel wegen der Corona-Maßnahmen aus und die Statements wurden von den angefragten Verbänden schriftlich eingereicht, die dann online gestellt wurden. Zu einer Diskussion im Ausschuss für Arbeit und Soziales kam es nicht mehr.

Die Positionen der Verbände hat der Ausschuss sélbst zusammengefasst: "Öffentliche Anhörungen". Dort finden sich auch die einzelnen Stellungnahmen. Die Arbeitgeberverbände ausgenommen betrachten alle anderen die Aufgabe des sog. Unterlassungszwangs als positiv. Letzteres bedeutet, dass bei Verdacht auf eine BK und dessen Meldung bei einer BG der Betroffene die Arbeit, wegen der er (angeblich) krank geworden ist, aufgeben muss. Für viele oft nicht möglich, wenn sich keine andere Arbeitsplatzalternative anbietet. Diese Vorschrift wird nun entfallen. Stattdessen sollen andere Lösungen für den Arbeitsplatz gesucht werden.

Dem Arbeitgeberverband Metall ist dies natürlich ein Dorn im Auge und beklagt in seiner Stellungnahme die dadurch entstehnden Mehrkosten; diese seien "inakzeptabel".

Als positive Änderung sehen wir selbst nur die jetzt endlich vorgesehene offizielle Institutionalisierung des "Ärztlichen Sachverständigenrates 'BK" beim BMAS. Dort sollen jetzt 10 wiss. Mitarbeiterstellen entstehen, um die Arbeit und die Diskussionen in diesem relevanten Gremium zügiger voranbringen zu können. Man wird sehen, ob dann wissenschaftliche Angestellte das strukturelle Ungleichgewicht im Know-how und der Vorbereitung der Sitzungen ausgleichen können. Wir werden das im Auge behalten.

Der Entwurf der Fraktion DIE LINKE wird glatt abgebügelt werden, die GRÜNEN haben erst gar keine eigene Position eingebracht - das Problem spielt in dieser Partei im Bundestag offenbar keine sonderliche Rolle.

Wenn das Gesetz am Donnerstag durchgewunken sein wird, könnte es nur noch über den Bundesrat angehalten werden. Dort hatten bereits die Bundesländer Hamburg (SPD/GRÜNE) und Schleswig-Holstein (CDU/GRÜNE/FDP) versucht, andere Vorschläge einzubringen; ebenfalls auch NRW (CDU/FDP).

Die Corona-Situation scheint derzeit aber alles zu überlagern.

27. April 2020

"ABC Fume Event"

Heute offiziell online gegangen: eine neue Site von ansTageslicht.de, die eine Art WIKI zum Problem der Fume Events werden soll.

Viele einzelne Informationen, die wichtig sind, finden nicht immer sofort Eingang in einen größeren Zusammenhangs-Text. Manche sind auch so relevant, dass man sie gezielt und alphabetisch sortiert, nachschlagen können sollte.

Um diese 'beiden Fliegen mit einer Klappe' zu schlagen, gibt es ab heute dieses "ABC Fume Event" - direkt aufrufbar und verlinkbar unter

Das Lexikon beginnt mit den folgenden 4 Stichworten, die mit Inhalten hinterlegt sind:

Weitere Stichworte und Inhalte werden folgen. Vorschläge sind jederzeit willkommen!

12. März: 1. Lesung

Die ausgeprochen geringe Anzahl der anwesenden Parlamentarier während der ca 30-minütigen ersten Lesung des Reformwerks zeigt das 'Interesse' der gewählten Volksvertreter an diesem Thema - obwohl jedes Jahr an die 50.000 Menschen durch das 'soziale Netz' des Systems der Gesetzlichen Unfallversicherung durchfallen. Und dabei "den Glauben an den Rechtsstaat verlieren", wie uns alle Betroffene sagen, die sich bei uns melden. Rechnet man die Enttäuschung auf die gesamte Familie um, so verlieren jedes Jahr über 100.000 Menschen den Glauben an Recht und Gesetz, allein durch die Nichtanerkennung ihrer beruflich verursachten Gesundheitsschäden.

Das geplante Reformwerk, das v.a. aus der Feder des GUV-Systems stammt, wird daran wenig ändern. Das, was nach Meinung von - vom GUV-System unabhängiger - Fachleute eigentlich notwendig wäre und was wir zusammengestellt haben unter www.ansTageslicht.de/Reform, findet nicht statt - ausgenommen der längst überfällige Ausbau des "Ärztlichen Sachverständigenrates 'BK", der jetzt mit einer sinnvollen Ausstattung versehen werden soll.

  • Die Rede der parlamentarischen Staatssekretärin beim BMAS, Kerstin GRIESE (SPD), bestätigt das. Sie sieht das "Reformwerk" v.a. in der "Entlastung von 4 Millionen Stunden" für die Bürger und "139 Millionen Euro für die Arbeitgeber". Grund: die "digitale Reform" des "Sozialstaats für die Zukunft" macht den Sozialstaat jetzt "einfacher und zugänglicher."
  • Die eigentlichen Probleme, die mit Berufskrankheiten zusammenhängen, werden ganz offensichtlich nur von der Fraktion DIE LINKE wahrgenommen. Sie hat deswegen auch einen eigenen Gesetzesantrag vorgelegt. Die Forderungen der LINKEN werden von ihrer Sprecherin Jutta KRELLMANN in ihrer Rede prägnant auf den Punkt gebracht: eine vom System der GUV unabhängige Forschung, Härtefallregelungen und kürzere Zeiträume bei der Anerkennung von BK's.
    Jutta KRELLMANN hat die Vorstellungen ihrer Partei und ihre Kritik an dem GroKo-Reformwerk in einem Beitrag für die Wochenzeitung Freitag zusammengefasst: Von Abest bis Staublunge

Die gesamte (kurze) Lesung ist in der Mediathek des Deutschen Bundestags zu sehen und zu hören.

Und sieht der

Fahrplan für das weitere Prozedere

aus:

Nach derzeitigem Stand (13. März) des "dynamischen Ausbruchgeschehens":

  • Am 25. März soll ds Reformwerk im dafür zuständigen Ausschuss "Arbeit und Soziales" abgehandelt werden
  • eine Anhörung von einigen Sozialverbänden ist für den 20. April vorgesehen.
  • Und die 2. und 3. bzw. letzte Lesung dann drei Tage später am 23. April.

An diesem Zeitplan lässt sich unmittelbar ablesen, welchen Sinn und welche Funktion die Anhörung drei Tage vor endgültiger Abstimmung haben wird.

14. Februar 2020

Seit Herbst 2019 sitzt die Bundesregierung, konkret das BMAS an einer "Reform" des BK-Rechts. Seit fast 20 Jahren mal wieder. Wir haben uns damit bereits a) ausführlich und b) kritisch befasst unter www.ansTageslicht.de/Reform.

Die Bundesregierung bzw. das von den "Sozialen" Demokraten (SPD) geführte BMAS möchte offenbar (mal wieder) vor allem die Interessen der Arbeitgeber bedienen bzw. vor alle die Vorschläge der DGUV berücksichtigen.

Dem versuchen sich inzwischen einige Bundesländer zu widersetzen, die recht unzufrieden sind mit dem a) seitens der Regierung vorgesehenen Gang der Dinge als auch b) mit den beabsichtigten Änderungen. Sie haben deshalb eine Stellungnahme über den Bundesrat verfasst, mit der sie

  • eine Härtefallklausel durchsetzen wollen in den Fällen, bei denen es um seltene Krankheitsbilder geht, für die sehr wenig oder keine Forschungsergebnisse über Wirkungszusammenhänge und/oder epidemiologische Studien vorliegen. Eine solche Klausel soll dann "restriktiv" angewendet werden (betrifft bisherigen § 9 SGB VII).
  • Und in Fällen, bei denen eine Fortführung einer versicherten Tätigkeit eine weitere Verschlimmerung des Krankheitsbildes eintreten würde, soll dies nun nicht mehr ausschließlich zu Lasten des Arbeitnehmers gehen bzw. darum, wie er deen sonst sein Einkommen erwirtschaften soll, sondern jetzt sollen die BGen "beim Arbeitgeber und bei den Versicherten darauf hinwirken, dass die Versicherten der gefährdenden Tätigkeit nicht mehr ausgesetzt sind."

Ausgesprochen originell liest sich zu letzterem die Begründung dazu:

"Der Arbeitgeber ist in der Pflicht, für Arbeitsbedingungen zu sorgen, bei denen Berufskrankheiten gar nicht erst entstehen."

Der Umstand, dass darauf - im Zusammenhang mit einer einzelnen vorgeschlagenen Regelung - darauf hingewiesen werden muss, scheint die Tatsache zu bestätigen, dass die "Refomer" noch immer nicht dieses grundlegene Problem erkannt haben. Und deswegen nicht bereit sind, eine Umkehr der Beweislast einzuführen. Vermutlich würde das den wirtschaftlichen Druck so erhöhen, dass es für die Unternehmen günstiger ist, ausreichende Vorsorgemaßnahmen zu treffen als hinterher für langfristige und oft irreparable Gesundheitsschäden aufzukommen. Nach diesem Prinzip funktioniert beispielsweise in den USA das Proudkthaftungsrecht: erfolgreich.

23. Oktober 2018

Ärztlicher Sachverständigenbeirat 'Berufskrankheiten' beim BMAS

Inzwischen hat das Gremium am 11. September 2018 getagt. Auf der Tagesordung auch der Punkt "Fume Events".

Dazu wurde Prof. Dr. Astrid HEUTELBECK, vormals Privatdozentin an der Uni Göttingen, nunmehr Professorin f. Arbeitsmedizin und Sozialmedizin an der Universität Jena, als "externe Sachverständige" gehört, die bis Ende 2017 am UMG in Göttingen die sog. Fume-Event-Sprechstunde abgehalten hatte. Diese musste allerdings schließen, weil die BG Verkehr sich geweigert hatte, die Kosten für Fume-Event-Betroffene weiter zu übernehmen, was eigentlich ihre Aufgabe wäre. 

Prof. HEUTELBECK hat dabei v.a. über ihre Erkenntnisse, sprich Erfahrungen und Krankheitsbilder ihrer über 350 Fume Event-Patienten berichtet. Dem Gremium, in dem mehrere Vertreter der sog. VALENTIN-Schule sitzen, reichen diese Informationen nicht:

"Nach Prüfung der vorgetragenen Erkenntnisse sowie der eingereichten Unterlagen kommt der Sachverständigenbeirat zu dem Ergebnis, dass derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen, in eine vertiefte wissenschaftliche Prüfung einzutreten. Derzeit sei die Erkennnislage noch unklar, es fehle an epidemiologischer Evidenz und weiterer 'peer reviewed literature' zum Thema 'Fume Events'", schreibt der zuständige BMAS-Beamte, Harald GOEKE (Abt. IV a 4) an die Patienteninitiative p-coc.com.

Jetzt kommt es darauf an, mit weiteren Studien diese (meist bestrittenen) Zusammenhänge zu untermauern. Dazu bedarf es entsprechender Gelder.