Fume Events
Wie schon mehrfach betont, dokumentieren wir (eigenlich) keine Fume Events (mehr). Dies hatten wir testweise für einige Jahre bis Ende 2016 unter www.ansTageslicht.de/incidents gemacht und mussten feststellen, dass es keine validen Zahlen dafür gibt. Die Meldewege sind a) weder einheitlich organisiert noch b) vorgeschrieben und die Airlines c) sind über derlei Meldungen 'not amused'. Folge: Das Bordpersonal gibt solche Hinweise nur ungern weiter. Bzw. nur dann, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Die zuständigen Aufsichtbehörden in Deutschland wie die BFU und das LBA erfahren davon nur punktuell und die EASA ohnehin äußerst selten, und es ist - wie es sich regelmäßig herausstellt - auch nicht ihr Interesse, solche Vorfälle aufzugreifen oder gar der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Darüber hatten wir an dieser Stelle bereits mehrfach berichtet.
Nun sind aktuell mehrere dramatischere Vorfälle bekannt geworden, die dem Aviation Herald zugetragen und von ihm nachrecherchiert worden sind. Dieser Blog ist die wichtigste Informationsquelle für diese Art von Vorkommnissen:
Fall 1
betrifft einen Lufthansa-Flug aus dem Jahr 2016, dessen Details erst jetzt an die Öffentlichkeit kommen: einen LH-Airbus A340-600, der am 10. Januar 2016 auf dem Weg von Hongkong nach München unterwegs war. Mehrere Flugbegleiter klagten über die allbekannten Symptome wie Schwindel, heftige Kopfschmerzen, Blick- und Konzentrationsstörungen. Drei von ihnen wurden so krank, dass sie seither arbeitsunfähig, sprich fluguntüchtig sind.
Die Maschine musste nach Landung 16 Stunden auf dem Boden bleiben, um das gesamte Textilequipment in der Kabine auszutauschen. Wie sich erst jetzt dem Aviation Herald bekannt wurde, war dies bereits der zweite von insgesamt 3 Fume Event-Vorfällen in Folge. Bereits auf dem Hinflug hatte es ein Fume Event gegeben. Tags drauf, am 12. Januar 2016 ereignete sich ein solches erneut, diesesmal auf dem Weg nach Dubai.
Die BFU, der diese Vorfälle offenbar wegen der Häufigkeit bekannt wurden, war nicht bereit, eine Untersuchung einzuleiten. Für sie sind derlei Vorkommnisse nicht beunruhigend und werden nur al "incident" eingestuft. Dass Flugpersonal dabei nachhaltig krank und arbeitsunfähig wird, stört die Aufsichtsbehörde nicht.
Die Lufthansa und die zuständige Berufsgenossenschaft hat den Vorfall der drei erkrankten Crewmitglieder als "Arbeitsunfall" eingestuft. Mit dem zusätzlichen Hinweis: "Gleichzeitig werden Entschädigungsleistungen ... über den 12.1. 2016 hinaus abgelehnt, da die von IHnen geklagten Beschwerden ursächlich nicht meher auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen sind."
Dazu hat der Aviation Herald ein Schreiben der Lufthansa an eines der Mitglieder des Kabinenpersonals online gestellt, in dem die Krankheitsbeschwerden aufgeführt sind.
Fall 2
ist nicht weniger dramatisch. Über diesen Vorfall hat sogar die Tageszeitung Die Welt am 10. Juni 2019 berichtet: "Beißender Geruch" in der Kabine eines Lufthansa-Jumbos.
Es geschah am 7. Juni 2019 und betraf einen Jumbo-Jet des Typs Boeing 747-8 der Lufthansa auf dem Weg von Mexiko. Der war bereits auf der Startbahn unterwegs, musste wegen des plötzich auftretenden "beißenden Geruchs" aber wieder umdrehen und zum Gate zurückkehren. Vier oder 5 der Besatzungsmitglieder wurden ins Krankenhaus gebracht.
Die Lufthansa ging offenbar auf Nachfragen der Zeitung nicht näher ein und sprach lediglich von einem "undefinierbaren Geruch" - um den üblichen Standardsatz ergänzt: "Die Sicherheit der Fluggäste und Besatzungsmitglieder hat für uns zu jeder Zeit oberste Priorität."#
Fall 3
ist wohl der dramatischste, weil er auch die beiden Piloten betraf, die aber - als Einzige in einem Flugzeug - auf Sauerstoffmasken zurückgreifen können (sofern sie dazu noch imstande sind).
Diesesmal betrifft es einen Airbus A 321 der British Airways von London nach Kopenhagen. Und es betraf die beiden Piloten, die sich beim Landeanflug mit Sauerstoffmasken 'retten' konnten. Sie mussten danach allerdings ins Krankenhaus. Der Rückflug musste um 29 Stunden verschoben werden.
Anmerkung
Wie üblich schweigen die Ämter. Und die Krankenhäuser. Die Airlines sowieso. Aus diesen Gründen ist regelmäßig nur wenig zur erfahren. Das aber wäre wichtig, um den (schlafenden) Politikern in dieser Sache die Dramatik vermitteln zu können.
Wir rufen daher das Flugpersonal aber auch die Passagiere (die in der Regel überhaupt nicht wissen, was da abgeht) auf, Meldungen zumindest an den Aviation Herald abzusetzen. Es ist dies der (bisher) einzige valide Informationskanal, der aber selbst auch weiß, dass er nur die Spitze des Eisbergs vermitteln kann.
Nach offiziellen Angaben selbst der Lufthansa, die sich dabei auf Zahlen des British Committee on Toxicity aus dem Jahr 2007 stützt, kommt es im Durchschnitt auf 2.000 Flügen zu einem Fume Event. Umgerechnet auf die Anzahl der Flüge allein der LH entspräche dies 10 Vorfällen pro Woche.