Das Transparenzbarometer - eine aktuelle Chronik

Intransparenz wird täglich durch unzählige Recherchen und Berichte in den verschiedensten Medien, Blogs und Websites durchbrochen. Dies ist auch die Aufgabe eines freien Mediensystems: Transparenz für das demokratische Zusammenleben herzustellen, in dem sich jeder informieren, eine Meinung bilden und danach handeln kann. 

In der hiesigen aktuellen chronologischen Liste sollen vor allem strukturelle Transparenz-Entwicklungen dargestellt werden: Vorgänge, die seitens der Politik, der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, aber auch durch Medien angestoßen werden, die nachhaltige(re) Folgen für mehr Transparenz haben. Direkt aufrufen oder verlinken lässt sich diese Site unter www.transparenzbarometer.de.

Hier geht es zurück zur Übersicht der gesamten Transparenz-Site von ansTageslicht.de, zu der auch dieses Transparenzbarometer gehört. 

6. August 17

"Bitte schau schon mal rein!"

Gemeint: in die beabsichtigte Regierungserklärung zum Thema VW und Dieselbetrug, die der niedersächsische Ministerpräsident Stephan WEIL (SPD) dann am 13. Oktober 2015 - kurz nach Auffliegen der flächendeckend eingesetzten Betrugssoftware - vor den Landtagsabgeordneten und der Bevölkerung gehalten hatte. "Reingeschaut" hatte der VW-Konzern. Konkret: Der VW-Generalbevollmächtigte für Außen und Regierungsbeziehungen, Thomas STEG (ebenfalls SPD), der vormals Pressesprecher der SPD in Niedersaschsen war. Außerdem: der Aufsichtsratsvorsitzende des VW-Konzerns Hans-Dieter PÖTSCH, der zuvor Finanzvorstand des VW-Konzerns war. 

BILD am Sonntag hat dies publik gemacht und dabei einen namentlich unbekannten Mitarbeiter der VW-Kommunikationsabteilung zitiert, der sagte "Wir haben die Rede umgeschrieben und weichgespült."

WEIL's Staatskanzlei reagiert darauf mehr als verärgert, spricht von "grob verzerrender und irreführender Berichterstattung."

Und will mit einem Beispiel deutlich machen, dass dies nur marginal zutrifft und alle relevanten Bewertungen erhalten geblieben waren. Auf der Website nennt WEIL's Pressesprecherin Anke PÖRKSEN diese Passage: 

  • Ursprüngliche Formulierung:
    "Die amerikanischen Behörden setzten sich mit Volkswagen in Verbindung und mehr als ein Jahr lang fanden Gespräche statt. Erst im August 2015 räumte Volkswagen zunächst mündlich und später Anfang September 2015 auch schriftlich die Manipulation ein, anstatt dies klar und deutlich von Anfang an zu tun - ein weiterer schwerer Fehler."
  • VW-Änderungsvorschlag:
    „Die amerikanischen Behörden setzten sich mit Volkswagen in Verbindung und mehr als ein Jahr lang fanden Gespräche statt, bis schließlich Anfang September die Manipulation eingeräumt wurde."
  • Endgültiger Redetext des niedersächsischen Ministerpräsidenten WEIL:
    „Die amerikanischen Behörden setzten sich mit Volkswagen in Verbindung. Mehr als ein Jahr lang fanden Gespräche statt, bis Volkswagen die Manipulation eingeräumt hat. Dieses Eingeständnis hätte sehr viel früher erfolgen müssen. Ein weiterer schwerer Fehler."

Ergebnis:
Die Salamitaktik des VW-Konzerns, "zunächst mündlich" Betrügereien zuzugeben und dann, wenn es nicht mehr anders geht, dies "auch schriftlich" eingestehen zu müssen, wurde eindeutig entschärft. Bzw. "weichgespült", wie es der Informant von BILD am Sonntag sagte.

"Bitte schau schon mal rein, ob da irgendetwas drin steht, was so gar nicht Euren faktischen oder rechtlichen Erkenntnissen entspricht", hatte es in der Email an den VW-Konzern bzw. den Parteifreund STEG geheißen, der für VW im Hintergrund die Strippen zieht.

Für WEIL, der für das Land Niedersachsen bzw. dessen 20%ige Beteiligung an VW im Aufsichtsrat sitzt, ein normaler Vorgang. Er beruft sich auf die Verantwortung in dieser Funktion dem Konzern gegenüber. Allerdings bleibt die Frage, ob ein "Aufsichtsrat" eher Bestandteil iner institutionellen Wagenburgmentalität oder ein Controlling-Organ ist (das eigentlich solche Fehlentwicklungen wie flächendeckenden Betrug an Verbrauchern, Staat, Menschen und Umwelt verhindern sollte).

13.Oktober 2016

"BILD siegt nach sieben Jahren vor Gericht",

lautet die Überschrift der BILD-Zeitung in Sachen Luxusfüller-Affäre im Bundestag. Im November 2009 hatte das Blatt enthüllt, dass sich kurz vor Ende der 16. Legislaturperiode 115 Abgeordnete, vornehmlich aus CDU und CSU, noch auf die Schnelle mit 396 Edelfüllern und anderer edler Schreibgeräte der Marke Montblanc eingedeckt hatten. Wert: 68.800 Euro.

Bundestagspräsident LAMMERT weigerte sich, die Namen zu nennen, woraufhin BILD vor Gericht zog (siehe die Einträge vom 9. und 24. August 2016). Das Verwaltungsgericht hatte zuletzt im Juli 2016 entschieden, dass LAMMERT zumindest jene sechs Namen herausgeben müsste, die durch einen besonders intensiven Konsum der Luxusfüller aufgefallen waren. LAMMERT gedachte dieses Urteil zu missachten. BILD hatte daraufhin erneutr geklagt und nun am 11. Oktober vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg auch Recht bekommen. Zitat aus dem unanfechtbaren Beschluss (Az: OVG 6 S 23.16):

"Dem Auskunfts­an­spruch stehen nach Ansicht des 6. Senats die Inter­essen der sechs Abge­ord­neten am Schutz ihrer personen­bezo­genen Daten nicht entge­gen, weil bei ihnen konkre­te Anhalts­punk­te für einen Miss­brauch bei der Ab­rech­nung vorliegen, die die Bundes­tags­ver­wal­tung nicht ent­kräf­tet hat. Einzel­ne Abge­ord­nete haben die Anschaf­fun­gen in zeit­licher Nähe zum Ablauf der Legis­latur­per­iode getä­tigt, obwohl bereits fest­stand, dass sie aus dem Bun­des­tag aus­schei­den. Teil­weise spricht auch die An­zahl der erwor­benen Mont­blanc-Schreib­geräte inner­halb eines begrenz­ten Zeit­raums für einen mögli­chen Miss­brauch. Ob der/die Abge­ord­nete selbst oder ein Mit­arbei­ter/eine Mit­arbei­terin für die Bestel­lun­gen verant­wort­lich ist, ist für den presse­recht­lichen Aus­kunfts­an­spruch uner­heb­lich. Eben­so wenig kommt es da­rauf an, ob der/die Abge­ord­nete irrtüm­lich davon ausge­gan­gen ist, dass sich das Recht zu derarti­gen Bestel­lun­gen aus dem Sach­lei­stungs­konto auch auf die Aus­stat­tung des jewei­ligen Wahl­kreis­büros erstreckt."

Die Weigerung LAMMERT's mag auch damit zusammenhängen, dass er zwar nicht auf der Liste der 6 "Raffkes" (O-Ton BILD) steht, sich aber ebenfalls 8 Luxuschreibgeräte von Montblanc gegönnt hatte. 

Dieser Beschluss reiht sich in jene Kette ein, in der auf entsprechende Auskunftsklagen hin der Bundestag tatsächlich nach und nach transparenter wird. So hatte abgeordnetenwatch erfolgreich auf die Offenlegung der Nebeneinkünfte der MdB's geklagt (9. August 2016); DIE WELT konnte erreichen, dass die vom seinerzeitigen Bundesverteidigungsminister beim Wissenschaftlichen Dienst für seine (Plagiats)Dissertation bestellten Ausarbeitungen bekannt gemacht werden müssen (25. Juni 2015). 

24. August 2016

BundestagVergoldete Montblanc-Füller im Bundestag

Die BILD-Zeitung lässt sich locker. Obwohl sich Bundestagspräsident LAMMERT nach wie vor weigert, einen entsprechenden Gerichtsbeschluss anzuerkennen (siehe Eintrag 9. August), legt die Zeitung eine erste Liste jener Abgeordneten vor, die sich Luxus-Füller für teilweise über 600 Euro gleich mehrfach über ein Sachmittelkonto des Bundestags angeschafft haben.

An der Spitze der Luxusfüller-Freunde bzw. "Montblanc-Raffkes" (BILD) steht jetzt Ronald POFALLA (CDU), ehemals im Kanzleramt (hatte im August 2013 großspurig verkündet, die NSA-Affäre sei beendet), nun als Vorstand bei der Deutschen Bahn. Er hat sich zwischen 2006 und 2009 insgesamt 39 (in Worten: Neununddreißig) Montblanc-Luxus-Schreibgeräte nebst Tintenfässer aus reinem Bleikristall und anderen diversen Montblanc-Accessoires zugelegt. Wert: 14.722,32 Euro.

Dass BT-Präsident sich weigert, den Gerichtsbeschluss zu akkzeptieren, nach dem er die Namen der 5 größten Montblanc-Füller-Abgeordneten bekanntgeben muss, mag auch damit zusammenhängen, dass er zwischen 2006 und 2009 selbst neun dieser Luxus-Schreiber geordert hat. Wert: 1.350 Euro. Nur für Schreibgeräte.

9. August 2016

BILD-Zeitung vs. Bundestagsverwaltung: Luxus-Schreibgeräte

BILD hatte im November 2009 groß daarüber berichtet, dass 115 Bundestagsabgeordnete innerhalb von zehn Monaten Luxus-Füller der Marke Montblanc im Wert von 68.000 Euro über ein Sachleistungskonto des Bundestags gekauft hatten. Weiter hatte das Blatt ermittelt, dass sich ein MdB an seinem letzten Tag vor Beendigung der Legislaturperiode 12 Montblanc-Füller im Wert von 1.901,34 Euro noch schnell angeschafft hatte: 3 Füller zu je 227,27 €, 3 Kugelschreiber á 169,65 €, 3 Drehbleistifte zu je 169,65 € sowie 3 Etuis zu je 67,21 €.

Nun wollte BILD solche Informationen von allen Bundestagsabgeordneten haben. Dies verweigerte die Bundestagsverwaltung. BILD klage sich durch alle Instanzen und unterlag am 16.3.2016 vor dem Bundesverwaltungsgericht (Az: 6 C 65.14). Tenor: Man könne von einzelnen Fällen nicht auf die Gesamtheit schließen.

Allerdings ließen die Richter ein Hintertürchen offen: "Das Prinzip der Freiheit verlangt hier, dass zwar ein Missbrauch aufgedeckt sowie gezielt und konsequent offengelegt wird, nicht aber, dass aus dem möglichen abweichenden Verhalten einzelner weniger Abgeordneter ein genereller Verdacht gegen sämtliche Abgeordnete hergeleitet wird und personenbezogene Daten vollumfänglich zugänglich gemacht werden."

Nun hat BILD erneut geklagt und möchte die entsprechenden Informationen der "sechs schlimmsten Fälle". Das Berliner Verwaltungsgericht hat diesem Begehren stattgegeben (Az: 27 L 344/16).

Bundestagspräsident LAMMERT indes (ver)weigert sich erneut - wie meist in solchen Fällen, wenn es um das IFG und Auskunftsbegehren der Medien und der Öffentlichkeit geht. BILD hat deswegen eine einstweilige sofort vollziehbare Anordnung durchgesetzt. LAMMERT weigert sich immer noch. Jetzt hat BILD die Festsetzung und Vollstreckung von 10.000 € Zwangsgeld beantragt.

Die Chancen für BILD stehen gut. Wenn man Behörden Zwangsgelder androht, reagieren sie: Es gibt nämlich keinen Haushalts-Etat für derlei Zwangsmaßnahmen.

Zu diesem Mittel hatten beispielsweise im Jahr 2012 auch 2 Freie Journalisten gegriffen, die im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die olympischen Spiele in London die finanziellen Ziel- und Leistungsvereinbarungen des BMInn einsehen wollten. Auch sie bekamen vom Verwaltungsgericht grünes Licht. Der Bundesinnenminister (zuständig für die Sportförderung) indes weigerte sich hartnäckig. Erst als der Gerichtsbeschluss einer Zangsmaßnahme (10.000 €) ausgestellt war, gab der damalige Minister nach. Und die angefragten Informationen heraus (siehe unter www.ansTageslicht.de/Sportfoerderung).

25. Juni 2015

Bundestag

 Bundestag muss Unterlagen über Karl-Theodor zu GUTTENBERG herausgeben

Die Ausarbeitungen des "Wissenschaftlichen Dienstes" des Bundestages, der auf Anfragen einzelner Abgeordneter hin tätig wird und in der Regel schriftliche Ausarbeitungen zwischen 10 und 20 Seiten zu unterschiedlichen Fragestellungen anfertigt, sind - im Gegensatz zur Bundestagsverwltung - nicht "geheim", sondern unterliegen dem Auskunftsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Dies hat das Bundesverwaltungsgericht, Az: 7 C 1.14 sowie 7 C 2.14 entschieden. Die schriftliche Begründung liegt noch nicht vor.

Geklagt hat die Redaktion DIE WELT. Sie wollte Einblick in jene Unterlagen nehmen, die der ehemalige Bundestagsabgeordente zu GUTTENBERG sich vom wiss. Parlamentsdienst zusammenstellen ließ, um damit seine später als fast durchgehendes Plagiat enttarnte "Doktorarbeit" zu schreiben. Die Redakteure wollten der Frage nachgehen, ob der Bundestag im Jahr 2011 dem Verdacht von Urheberrechtsverstößen ausreichend nachgegangen war.

Die Vorinstanz, das OVG Berlin-Brandenburg gab noch der Bundestagsverwaltung recht. Dieses Urteil (Az: 12 B 21.12) ist nun aufgehoben. Das oberste Gericht hat endgültig und eindeutig entschieden.

Die Bundestagsverwaltung hat sich von RA Gernot LEHR vertreten lassen, der als "Medienrechtler" in der Bonner Prominentenkanzlei Redeker Sellner Dahs arbeitet. LEHR beschwor vor Gericht die Gefahr eines "öffentlichen Rechtfertigungsdrucks" für die Bundestagsabgeordenten.

Gernot LEHR taucht oft dann auf der Bühne auf, wenn es darum geht, Informationsfreiheit und Transparenz einzudämmen. So hat er beispielsweise Ex-Bundespräsident Christian WULFF vertreten oder Papst Benedikt XVI, der der Satirezeitschrift ein Titelbild untersagen ließ. Oder den WDR, als der sich einemAuskunftsersuchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz eines Journalistengegenüber sah. Hier hatte Gernot LEHR ebenfalls 'verloren'