Die Handlanger der Dresdner Bank: Albrecht ASCHOFF und Hilar(ius) GIEBEL

Und welche Rolle sie bei der Arisierung der Engelhardt-Brauerei gespielt hatten

Auch diesel Kapitel stellt eine Fortsetzung dar: Was aus den Ariseuren und Profiteuren nach 1945 wurde, nachdem sie im "Tausendjährigen Reich" (das nicht einmal 13 Jahre durchgehalten hatte) eine Aktive Rolle bei der Enteignung von Ignatz NACHER und seiner Engelhardt-Brauerei gespielt hatten, nachzulesen unter www.ansTageslicht.de/Nacher.

Hier jetzt Teil III dieser Serie:


Dr. Albrecht ASCHOFF (NSDAP, FDP)

So war es öfters: vormals in der NSDAP, nach 1945 in der FDP. Und dort weit oben angekommen.

Ignatz NACHER hatte sich 1933 Rechtsanwalt Albrecht ASCHOFF selbst ausgesucht, als er sich gegen die juristischen Sticheleien der neuen Hauptverwaltung seiner eigenen Brauerei erwehren und sich im Strafprozess gegen ihn wegen "Beihilfe zur aktienrechtlicher Untreue" anwaltlich vertreten lassen musste. ASCHOFF war mit dem von Adolf HITLER und Joseph GOEBBELS unmittelbar nach der sogenannten Machtergreifung eingesetzten "Staatskommissar für Berlin" Julius LIPPERT bekannt. Und LIPPERT wollte Ignatz NACHER die Mehrheit seiner Engelhardt-Brauerei-Aktien abzwingen. NACHER hatte offenbar die Hoffnung, dass es mit diesem Anwalt nicht ganz so schlimm kommen würde.

Doch es war Rechtsanwalt Albrecht ASCHOFF, der am 31. August 1934 in der Gefängniszelle dem dort einsitzenden Ignatz NACHER bedeutete, dass er "nur fünf Minuten von der Gefängnisleitung" bekommen habe, um NACHER dazu zu bringen, die längst vorbereitete Vollmacht zu akzeptieren. "Wenn Sie die vorbereitete Vollmacht nicht unterschreiben, können wir Ih­nen nicht mehr helfen", so seine überlieferten Worte.

Mit der unterschriebenen fünfseitigen Vollmacht in der Tasche tauchte ASCHOFF dann tags drauf zunächst bei der "Borussia AG für Brauereibeteiligungen" auf, deren Mehrheitsaktionär Ignatz NACHER war und über die er wiederum eine maßgebliche Beteiligung an der Engelhardt-Brauerei hielt. ASCHOFF konnte als Alleinbevollmächtigter auf die Schnelle eine "außerordentliche Generalversammlung" einberufen.

Mit der Vollmacht befanden sich auch alle Aktien in der Verfügungsgewalt von Albrecht ASCHOFF, der dem mitgebrachten Notar die Anteilsscheine im Wert von 1 Million Reichsmark auf den Tisch blätterte, um zu belegen, dass das gesamte Aktienkapital vertreten sei. Dann der einzige Tagesordnungspunkt: Wahl eines neuen Aufsichtsratsvorsitzenden. Der hieß nun Albrecht ASCHOFF und nicht mehr Ignatz NACHER.

In dieser Funktion tauchte Albrecht ASCHOFF dann wenige Tage später bei der Dresdner Bank auf: "Mein Auftraggeber verpflichtet sich", alle Engelhardt-Aktion "an die Dresdner Bank zu verkaufen."

Damit war Ignatz NACHER alle seine Aktien los, die er direkt und indirekt über die "Borussia AG" an der Engelhardt-Brauerei besessen hatte. Der gesamte Ablauf ist detailliert rekonstruiert unter www.ansTageslicht.de/Engelhardtbrauerei.

Wehrmacht: Ausplünderung anderer Länder

Mit dieser Aktion verabschiedete sich RA Dr. Albrecht ASCHOFF vorerst aus dem Juristenleben, nicht ohne vorher seine "Kostennote" in Höhe von 58.750 RM auch gleich vom NACHER'schen Privatkonto liquidiert zu haben. ASCHOFF meldete sich bei der Wehrmacht, stieg in die Offizierslaufbahn ein und kam schnell voran. Bis zum Oberstleutnant wird er es bringen. Der Zweite Weltkrieg bescherte ihm ein abwechslungsreiches Betätigungsfeld: geographisch und inhaltlich.

Mit der Panzerarmee unter dem Generalleutnant Hans-Jürgen von ARNIM nahm er an der Unterwerfung sowjetischer Territorien teil, übernahm danach wehrwirtschaftliche Funktionen, ließ in diesem Zusammenhang riesige Phosphatvorkommen in Tunesien beschlagnahmen, um sie für die kriegswirtschaftliche Produktion in Deutschland einzusetzen, wurde dann Chef des Stabes "Rüstung und Kriegsproduktion"(RuK) der Militärverwaltung beim Militär-Oberbefehlshaber Oberitalien. Mit Italien bzw. Benito MUSSOLINI war Deutschland verbündet, weshalb man bei der Ausbeutung der Ressourcen eleganter vorgehen musste, wie ASCHOFF in einem Schreiben die Notwendigkeit der Gründung der Tarnfirma "Safta Roma" erklärte:

"Die Arbeit im Gebiet des O.B. Süd stand militärisch und wirtschaftlich unter dem Gesichtspunkt der Ausräumung, d.h.nicht des Aufbaues, sondern des Ausbaues der Wirtschaft. Dasselbe gilt für den Ausbau und Abtransport wichtiger Maschinen und Anlagen, die im Reich eingesetzt werden sollen.
Daneben gibt es - wie die zwischenzeitlichen Erfahrungen bestätigt haben - eine grosse Menge interessanter Waren aller Art, die dem behördlichen Zugriff entzogen sind oder werden, die aber für die deutsche Kriegswirtschaft von Bedeutung sind. Diese Waren können nicht durch Beschlagnahme, sondern nur auf privatwirtshaftlichem Wege, d.h. Kauf - möglichst über eine Tarnfirm herausgelockt werden."

1945 wird ASCHOFF von sowjetischen Truppen festgenommen und in die Sowjetunion verbracht, wo er wegen "Kriegsverbrechen" bis 1955 in Haft gehalten wird.

Karriere in der FDP

Zurück in der Heimat, die nun Bundesrepublik Deutschland heißt, steigt ASCHOFF erneut in seinen ursprünglichen Beruf jetzt in Essen ein und ebenso in die Geschäftsführung des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau in Essen.

Gleichzeitig wird ASCHOFF politisch aktiv. Als ehemaliges NSDAP-Mitglied seit 1. Mai 1933 (Mitgliedsnummer 2849058) kommt dafür die FDP ("Freie Demokratische Partei") in Frage - zu dieser Zeit bevorzugtes Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten, die von allem, was früher war, nichts mehr wissen wollen.

Auch dort kommt Dr. Albrecht ASCHOFF schnell voran:

  • Ratsherr in Essen,
  • Vorsitzender des Bezirksverbands Ruhr und
  • Vorsitzender des Landesvorstandes der FDP von Nordrhein-Westfalen,
  • Mitglied im Bundeshauptausschuss der FDP,
  • Parlamentsabgeordneter im Deutschen Bundestag
  • dort Mitglied im wirtschaftspolitischen Ausschuss,
  • danach Mitglied im Europäischen Parlament,
  • zuletzt (ab 1970) Vizepräsident des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG).

1972 stirbt ASCHOFF im Alter von 73 Jahren.

Wie man seinen Lebenslauf schönen und alles weglassen kann, was nach 1945 nicht mehr so gut ankommt, lässt sich im "Biographischen Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949-2002" nachlesen: dort auf S. 23 unter "Aschoff, Albrecht".


Dr. Hilar(ius) GIEBEL

"rücksichtsloser Geschäftemacher"

"Dr. G. wird allgemein als rücksichtsloser Geschäftemacher geschildert, der in Handelskreisen als 'Ausschlachter' bezeichnet wird", heißt es in einem "vertraulichen" Schreiben aus dem Jahr 1939, das ein Mitarbeiter des Amtes für Fernmeldewesen an den Leiter des "Reichshauptamts für Volkswohlfahrt" abgesetzt hatte. Zweck des Schreibens: Die Ehefrau von Hilar GIEBEL, Charlotte GIEBEL, sei als "Vollblutjüdin" geboren und habe erst die evangelische Religion angenommen bevor sie dann anläßlich der Heirat von "Dr. G." zum katholischen Glauben konvertiert sei. "Es ist daher nachzuprüfen, ob Dr. Giebel tatsächlich mit einer Jüdin verheiratet ist, falls ja ist Antrag beim zuständigen Hoheitsträger zu stellen, dass Dr. Giebel entsprechend den Richtlinien des Amtes für Mitgliedschaftswesen aus der Partei entlassen wird", endet die "vertrauliche Aktennotiz".

Hilar GIEBEL, NSDAP-Mitgliedsnummer (seit 1. Mai 1933) 1629988, ist mit einer jüdisch geborenen Frau verheiratet. Das vertrauliche Schreiben zeigt Wirkung: GIEBEL wird aus der Partei exkommuniziert, Parteigericht und Kreisgericht pflichten dem bei, ebenso das Oberste Parteigericht der NSDAP. Da helfen auch seine Referenzen nicht und ebenso wenig, dass er mit Hjalmar SCHACHT befreundet ist, dem Präsidenten der Deutschen Reichsbank, der gleichzeitig vorübergehend auch noch als Reichswirtschaftsminister agiert. Auch seine Ansage, seine Frau Gemahlin wäre garnicht die Tochter des leiblichen Vaters, sondern deren Mutter wäre fremd gegangen - mit einem Arier (natürlich) und so sei seine Gattin Charlotte demnach zumindest als Halbjüdin einzustufen: Niemand glaubt ihm das. GIEBEL stellt ein Gnadengesuch an den "Stellvertreter des Führers": abgelehnt. Die Partei versteht in dieser Hinsicht keinen Spaß.

Seiner Karriere in der Wirtschaft hat das keinen Abbruch getan. Er war bereits vor der sog. Machtergreifung  in viele Aufsichtsratsgremien hineinzukommen, wurde Direktor und Mitglied des Vorstandes einer bekannten Berliner Telefonfabrik. Seine Geschäftsmethoden waren dabei offenbar recht nützlich, und wenn man dem "vertraulichen Aktenvermerk" Glauben schenken darf, hatte Hilarius GIEBEL nach dem ersten Weltkrieg im Alter von 35 Jahren "allerhand Geschäfte" betrieben, beispielsweise "Verschrottungen, Vertrieb von Militärautos, Heeresgut usw". Die Rechnungen ließ er - sicherheitshalber - über seine jüdische Schwiegermutter laufen, offenbar waren sie nicht alle 'koscher'. Aber finanziell lohnend, denn GIEBEL logierte inzwischen in einer 7-Zimmerwohnung in Berlin-Schöneberg: Am Stadtpark 13.

Als sich 1933 der neue Zeitgeist durchsetzt, der als "Tausendjähriges Reich" ein neues Zeitalter begründen soll, und sich in diesem Zusammenhang neue Geschäftsfelder auftun, weil die "jüdischen Elemente" aus dem Wirtschaftsleben und allen öffentlichen Positionen herausgedrängt werden sollen, tritt GIEBEL am 1. Mai, als das große Schaulaufen der Neuen Bewegung beginnt, in die NSDAP ein. Weiteres Zögern könnte sich nur nachteilig auswirken, wenn man auf der neuen Welle ganz oben mitschwimmen möchte.

"Industrieberater der Dresdner Bank"

Auch die Dresdner Bank möchte das. Über den Vorstandschef der Bank, "Prof. Dr. Emil Heinrich MEYER", dem Schwager von Wilhelm KEPPLER, der als Wirtschaftsberater von Adolf HITLER agiert und Industrielle und Bankiers an die Partei binden möchte, verfügt man über allerbeste Kontakte und ein entsprechendes Netzwerk, in das sich Hilar GIEBEL einschleusen kann.

Dr. Hilar GIEBEL avanciert zum "Industrieberater der Dresdner Bank". So steht es auf seiner Visitenkarte.

Eine seiner ersten Amtshandlungen in dieser neuen Funktion spielt sich in der Berliner Engelhardt-Brauerei ab. Die "Nationale Erhebung" will aus dem "Judenbier" des Brauereichefs Ignatz NACHER ein arisches Vorzeigeunternehmen machen. Eine nationalsozialistische Betriebszelle hat sich in Deutschlands zweitgrößtem Bierkonzern zwar noch nicht bilden können, aber ein Teil der Belegschaft hat zumindest die Einstellung eines "Kommissars der NSDAP für die Engelhardt-Brauerei" durchgesetzt. Die offizielle Losung des neuen "Staatskommissars für Berlin" Julius LIPPERT, die "Säuberung von jüdischen und korrupten Elementen" soll auch hier stattfinden. Und zwar schnell.

Arisierung der Engelhardt-Brauerei

Weil die Dresdner Bank Aktienanteile an der Brauerei besitzt, die sie gerne aufstocken möchte, und weil sie gleichzeitig auch Keditgeber ist und selbst mit dem jüdischen Reinemachen in den eigenen Reihen zugange ist, schickt sie zwei neue ‚Mitarbeiter‘ in den Aufsichtsrat: einen ihrer Bankdirektoren, Alfred HÖLLING, und ihren "Industrieberater" GIEBEL. Dort hat sie schon seit jeher Vertreter aus den eigenen Reihen sitzen und bis vor kurzem auch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats gestellt, der aber als Jude für die Bank nicht mehr tragbar war. In dieser neuen Funktion bilden HÖLLING und GIEBEL einen informellen "Arbeitsausschuß", der etwas mehr Dampf in die Sache bringen soll.

Erste "Juden" bei Engelhardt wurden durch den neuen „Kommissar“ bereits entlassen. Jetzt ist der jüdische Generaldirektor und Mehrheitsaktionär Ignatz NACHER an der Reihe. Und seine Vertrauensleute, teilweise Verwandte, die mehrere Schlüsselpositionen begleiten. Diese Vorgänge in den Jahren 1933 und 1934 sind detailliert dokumentiert unter www.ansTageslicht.de/Engelhardtbrauerei.

Bei dieser neuen Aufgabe fühlt sich Hilar GIEBEL offenbar ganz in seinem Element. Er schießt aus allen Rohren gegen alle, die jüdisch sind, und insbesondere gegen Ignatz NACHER und dessen Vertrauten. Dazu lässt er sich zusätzlich in den Vorstand delegieren. Jetzt ist er beides: Vorstandsmitglied und Aufsichtsrat. Und verdient auch Geld in beiden Funktionen. Doppelt - bzw. gerne auch dreifach - zu kassieren ist eine Spezialität von Dr. Hilar GIEBEL, wie es schon in dem "vertraulichen Aktenvermerk" beispielhaft heißt, der allerdings erst 6 Jahre später zu Papier gebracht werden wird.

Handelsrechtlich ist das verboten, dass ein zu Kontrollierender (Vorstand) gleichzeitig als Kontrolleur (Aufsichtsrat) agiert. Aber in Zeiten eines Umbruchs geht vieles drunter und drüber. Das Handelsregister wird diesen Umstand erst später bemerken und monieren.

Der neue NSDAP-"Staatskommissar für Berlin" und der "Industrieberater der Dresdner Bank" arbeiten nun indirekt zusammen. Beide nehmen Ignatz NACHER in die Zange.

Der "Staatskommissar", der Berlin von "jüdischen und korrupten Elementen befreien" soll, hat einen Tipp bekommen und tischt Ignatz NACHER eine alte Geschichte auf: NACHER soll beim Verkauf des am Alexanderplatz gelegenen Engelhardt-Hauses an die Stadt Berlin vor vier Jahren Bestechungsgelder gezahlt haben. Der "Staatskommissar für Berlin" will jetzt eine Entschädigung haben: Die Aktienmehrheit an der Engelhardt-Brauerei. Aktien im Wert von 2,5 Millionen Reichsmark.

Der "Staatskommissar" droht mit Gefängnis. Dort sitzen bereits andere jüdische Manager in Haft. NACHER bleibt nichts anderes übrig, als dieser Erpressung nachzugeben.

Und damit kommt der "Industrieberater der Dresdner Bank" ins Spiel. NACHER hält seine Aktien an der Brauerei über seine Holding "Borussia". An der ist er selbst zu 51% beteiligt und seine Brauerei, deren Aktienmehrheit er hält, zu 49%. Muss NACHER seine Aktien hergeben, schmälert das den Wert der Holding auch für die Engelhardt-Brauerei, in der jetzt Nazis das Sagen haben: anteilig um 49%, ein wirtschaftlicher Schaden.

Dafür macht der "Industrieberater der Dresdner Bank" Hilar GIEBEL jetzt NACHER verantwortlich. Und besteht auf Regress.

NACHER wehrt sich vor Gericht, GIEBEL ist außer sich: "Ich werde Nacher 20 Prozesse anhängen und dafür sorgen, dass er das Land am Bettelstab verlässt", kommuniziert er in alle Richtungen.

Und so nehmen die Auseinandersetzungen ihren Lauf. Entsprechende Informationen an die Presse seitens der neuen Engelhardt-Brauerei-Verwaltung sorgen für Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und Unsicherheit bei den Aktionären. Ignatz NACHER gerät unter Druck, versucht gegenzuhalten, kann aber bei dieser Übermacht nur verlieren, Dr. Hilarius GIEBEL spricht von einer "überaus gehässigen Kampfweise, deren Herr Nacher sich in diesem Kampfe bediene."

Die Engelhardt-Brauerei kündigt Ignatz NACHER das zuvor vereinbarte Pensionsabkommen, obwohl er vorher 'freiwillig' auf seinen Generaldirektorenposten verzichtet hatte, GIEBEL feuert die letzten verbliebenen NACHER-Getreuen aus dem Unternehmen. Die Vorgänge ziehen sich über fast zwei Jahre hin, NACHER wird zwei Male ins Gefängnis gesteckt und dort presst man ihm 1934 die letzten Vermögenswerte ab - alles ausführlich dokumentiert unter www.ansTageslicht.de/Engelhardtbrauerei.

Und noch eine Intrige

Der "Industrieberater der Dresdner Bank" gibt auch jetzt noch keine Ruhe. Ignatz NACHER hatte - seit langer Zeit und für den Fall der Fälle - einem engen Vertrauten Generalvollmacht erteilt: einem bekannten und anerkannten Wirtschaftsingenieur, Dr. und Dr.-Ing. Waldemar KOCH, der neben seinem eigenen Wirtschaftsprüfungsbüro auch an der Technischen Universität Berlin doziert. KOCH hatte sich auf der Hauptversammlung der Engelhardt-Brauerei 1934, als es um die Entlastung des ehemaligen Generaldirektors Ignatz NACHER ging, natürlich für diesen eingesetzt. Zum großen Ärger des Dr. Hilarius GIEBEL, denn das Wort des bekannten Wirtschaftsexperten zählte.

GIEBEL fädelt eine erfolgreiche Intrige ein und schreibt an einem ihm gut bekannten Kriminalpolizisten, von dem er weiß, dass er weiß, was zu tun ist:

"Unter Bezugnahme auf die heutige Rücksprache bestätige ich folgendes: ... Nacher hat in unglaublicher Weise mit den Interes­sen der Gesellschaften gewirtschaftet. Es handelt sich um stin­kende jüdische Interessen allerschlimmster Art, die Koch jetzt vertritt.... Ich weiß nicht, ob es sich mit dem Ansehen der Technischen Universität vereinbart, wenn ein dort dozierender Lehrer in solcher Weise auftritt, öffentlich verprügelt wird und als Interessenvertreter einer Persönlichkeit wie die des Herrn Nacher handelt, ... über die ich Ihnen Akten beifüge. ... Ich stelle Ihnen anheim, von diesem Schreiben jeden Gebrauch zu machen.

Mit deutschem Gruß,

gez. Giebel, Delegierter Auf­sichtsrat der Engelhardt-Brauerei AG u. industrieller Berater der Dresdner Bank"

GIEBEL's Schreiben zeigt Wirkung.

Der Polizeibeamte tut, wie ihm befohlen, und schreibt seinerseits an den Rektor der Technischen Universität Berlin: KOCH solle unverzüglich entlassen werden, denn KOCH sei obendrein mit einer Jüdin verheiratet, also jüdisch versippt. Die TU, bei der sich inzwischen ebenfalls der neue Zeitgeist festgesetzt hat, entzieht Waldemar die Lehrbefugnis.

Und die Abt. "Stapo D2" innerhalb der Gestapo notiert sich:

  • "festgenommen wegen Störung der deutschen Wirtschaft".
  • "Von der Liste der deutschen Ingenieure gestrichen."

Inzwischen meldet sich das Berliner Handelsregister und moniert die Doppelfunktion von GIEBEL, der sofort als Vorstandsmitglied zurücktritt - die eigentliche Arbeit ist ja inzwischen erledigt. Der Engelhardt-Brauerei bleibt er weiterhin als Aufsichtsratsmitglied verbunden, denn für diesen Job, der wenig Arbeit macht, gibt es gutes Geld. Und Aufsichtsratsmandate zu sammeln, ist eine weitere Spezialität des "Industrieberaters" der großen und inzwischen einflussreichen Bank.

Nach der Arisierung

An die zehn Aufsichtsratsmandate sammelt Dr. Hilar(ius) GIEBEL ein. Alle mit entsprechendem Salär verbunden. Das interne Schreiben, das wir eingangs erwähnt haben, belegt beispielhaft eine weitere geschäftliche Aktivität, bei dem GIEBEL gleich drei Male (ab)kassiert: insgesamt 750.000 Reichsmark. Bei ein- und demselben Geschäft. Das entspricht in etwa dem 12fachen dessen, was die Engelhardt-Brauerei ursprünglich Ignatz NACHER an jährlicher Pension zahlen wollte: 60.000 Reichsmark. Bezogen auf das Jahresgehalt einer Arbeiterin sind Siebenhundertundfünfzigtausend das 400fache. Und so residiert der agile Geschäftsmann in Berlin auch an nobler Adresse: Helfferichstrasse 62-64, die heute Bernadottestrasse heißt: ein großzügies Anwesen mit Blick auf den Messelpark.

"Flotte Lotte"

Nicht minder geschäftstüchtig: seine Frau Gemahlin Charlotte GIEBEL, geb. BACH, groß geworden im jüdischen Glauben und später konvertiert. Charlotte GIEBEL weiß, was Frauen wünschen, und so sichert sie sich eine Lizenz eines Gerätes, das für die Küche fast unentbehrlich, zumindest äußerst praktisch ist: eine Passiermühle, mit der man so gut wie alles verkleinern kann: Gemüse (Saft), Äpfel (Apfelbrei), Kartoffeln usw. Ein Gerät, das noch heute unter ihrem Namen produziert wird: die "Flotte Lotte". "Lotte" steht als Abkürzung für ihren Vornamen.

Erfunden hatte dieses Gerät ein Belgier bereits 1928, der es sich dann auch patentieren ließ. Ebenfalls ein Patent beantragt hatte 1931 ein Franzose, der damit eine Firma aufbaute, die später unter dem Namen "Moulinex" bekannt wurde. Wer wessen Idee geschäftlich zu nutzen verstand und wer wem eine Lizenz erteilte oder auch nicht und dann genau, wofür, ist unklar. In den Archiven sind mehrere Akten überliefert, nach denen GIEBEL als Inhaber der Columbia-Werke in Weinheim unmittelbar nach 1945 in gerichtliche Auseinandersetzungen mit seiner frühreren Firma in Schmalkalden/Thüringen, einem Ingenieurbüro in Ludwigsburg und einer Vertriebsfirma verstrickt war.

Hilar GIEBEL hat nach dem Zweiten Weltkrieg daran nicht mehr viel Freude, er stirbt 1949 im Alter von 66 Jahren. Seine gleichaltrige Ehefrau hält bis 1971 durch. Heute wird die "Flotte Lotte" von einem Unternehmen im Sauerland hergestellt.


Hinweis:

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(JL)