Aus Gründen der Vollständigkeit dieser Dokumentation veröffentlichen wir hier einen Text, den wir an diesem Tag im Aerotoxischen Logbuch (www.ansTageslicht.de/ATLB) bekannt gegeben haben. Er steht im Zusammenhang mit einem Fehler, der uns unterlaufen ist:
Wer arbeitet, macht Fehler. Wer viel arbeitet, macht manchmal mehr Fehler.
Genau dies ist uns passiert, wofür wir uns entschuldigen.
Wir hatten - zusammen mit der Süddeutschen Zeitung - am 18. September und zeitgleich im Aerotoxischen Logbuch - über die neue 3. Auflage des DGUV-Reports zur "BK 1317" geschrieben. Überschrift: TRIEBIG aus dem Verkehr gezogen ? (siehe Eintrag v. 18.9.).
Prof. Dr. Gerhard TRIEBIG, über dessen wissenschaftliche Arbeitsweisen und sozialpolitische Einflussnahmen als 'neutraler' Gutachter wir ausführlich hier in diesem ganzen Kapitel berichten und der die 2. Auflage des BK 1317-Reports maßgeblich verantwortet hatte, ist tatsächlich nicht mehr Autor. Er hatte - auch gegenüber uns - bis zuletzt steif & fest das behauptet, was wir als wissenschaftliche Erkenntnis als längst überholt, sprich: falsch, dokumentiert haben: Gesundheitliche Folgen von Lösemittelexpositionen können nämlich auch erst nach einem längeren Zeitraum auftreten. TRIEBIG bestreitet das und so steht das - völlig unzutreffend - auch in einem Lehrbuch, das er zusammen mit zwei anderen Kollegen zuletzt 2014 in vierter Auflage veröffentlicht hat: "Ein Fortschreiten des Krankheitsbildes unter Expositionskarenz ist ebenfalls ein Gegenargument für eine toxische Genese.“
Nun hatten wir vor zwei Wochen u.a. in der SZ berichtet, dass in der neuen, sprich dritten Auflage des DGUV-Reports ein "entscheidender Passus" geändert worden wäre: Nämlich dass ab jetzt doch nicht mehr ausgeschlossen wäre, dass das Auftreten gesundheitlicher Schädigungen nach einer längeren Latenzzeit (z.B. 10 bis 15 Jahre) gegen ein solches beruflich bedingtes Krankheitbild spräche. Und dass dies nach unserer großen Veröffentlichung am 26. Mai seitens der DGUV verändert worden wäre.
Dies stimmt so nicht, wie wir uns von der DGUV belehren lassen mussten. Tatsächlich steht das, was wir als neu in der 3. Auflage vermuteten, bereits in der 2. Auflage aus dem Jahr 2007, sogar nahezu wortgleich. Dies ist uns entgangen, da haben wir einen Fehler gemacht, der der Eile des Gefechts geschuldet war - wir standen unter eigenem Termindruck und hatten einen Hinweis nicht sorgfältig genug gegen gecheckt.
Dies hängt u.a. mit den einigermaßen widersprüchlichen Aussagen in beiden Reports zusammen:
- Einmal wird das so formuliert (2. Auflage S. 129, 3. Auflage S. 91): "Grundsätzlich besteht ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der krankmachenden Exposition und dem Krankheitsbeginn, d. h. die Krankheit entwickelt sich während oder kurz nach der arbeitsbedingten Exposition. Ein längeres Intervall zwischen letzter Exposition und Krankheitsbeginn ist toxikologisch nicht plausibel, was auch auf die kurzen biologischen Halbwertzeiten der neurotoxischen Lösungsmittel zurückzuführen ist.
Dies schließt nicht aus, dass die Krankheit erst im weiteren Verlauf vom Betroffenen als gravierend empfunden und dementsprechend erst später ärztlich diagnostiziert wird." (Text der 3. Auflage).
In dieser Darstellung wird also im ersten Absatz das spätere Auftreten des Krankheitsbildes für "toxikologisch nicht plausibel" erklärt, im Abschnitt danach dann aber auch nicht völlig ausgeschlossen, weil - und dies ist ein völlig anderes Argument als es in der wissenschaftlichen Literatur diskutiert wird - die Betroffenen die Gesundheitsfolgen erst später als "gravierend" empfinden. - An anderer Stelle steht wiederum das Gegenteil - sowohl in der 2. (S. 144) wie 3. Auflage (S. 100):
"Gegen eine BK 1317 spricht: - ...
- längere Latenzzeit zwischen Ende der Exposition und Beginn der Krankheit".
Als klar oder eindeutig beschrieben halten wir dies alles nicht.
Klargestellt hat die DGUV jetzt aber eines auf ihrer Website, in der sie zu unserer "Berichterstattung in der Süddeutschen Zeitung" Stellung nimmt: Dort muss sie das natürlich richtigstellen, was wir falsch berichtet haben. Deswegen steht jetzt dort wortwörtlich:
"Dass Krankheitsschäden nach einer Exposition mit Lösemitteln erst später auftreten können, ist demnach schon seit 2007 nicht ausgeschlossen."
Mit anderen Worten: Jetzt ist es - durch unsere Fehler und dessen Berichtigung - offiziell geworden: Krankheitsschäden können auch erst später auftreten. Unabhängig davon, ob sie von den Betroffenen erst nachträglich "als gravierend" empfunden werden und/oder deswegen dann erst ärztlich diagnostiziert werden können.
Wir empfehlen allen Betroffenen, dies zum Anlass zu nehmen, Wiederaufnahmeverfahren in Fällen deswegen abgelehnter Anerkennungen anzuleiern.
Auf die weiterern erhobenen Kritikpunkte der DGUV zu unserer ausführlichen Darstellung am 26. Mai unter dem Titel Das Kartell im BUCH ZWEI der SZ gehen wir hier nicht ein. Auch in einem dreiseitigen Dossier kann man nicht alles en Detail so präzise beschreiben, wie das bei einer so komplizierten und 'trocken' anmutenden Materie der Fall ist. Deswegen ist dies alles - sehr präzise - in dieser dazugehörigen Online-Dokumentation dargestellt (www.ansTageslicht.de/krankdurcharbeit). Darauf wird in dem SZ-Dossier auch ausdrücklich hingewiesen.
Aber auf das, was wir hier sehr umfänglich und detailliert mit vielen Dokumenten rekonstruiert haben, will die DGUV offenbar nicht eingehen. Sie weiß wohl, warum. Denn dort käme sie nicht mehr weiter mit ihrer üblichen Gegenstrategie: vom eigentlichen Kern der Probleme abzulenken und alles kleinzureden - bis hin zu gezielten Irreführungen.
Denn zu dem, was wir auf umgerechnet 200 Druckseiten zusammengetragen haben, gab es keinerlei Beanstandungen.