Parallel zu Ewald B wird von Dr. SCHULZ ein Angestellter des Instituts für Holz- und Zellstoffchemie in Hamburg untersucht und behandelt, der an seinem Arbeitsplatz mit Holzschutzmitteln gegen Pilze und Insekten experimentierte. Und auch sein dortiger Chef, Prof. Dr. Wilhelm SANDERMANN, ist betroffen. Er hat sich ein besonders großes und schönes Kristall, dessen chemische Zusammensetzung er noch nicht kennt, auf seinem Schreibtisch aufgestellt.
SANDERMANN ist seit dieser Zeit öfters krank, fühlt sich matt, leidet an Gedächtnisstörungen, so dass er sogar ab und an seine Vorlesungen unterbrechen muss. Auf einen Zusammenhang zu dem Kristallstein auf seinem Schreibtisch kommt er nicht. Stattdessen experimentieren er und seine Mitarbeiter weiter, wollen bestimmte Chlorverbindungen synthetisch herstellen, erhitzen dazu u.a. Pentachlorphenol und entdecken bei den insgesamt 22 Konsequenzen, die Tetrachlordibenzo-p-dioxine bieten, auch das 2,3,7,8-TCDD (siehe Graphik).
Mit diesen unterschiedlichen Stoffen experimentiert jetzt Dr. Karl-Heinz SCHULZ am UKE an Kaninchenohren und kann bald feststellen, dass 2,3,7,8-TCDD hochgiftig ist. Zusammen mit seinem Chef wird er die Ergebnisse ein Jahr später in der Fachzeitschrift "Dermatologica" (115.1957, S. 540 ff) veröffentlichen: "Berufliche Akne (sog. Chlorakne) durch chlorierte aromatische zyklische Äther." Der Fokus dieser Veröffentlichung liegt auf der Hautkrankheit. Und nur in einem Nebensatz taucht der Hinweis auf, dass bestimmte Mengen bei den Kaninchen auch zu "schweren Leberschäden" führen.
Auch SANDERMANN publiziert seine Ergebnisse zu Pentachlorphenol-Holzschutzmittel-Experimenten in den "Chemischen Berichten" (90.1957, S. 690 ff). Auch dort ist die giftige Formel nur versteckt erwähnt. Hintergrund: Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Heinrich LÜBKE (CDU), hat SANDERMANN und seinem Team verboten, weiter über Dioxine zu forschen und darüber zu publizieren. Hintergrund: das billig (als Abfallprodukt) herzustellende TCDD könne als militärisches Gift eingesetzt werden.
SANDERMANN wird sich an das Forschungs- und Schreibverbot halten. Achtundzwanzig Jahre lang bis zum Jahr 1984. Dann (erst) wird er alles über die "Entdeckungsgeschichte des 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-dioxins (TCDD, Dioxin, Sevesogift)" in der Fachzeitschrift Naturwissenschaftliche Rundschau (37.1984, S. 173 ff) outen