Nr. 5: Glamour für die "Gangsta"

Migrationshintergrund, Integrationsverlierer, Jungs von der Straße – kriminelle Großfamilien und Rapper verbindet eine ähnliche Geschichte – Das Millionenbusiness macht die Clan-Bosse reich und selbst zu Stars

Von Christian PARTH im Kölner Stadtanzeiger am 8.4.2019

Am vergangenen Mittwoch platzte dem „Patron“ der Kragen. Über sein Instagram-Profil rechnete Ahmad Miri, Chef des berüchtigten Miri-Clans, mit den Medien ab. Zuvor hatte ein Boulevardmagazin über die Verstrickungen zwischen arabischen Familienclans und deutschen Gangsta-Rappern berichtet. Nur zwei Tage hätten die Medien über den rechtsextrem motivierten Terroranschlag in Neuseeland geschrieben, aber wenn es um Großfamilien gehe, würden monatelang Themen angesprochen, die „extrem veraltet, nicht aktuell sowie gelogen und erfunden sind!“ Ihm geschehe Unrecht, so Miri, dessen Familie sich unter anderem im Ruhrgebiet niedergelassen hat. Alles Weitere werde sein Anwalt klären.

Richtig ist: Schon seit Jahren werden nicht nur in Boulevardmedien große Geschichten erzählt über die engen Beziehungen von Rappern und Clan-Mitgliedern. DieSymbiose erscheint inhaltlich ideal. In ihren Songs huldigen die Musiker dem Leben der Straße: Knarren, Koks, dicke Autos, „Schlampen“, die nichts als einen „Blowjob“ im Sinn haben. Und es geht um all die „Hurensöhne“, die nicht auf die Idee kommen sollten, sie verbal zu „ficken“. Und wenn es doch einer tut, dann wird zurück gedisst .So nennt man das, wenn sich Rapper in Reimen beleidigen. Auch in Deutschland kommt das immer häufiger vor. Rapper besingen den Alltag der Clans – und verleihen der Kriminalität damit einen populären Anstrich.

Haftbefehl gegen Abou-Chaker

Die größten Schlagzeilen produzierte bislang Rapper Bushido. Im April 2013 druckte das Magazin „Der Stern“ eine Generalvollmacht, die Bushido Ende 2010 zugunsten von Arafat Abou-Chaker ausgestellt hatte. Abou-Chaker war danach nicht mehr nur Geschäftspartner, sondern gleichsam Vormund. Im März 2018 sagte sich der Sänger von Abou-Chaker los. Der Clan-Boss sol ldaraufhin einen tödlichen Plan geschmiedet haben: Anfang dieses Jahres vollstreckte die Staatsanwaltschaft Berlin einen Haftbefehl gegen ihn. Er sei „der Verabredung eines Verbrechens dringend tatverdächtig“. Abou-Chaker soll die Entführung von Bushidos Frau und Kindern vorbereitet haben, und er soll geplant haben, Bushidos Frau mit Säure zu attackieren. Der Haftbefehl wurde inzwischen wieder aufgehoben, die Ermittlungen aber laufen laut Berliner Staatsanwaltschaft weiter. Aus Angst um das Leben seiner Familie soll sich der gebürtige Bonner einen neuen „Rücken“ gesucht haben, wie es in der Szene heißt. Über seinen neuen „Geschäftspartner“ Ashraf Rammo,  Chef des Rammo-Clans, sagt Bushido in einem Interview: „Ashraf ist höflich, elegant, verständnisvoll, erruft nicht ständig an, er lässt dich in Ruhe.

“Das Geschäftsmodell Rapper und Clans hat sich auch in NRW etabliert. „Aus der Vermarktung eigener Rapper und Labels entwickelt sich erhebliches wirtschaftliches Potenzial“, schreibt das Landeskriminalamt NRW auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Für die Clans ist das Millionen-Business „Gangsta-Rap“ offenbar eine ideale Ergänzung des Portfolios, das sonst vom wenig glamourösen Drogenhandel oder dem Betreiben von Shisha-Bars beherrscht wird. Die neuen Allianzen werden vom LKA beobachtet: „Durch die offensive Nutzung sozialer Medien erlangt das Rapper-Milieu und die damit verbundene Rapper-Subkultur besondere Bedeutung für das Selbstbild türkisch-arabischstämmiger Großfamilien“, so die Behörde. „Für diese sind Aktivitäten in der Szene häufig ein erster Schritt auf eine gesellschaftlich wahrgenommene Ebene.“ Der Musiker bekommt Schutz und Gangster-Aura, der Clan seinen Anteil am Geschäft – manch einer nennt das auch Schutzgeld– und obendrein Zugang zum roten Teppich.

Das LKAbestätigt, dass das Betreiben von Sicherheitsfirmen für die Großfamilien ein wichtiges Geschäftsfeld darstellt. Details zu möglichen Verfahren im Zusammenhang mit Schutzgeldzahlungen will die Behörde zur „Sicherstellung der Funktionsfähigkeit staatlicher Organe“ nicht nennen.

Zugang zu höheren Kreisen

„Rapper und Clans haben oft eine ähnliche Biografie“ so Sozialwissenschaftler Martin Seeliger, der ein Buch über „Gangsta-Rap“ geschrieben hat. „Oft sind beide Integrationsverlierer und betrachten sich als Menschen von der Straße. Der Erfolg in der Musik ermöglicht ihnen, in Kreisen zu verkehren, deren Mitglieder sonst nur die Nase über sie rümpfen.“ Eine Schlüsselfigur in NRW ist dem Vernehmen nach Ahmad Miri, der auf Instagram gerne mit Pistole posiert. Nach eigener Aussage verbindet ihn eine enge Freundschaft mit dem Düsseldorfer Rapper Farid Bang. Geschäftliche Beziehungen allerdings gebe es laut Miri nicht. Farid Bang war bei der „Echo“-Verleihung 2018 geehrt worden, bis auffiel, dass es sich bei der Textzeile „Mein Körper definiert er als von Auschwitzinsassen“ um eine antisemitische Äußerung handeln könnte.

Auch Kay One, der 2014 in der Jury von „Deutschland sucht den Superstar“ saß, soll Verbindungen zu den Miris haben. Kay One, bürgerlich Kenneth Glöckler, war einst ein Bushido-Gefährte. Im April 2012 kündigte er die Zusammenarbeit auf und soll kurz darauf von Maskierten überfallen worden sein. Instagram-Bilder zeigen sowohl Kay One, Farid Bang als auch den Rapper 18 Karat vertraut in Kreisen des Miri-Clans. Auf seinem Profil beteuert Ahmad Miri allerdings, mit Kay One nichts zu tun zu haben. 18 Karat, der sich nur mit Goldmaske zeigt, gilt als Star der Szene. Er steht bei Farid Bang unter Vertrag, soll mit den Miris eng verwoben sein. Der mutmaßliche Dortmunder Clan-Chef Sammy Miri schreibt unter ein Bild aufd em 18 Karat, Farid Bang und er selbst zu sehen sind: „Für immer.“ 18 Karat kommentiert „Und ewig Bruder!!!“

Seit 2014 tritt Kay One auch als Promoter von Manuel Charr in Erscheinung. Der Kölner Boxer ließ sich 2017 als deutscher Schwergewichtsweltmeister feiern, obwohl er gar keinen deutschen Pass besaß. 2015 bekam er die Wut der Clans zu spüren. In einer Essener Dönerbude wurde er niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt. Der Täter Youssef H., geborener Al-Zein und Mitglied des gleichnamigen Ruhrpott-Clans, wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt. Auch die Al-Zeins wollen offenbar in der Gangsta-Rap-Szene mitmischen. Es hält sich das Gerücht, dass Clan-Chef Mahmoud Al-Zein mit dem schwäbischen Rapper Shindy in Verbindung stehe. Shindy gehörte früher zu Bushido und der Abou-Chaker-Clique. Dann wollte er eigene Wege gehen. Sein Abschied hatte Konsequenzen. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ führte die Staatsanwaltschaft Heilbronn ein Verfahren gegen Arafat Abou-Chaker wegen möglicher Bedrohung Shindys. Demnach hatte ihm der Clan-Boss nach einem Streit im April 2018 eine Whatsapp-Nachricht „mit mehrdeutigem Inhalt“ übersandt. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Offenbarlag kein Straftatbestand vor.