WESER-Kurier, 10.11.2008

von Christine KRÖGER

Uwe B. ist nicht zu fassen

BREMEN HANNOVER VERDEN. Bei der Fahndung nach dem seit Juni flüchtigen Bremer „Hell’s Angel“ Uwe B. häufen sich im Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen offenbar die Pannen. So fand die Ehefrau des Rockers kürzlich einen Peilsender an ihrem Wagen.

Die Frau schaltete das Gerät aus, packte es in den Kofferraum ihres Fahrzeugs und machte sich auf den Weg zum Anwalt ihres Mannes. Am anderen Ende der schnurlosen Leitung wunderten sich die Kriminalisten vermutlich über das plötzlich fehlende Signal. Jedenfalls geriet die Frau unterwegs zu ihrem Rechtsbeistand in eine Fahrzeugkontrolle der Autobahnpolizei Langwedel.

„Diese Vorstellung des LKA ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten“, meint Uwe B.s Rechtsanwalt Raban Funk. Für ihn ist klar, dass hier nicht „Kommissar Zufall“ am Werk war. Er vermutet, dass die Autobahnpolizisten nach dem Peilsender schielten, während sie vorgaben, das Reifenprofil zu prüfen – und dass sie feststellten: Der Sender ist nicht mehr, wo er mal war.

Noch während die Ordnungshüter penibel die Papiere der Frau kontrollierten, kam der Zoll dazu, und auch die Bundespolizisten begannen, sich für das Auto zu interessieren, berichtet Funk. Angeblich auf der Suche nach Schmuggelgut filzten die Beamten das Fahrzeug. Nun reichte es der Frau des flüchtigen Rockers, freiwillig händigte sie den „funkgerätähnlichen Apparat“ aus, wie das Polizeiprotokoll vermerkt.

Den „Apparat“ haben die Autobahnpolizisten dann beschlagnahmt, sagt der Rechtsanwalt. Immerhin, ist aus Behördenkreisen zu vernehmen, koste ein solcher Sender den Steuerzahler mehr als 1000 Euro.

„Das ist beileibe nicht die erste Panne, die sich das LKA leistet“, versichert Funk. Weil er seinem Mandanten die Freiheit ja gönne, gerate er dann und wann sogar ins Schmunzeln. „Das Umfeld meines Mandanten ist schließlich nicht New York oder Chicago, der Mann lebt auf dem platten Lande.“ Und doch ist Uwe B. offenbar nicht zu fassen. Jedenfalls nicht für Niedersachsens Zielfahnder, die innerhalb der Polizei als hoch qualifizierte Spezialisten gelten.

Sie suchen Uwe B. auf Geheiß der Staatsanwaltschaft in Verden. Die Anklagebehörde wirft dem Mitglied des „Charter West Side“, wie sich die „Hell’s Angels“ in Bremen nennen, gefährliche Körperverletzung und schweren Raub vor.

Zwölf mutmaßliche Komplizen Uwe B.s sitzen seit Juni in Untersuchungshaft. Sie sollen im März 2006 in Stuhr (Kreis Diepholz) sechs Mitgliedern der verfeindeten Rockerbande „Bandidos“ nacheinander aufgelauert und sie schwer misshandelt haben. Die Täter hinterließen lebensgefährlich und schwer verletzte Männer, zudem sollen sie Clubdevotionalien der „Bandidos“, einen Computer und Bargeld gestohlen haben.

Nach Angaben von Anwälten der Untersuchungshäftlinge hat das Landgericht Verden die Anklage jetzt zugelassen. Aus Sicherheitsgründen wollen die Verdener Richter vom 1. Dezember an in den Räumen ihrer Berufskollegen in Hannover tagen.

In der Rockerszene gilt die Landeshauptstadt unumstritten als „Gebiet“ der „Hell’s Angels“. Daher rechnen Polizeiexperten kaum damit, dass sich die verfeindeten „Bandidos“ in dem Prozess blicken lassen. Dennoch planen sie strenge Sicherheitsvorkehrungen. Vor allem gilt es, Thomas P. zu schützen: Der „Kronzeuge“ soll in Stuhr mit den übrigen Angeklagten zugeschlagen haben. Rund ein Jahr nach der Tat stieg der 32-Jährige bei den „Hell’s Angels“ aus – und packte schließlich im Frühjahr dieses Jahres bei der Polizei aus.

Außer ihm dürften die „Hell’s Angels“ Heino B. auf dem Kieker haben. Der Bremer „Bandido“ war ein Opfer des Überfalls und wird nach Angaben seines Anwalts in Hannover als Nebenkläger aussagen. Die Ladungsanschrift des 49-Jährigen ist die Justizvollzugsanstalt Münster: Das dortige Landgericht verurteilte Heino B. Mitte Juni zu lebenslanger Haft, weil er im Mai 2007 in Ibbenbüren einen Bremer „Hell’s Angel“ erschossen hat. Der Mord gilt als Racheakt für den Überfall in Stuhr.