"Von 1924 bis 1932 war Schmidhuber Honorarkonsul von Portugal sowie von Mexiko und Nicaragua in München. Er war promovierter Außenhandelskaufmann, Delegierter der Münchner Handelskammer und Berater beim Reichsverband der Deutschen Industrie und Vorstandsmitglied der Hofbräu AG in Bamberg. Er besaß mehrere Brauereien und war in Geschäfte aller Art verwickelt." So beginnt der Eintrag bei WIKIPEDIA (Stand Februar 2021): 3 Sätze. Die folgenden 25 Sätze, die sich mit seiner Vergangenheit im Dritten Reich befassen, stellen auf seine Rolle quasi im Widerstand ab: Wie er beispielsweise dem Pfarrer der "Bekennenden Kirche", Dietrich BONHOEFFER, "Reisefreiheiten verschaffen" oder "Geldüberweisungen an Juden in Südfranzösischen Lagern" organisieren konnte.
"Nie in der Partei." Aber in der SS
So in etwa hatte Konsul Wilhelm SCHMIDHUBER dies auch in mehreren "Eidesstattlichen Versicherungen" beschrieben, z.B. in jener, die er 1951 der Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Bielefeld vorgelegt hatte, als diese über die Rückgängigmachung der arisierten Brauereien von Ignatz NACHER zu befinden hatten. "Ich stand bereits in der ganzen Vorentwicklung des Nazismus und zwar seit dessen frühen Anfängen in Gegnerschaft zu dessen Programm und Methoden", heißt es da. Und etwas weiter: "Ich bin nie der Partei oder einer ihrer Gliederungen beigetreten und habe auch alle diesbezüglichen Ansinnen prinzipiell abgelehnt."
Abgelehnt, ein Angebot von Georg EIDENSCHINK und Adolf FISCHER, beim Kauf des zweitgrößten Brauereikonzerns in Berlin mit von der Partie zu sein, hatte SCHMIDHUBER nicht. Im Gegenteil: Neben Adolf FISCHER, der das "Bankgeschäft Georg Eidenschink" als stiller Teilhaber ganz offiziell vertrat, gesellte sich nun der "Konsul" hinzu, dem die Aufnahme in das politische Netzwerk der beiden jungen Bankiers nicht ungelegen kam. EIDENSCHINK war 32, FISCHER 36 Jahre jung, SCHMIDHUBER 35 und der neue Zeitgeist, der sich schnell überall einnistete, versprach eine güldene Zukunft. Auch die anderen jungen informellen Mitarbeiter der beiden Bankiers, Rechtsanwalt Dr. Josef MÜLLER, 35, und der Münchner Polizeimajor Hans RATTENHUBER, 36, der gerade eben vom "Reichsführer SS", Heinrich HIMMLER, als Adjudant nach Berlin berufen worden war, um das "Kommando zur besonderen Verwendung für den Führer und Reichskanzler" aufzustellen, gaben sich agil und zukunftsorientiert.
Die "Verhandlungen"
Und so fand sich "Konsul SCHMIDHUBER" schnell in die neue Rolle hinein. Bei den "Verhandlungen" war er nun stets dabei, egal ob mit NACHER auf dessen Gut Sauersberg bei Bad Tölz oder in Berlin oder im noblen Münchner "Hotel Vierjahreszeiten". Letztere Location war für ihn besonders praktisch, denn seine große Wohnung "Am Kosttor 1", einem gepflegten und großzügig angelegten Altbau, an dem er Miteigentümer war, befand sich visavis des bekannten Hotels.
Und wie es seinem Naturell entsprach überließ er das "Verhandeln" vorzugsweise dem Jungbankier Adolf FISCHER, der sich "als Draufgänger" besser dazu eignete. So wird sich der ehemalige Weggefährte und Vorstandsvorsitzende von Ignatz NACHER's Holdingsfirmen, Ludwig KISLINGER erinnern: "Dr. Schmidhuber verstand es, sich mehr im Hintergrund zu halten. Wenn es manchmal aber hart auf hart ging merkte man, dass dieser mindestens ebenso gefährlich war wie die anderen."
Der EIDENSCHINK-Clan wusste im Sommer 1934, wie man NACHER beeindrucken konnte. Zunächst hatte es gereicht, dezent auf die vielfältigen Verbindungen hinzuweisen: zur Gestapo in Berlin (RATTENHUBER), zu Robert LEY, dem Führer der "Deutschen Arbeitsfront", in der die ehemaligen Gewerkschaften gleichgeschaltet worden waren (Gestapoagent Anton KARL) oder zu Franz Xaver SCHWARZ, dem Reichsschatzmeister der NSDAP (EIDENSCHINK).
Da NACHER vom Berliner Staatskommissar Dr. Julius LIPPERT bereits ein Jahr zuvor gezwungen worden war, seine Brauereien an eine "wirtschaftlich einwandfrei arische Unternehmensgruppe" zu veräußern (Details siehe Die Enteignung des Ignatz NACHER), NACHER bereits ein erstes Mal verhaftet und in einem Strafprozess wegen "Beihilfe zu aktienrechtlicher Untreue" verurteilt worden war, wussten sie, wie das auf den 64jährigen NACHER wirken würde - gerade jetzt, wo NACHER nach seiner zweiten Verhaftung im Gefängnis seine Engelhardt-Brauerei verloren hatte: Wenn er den Rest, u.a. seine bayerischen Brauereien, nicht verkaufen wolle, "müsse er damit rechnen, dass er dort wieder hinkomme, wo er bereits einmal gewesen sei," so SCHMIDHUBER laut einer eidesstattlichen Zeugenaussage des Gestapoagenten Anton KARL nach 1945.
Und so nehmen die "Verhandlungen" ihren Gang, wie es vorgezeichnet war. NACHER's Manager KISLINGER in Berlin und dessen Stellvertreter in Bamberg, wo NACHER über die Bayrische Braubank AG mehrere Brauereibeteiligungen, u.a. an der "Hofbräu Bamberg-Erlangen" hält, versuchen über die dortige Industrie- und Handelskammer den Totalausverkauf zum Spottpreis zu verhindern. SCHMIDHUBER und FISCHER wurden von der IHK auch vorgeladen. "Sie hatten aber wahrscheinlich die stärkeren Trümpfe in der Unterstützung eines grösseren Parteinmannes", wird sich KISLINGER's Stellvertreter 1948 erinnern.
Und so tritt ein, was abzusehen war und unter Dr. Adolf FISCHER weiter oben bereits beschrieben wurde: Die Anteile an NACHER's 8 Brauereien, darunter die Anteile an dert Dortmunder Stiftsbrauerei, das gesamte Paket an der Groterjan Malzbierbrauerei in Berlin sowie die Hofbräu AG in Bamberg und Erlnagen gehen zu einem durchschnittlichen Wert von 63% des nominalen Aktienwertes an den EIDENSCHINK-Clan. SCHMIDHUBER und FISCHER bestätigen den Deal am 7. Oktober 1935 in einem förmlichen Schreiben an Ignatz NACHER's Holdingfirmen.
Hofbräu AG Bamberg und Erlangen
Konsul Dr. Wilhelm SCHMIDHUBER war nun Aktionär an der bekannten Hofbräu, die Braustätten in Bamberg und Erlangen unterhält, und gleichzeitig im Vorstand der Aktiengesellschaft. Er galt fortan auch als "Brauereibesitzer", eine Funktion, die ihm sehr schmeichelte. Dass immer noch der Jude Wiily LESSING, ein enger Freund von Ignatz NACHER an der Hofbräu beteiligt war, störte SCHMIDHUBER wenig, er wusste, dass dessen Stündlein bald schlagen würde. LESSING musste seine Anteile 1936 abgeben. Zwei Jahre später wurde er in der sogenannten Reichspogromnacht brutal erschlagen.
Als 1939 der Krieg begann und SCHMIDHUBER den größten Teil seiner Verbindlichkeiten loswerden wollte, verkaufte er sein Aktienpaket, das er mittels Bankkredit finanziert hatte, an seinen neuen Teilhaber, blieb aber nach wie vor im Vorstand. Eine neue Ära begann für ihn, als er im Zusammenhang mit einer Reserveübung zur Abwehrstelle der Deutschen Wehrmacht in München gelangte - ein guter Bekannter hatte dort das Sagen: Rechtsanwalt Dr. Josef MÜLLER, der agile Anwalt des EIDENSCHINK-Clans. Die "Abwehr" war die Auslands-Spionageabteilung des Militärs, die Gestapo sah sie als Konkurrenz.
Als "Konsul" bei der "Abwehr"
SCHMIDHUBER als "Konsul" war schon wegen seiner Kontakte ins Ausland gefragt, konnte reisen und diverse Devisengeschäfte tätigen, wurde aber Opfer einer Panne, in deren Gefolge er inhaftiert wurde. Weil sein guter Bekannter Josef MÜLLER, Erzkatholik vom Glauben, im Rahmen der Freiheiten einer militärischen Spionageabwehr auf eigene Rechnung Friedensgespräche über den Vatikan anleiern wollte und die geheimen Aktivitäten der Abwehr der Gestapo ein Dorn im Auge waren, ging alles schief: SCHMIDHUBER, der galant zu plaudern verstand, gab im Verhör durch die Gestapo mehr zu als er vermutlich wollte. Die kleine geheime Gruppe, die bei der Abwehr den Krieg beenden wollte und dazu auch ein Attentat auf Adolf HITLER im Kopf hatte, wurde enttarnt: die wichtigsten Köpfe (Dietrich BONHOEFFER, Hans von DOHNANYI, Hans OSTER und der Chef der Abwehr, Wilhelm CANARIS) wurden hingerichtet.
Josef MÜLLER und Wilhelm SCHMIDHUBER wurden eingesperrt, aber überlebten. Sie waren gute Bekannte von Hans RATTENHUBER.
Nach 1945
Als der Krieg vorbei ist und die Allierten, insbesondere die Amerikaner von den Alpen her Bayern 'aufräumen', folgen in zweiter Reihe Soldaten mit einer besonderen Aufgabe: Dokumente und Informationen zu sichern, um zu erfahren, wer für was im gerade untergegangenen "Tausenjährigen Reich" verantwortlich war: Männer vom US-"Office of Military Government for Germany (OMGUS)" verhören alles, was Rang, Funktion und Namen hatte. Auch Konsul SCHMIDHUBER muss aussagen: