Ein Vergleich von Asbest und Holzschutzmittel-Syndrom mit dem aerotoxischen Syndroms läuft daraus hinaus, dass dieses Problem schon sehr lange andauert und noch immer nicht wirklich anerkannt ist. Bekannt ist es spätestens seit den 50er Jahren.
Prof. Dr. Dietrich HENSCHLER vom Institut für Pharmakologie an der Universität Würzburg war der erste, der sich mit Trikresylphosphaten auseinander gesetzt und dabei auch die Entwicklung der medizinhistorischen Erkenntnisstände nachgezeichnet hatte: "Die Trikresylphosphatvergiftung". Sein Ergebnis im Jahr 1958 - 12 Jahre nach Inbetriebnahme der ersten Düsenjets für militärische Zwecke im Jahr 1943: Organophosphate, insbesondere die Ausprägungen der Trikresylphosphate sind toxisch. Also giftig. Egal, wo und wie sie in welchen Produkten auftauchen. Das wissen zu diesem Zeitpunkt allerdings nur die Hersteller der Motoröle und die Triebwerksbauer. Aber auch das Militär, z.B. in den USA. Denn auch dort fallen immer wieder Piloten bei ihren Flügen aus.
In den 60er, 70er und 80er Jahren wird Fliegen immer mehr zum Trend. Die Reiselust der Deutschen und das Aufblühen des Tourismus in andere, insbesondere wärmere Länder mit mehr Sonne, befördert diese Entwicklung. Smell Events oder Fume Events sind sehr selten. Die Schnelligkeit der Erreichbarkeit begehrter Reiseziele lässt bei den Kunden dieses neuen Massenverkehrsmittels vieles in der Erinnerung verblassen, was seltsam oder vorübergehend unangenehm erscheinen mag. Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein ist etwas, was erst eine neue und bunte Bewegung nach und nach in die Köpfe der Menschen bringt, die sich die GRÜNEN nennen. In die ersten Parlamente ziehen sie in den 80ern ein (1982 Hessen, 1983 Bundestag).
Fliegen ist aber immer noch vergleichsweise teuer und nur auf Charterflügen billiger. Die nationalen Airlines, meist im Staatsbesitz, sehen sich (noch) nicht durch Billigkonkurrenz oder Fluglinien aus dem arabischen Raum bedroht, wo Öl und Kerosin billig zu haben sind. Die Kostenkalkulationen der Fluggesellschaften lassen daher regelmäßige Wartungen in kurzen Zeitabständen zu. Auch die Wartungen der Turbinen. Alle 15.000 Flugstunden wird eine Turbine instandgehalten, auf die Dichtungen der Ölversorgung überprüft. Heute (2017) liegen die Intervalle bei über 40.000 Flugstunden.
In die öffentliche Wahrnehmung geraten Fume Events in den 90er Jahren, als die British Aerospace ihr vierstrahliges Kurzstreckenflugzeug "BAe 146" und BAe Avro RJ" überarbeitet bzw. auf den Markt bringt. Das wird in Europa, aber auch in Australien in großer Verbreitung eingesetzt. Die Maschine bzw. die 4 Turbinen sind ganz offenkundig sehr anfällig für Smell und Fume Events.
In Deutschland ist der Pilot Sandy VERMEER, der wegen der schlechten Erfahrungen bei seinem Arbeitgeber, der Cityline (Lufthansa) regelmäßig Alarm schlägt. Die Airline 'verkauft' ihm das als "typischen Betriebsgeruch" dieses Fliegers.
In Australien sind die Crewmitglieder nicht so geduldig. Chris WINDER, Toxikologe an der Universität New South Wales, erinnert sich in einem der ersten deutschen TV-Beiträge über das Problem (WDR Markt v. 29.3.2010) so: "Zuerst kamen 1997 zwei Piloten und eine Stewardess. Etwas später wurden aus drei fünf, aus fünf wurden zehn, dann zwanzig. Da habe ich erkannt: hier ist etwas im Gang. Dann tauchte ein französischer Kollege mit ähnlichen Fallzahlen von Betroffenen mit gleichen Symptomen auf. Da war mir klar: Wir haben hier ein internationales Problem!"
Weil es immer mehr werden, muss das Australische Parlament reagieren: eine Untersuchungskommission wird eingesetzt, die die Gefahren und die Probleme für die Gesundheit anerkennt: in einem ausführlichen Bericht , der zeitgleich mit jener Veröffentlichung erscheint, in der Chris WINDER, sein französischer Kollege Jean-Christophe BALOUET (Umweltwissenschaftler und Paläontologe) und der US-Amerikaner Harry HOFFMAN (Arzt und Mediziner für die US Air Force) dem Problem einen Namen geben: aerotoxisches Syndrom.
Spätestens jetzt ist das Problem international bekannt: bei den Herstellern von Turbinen, den Airlines und in den Wissenschaften. Dort setzen sich weltweit Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen an das Thema. Und kommen seither a) immer wieder und b) mehr oder weniger zum gleichen Ergebnis: Das aerotoxische Syndrom ist existent. Man weiß nur noch zu wenig über die vielen unterschiedliche Stoffe: Der chemische Cocktail bei einem Fume Event setzt sich aus über 200 Einzelstoffen zusammen. Stoffe, über deren Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt wenig bekannt ist.
Die Namen der wichtigsten Experten, die sich seither darum kümmern, sind aufgeführt unter Die Wissenschaftler und Experten: ein ABC.
Ebenfalls dort beschrieben: Jene Wissenschaftler und Experten, die im Auftrag des Luftfahrt-Business in ihren Äußerungen, Stellungnahmen und Gutachten ebenso a) regelmäßig und b) mehr oder weniger ebenfalls zu einem gleichen Ergebnis kommen. Die Befunde lassen sich nicht wegdiskutieren. Aber der Nachweis eines kausalen Zusammenhangs: Er ist nicht gegeben! Einer der Bekanntesten: Prof. Dr. Michael BAGSHAW. Seine zentrale Botschaft: "Viele der wissenschaftlichen Daten, die zur Unterstützung der Hypothese präsentiert werden, dass kontaminierte Kabinenluft das angebliche „aerotoxische Syndrom“ auslöst, halten einer wissenschaftlichen Betrachtung nicht stand." BAGSHAW, vormals Chief Medical Officer bei British Airways, dann Prof. für Luftfahrt-Medizin am King's College in London, ist inzwischen Medizinischer Berater bei Airbus.