Die Berichte von Roland MUSCHEL / Südwest Presse, 18.07.2016

von Roland MUSCHEL

Alles auf den Tisch

Seit Wochen zieht Baden-Württembergs neuer Justizminister Guido Wolf mit der Forderung nach mehr als 200 zusätzlichen Stellen für die Gerichte und Staatsanwaltschaften durchs Land. Die Justiz, die allenthalben über Personalsorgen klagt, hört das wohl. In ihren Reihen ist aber die Frage aufgetaucht, ob Wolf angesichts der angespannten Haushaltslage auch ein Ergebnis wird vorweisen können, das ihn politisch nicht beschädigt. Ob der CDU-Politiker also naiv zu Werke geht oder ob er sich entgegen vieler Vorbehalte im Justizwesen vielleicht doch als durchsetzungsstarker Minister erweisen wird.

Tatsächlich ist Wolf vor allem eines: ein guter Darsteller in einem Stück, das dem Publikum einen ungewissen Ausgang suggeriert, obwohl das „happy end“ längst feststeht. Denn in den bislang geheim gehaltenen Nebenabreden zum Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Regierung vom Mai, die auch Wolfs Unterschrift tragen, sind zehn Millionen Euro jährlich für neue Personalstellen bei der Justiz fixiert und garantiert. Der neue Minister fordert also etwas, von dem er längst weiß, dass es kommen wird. Sein vorgeblicher Kampf um Stellen ist somit nur noch einer ums Renommee.

Erfolgreiche Politik muss sich in der heutigen Mediengesellschaft zweifelsfrei auch inszenieren, symbolischer Handlungen bedienen und aufs richtige Timing achten. Mit Gesetzestexten und Landtagsdebatten allein lassen sich kaum Botschaften setzen oder Inhalte transportieren. Wer sein Pulver zu früh verschießt, das hat die SPD im Bund gezeigt, hat am Ende der Legislaturperiode, wenn die nächsten Wahlen näher rücken, womöglich Probleme, neue Punkte zu setzen.

Die Inszenierung aber kann immer nur Hilfsmittel zur Politikvermittlung sein, kein Selbstzweck. Sonst wirkt sie schal und aufgesetzt.

Die im Verborgenen getroffenen Nebenabreden zwischen Grünen und CDU im Land sind Teil einer Inszenierung. Sie lassen Spielraum für dosierte, profilbildende Streitereien in einem bereits gesetzten Rahmen – etwa über die Frage, wie es mit dem Bildungszeitgesetz weiter gehen könnte. Vor allem aber hätten sie, wären sie nun entgegen den Planungen nicht doch öffentlich geworden, der Regierung das schwierige Haushaltsgeschäft erleichtert. Gegenüber Kommunen oder Landesbediensteten etwa lassen sich geplante Einschnitte mit Verweis auf die angespannte Haushaltslage leichter rechtfertigen, wenn diese den Umfang der vorgesehenen Investitionen in anderen Bereichen nicht in Gänze überblicken.

Das erklärt das Vorgehen, rechtfertigt die Geheimhaltung aber nicht. Denn angesichts der Haushaltslage sind die sogenannten Nebenabreden im Milliardenbereich in Wahrheit die Hauptabreden zwischen den Regierungspartnern. Sie und nicht der eigentliche Koalitionsvertrag bestimmen angesichts der Verpflichtung, den Etat zu sanieren, die Finanzpolitik der kommenden Jahre. Projekte, die nicht auf der Liste stehen, werden absehbar das Nachsehen haben. Dass das Papier keine rechtliche Verbindlichkeit besitzt und das Budgetrecht beim Landtag liegt, stimmt formal. Die seit Jahrzehnten geübte Praxis zeigt jedoch, dass die großen Linien fast immer im kleinen Kreis vorbestimmt werden.

Nichts spricht gegen die Aufstellung einer Liste mit den wichtigsten Vorhaben einer Regierung, im Gegenteil. Es diente gerade deshalb der Wahrheit und Klarheit, wenn Grün-Schwarz das Dokument veröffentlichen würde. Für beide Parteien müsste das eigentlich ein Leichtes sein. Für die Grünen schon deshalb, weil sie sich gemeinhin Transparenz auf die Fahnen schreiben. Und für die CDU, weil das Papier vor allem Reformvorhaben in ihren Zuständigkeitsbereichen Inneres, Digitales und Bildung absichert. Man darf daher gespannt sein, wie die Regierung auf die von der SPD beantragte Landtagsdebatte reagiert.