"Geheimes" bleibt selten "geheim,

meint Rolf BACH, ein ehemaliger GRÜNER aus Baden-Württemberg

Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre gab es noch keine GRÜNE. Nur grün denkende und handelnde Menschen, darunter Rolf BACH, damals Mitglied einer Bürgerinitiative für Umweltschutz und gegen Atomenergie.  Es gab viele solche Gruppen und Rolf BACH war in seiner dafür zuständig, sie miteinander zu vernetzen und zu koordinieren. Diese Gruppen standen überwiegend auf dem Standpunkt, es sei besser, eine grüne Partei zu verhindern, um die Verbürgerlichung der grünen Ideen auszuschließen.

Das klappte nicht und so trat er der Partei bei, denn in der Politik muss man Kompromisse schließen (können). Ende der 80er wurde BACH dann Leitendes Vorstandsmitglied der GRÜNEN, später 10 Jahre grüner Gemeinderat in seiner Heimatstadt. 1992 gründete er - selbst Unternehmer - zusammen mit anderen einen grün-nahen und noch heute bestehenden Unternehmensverband: Unternehmensgrün, der 2017 sein 25jähriges Jubiläum feiert. Das Konzept: Ökologie und Wirtschaftlichkeit schließen sich nicht aus.

Als Teile der GRÜNEN - parteiintern unwidersprochen - während der sog. Ukraine-Krise eine stärkere NATO-Präsenz im Land forderten, BACH dies aber für politisch absolut unklug hielt, wurde er - wie viele andere - als PUTIN-Versteher disqualiziert. BACH, Realo und mit den Füßen auf dem Boden der Natur stehend, trat aus - dies war nicht mehr seine Partei.

Hier hat er aufgeschrieben, was er von Hinterzimmerpolitik und geheimen Nebenabsprachen hält:


"Fangen wir mit einem Rückblick an: Vor knapp 40 Jahren schwangen die Grünen sich als Phönix aus der Asche empor, den die müde gewordene Anti-AKW-Bewegung hinterlassen hatte.

Nicht nur die Journalisten betrachteten damals diese neue Partei und ihre Mitglieder als etwas, dass so ganz anders war, als die „Etablierten“. Vor allem viele dieser Mitglieder hatten selbst die Gewissheit, dass nun alles ganz anders würde. Petra Kelly prägte damals das Wort von der Antiparteien-Partei.

Es ist nicht schwer, Reste dieser Selbstgerechtigkeit auch heute noch zu finden.

Zurück ins Jetzt: da hat ein Journalist durch mühevolle (oder war es doch nicht sooo mühevoll?) Recherche aufgedeckt, dass es in einer von den Grünen geführten Landesregierung Ungewohntes gibt. Ausgerechnet unter grün-schwarz gibt es Geheimvereinbarungen – sog. Nebenabsprachen – nicht nur an der Öffentlichkeit vorbei, sondern auch an den eigenen Abgeordneten und Mitgliedern. Dass der Regierungspartner CDU das genau so handhabt, entspricht da schon eher den Erwartungen und wäre für sich allein vermutlich kein Aufreger geworden.

In den Artikeln über diesen Sachverhalt taucht auch immer mal wieder auf, dies sei ein einmaliger Vorgang. Das darf – nein muss – bezweifelt werden. Solche nicht öffentlichen Absprachen zwischen  Zwangspartnern sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel.

Bei Koalitionsverhandlungen ist es üblicherweise so, dass zwei (oder mehr) – im Idealfall inhaltlich unterscheidbare – Parteien sich auf gemeinsames Handeln verständigen müssen. Gleichzeitig müssen sie der Öffentlichkeit, vor allem aber ihren eigenen Mitgliedern gegenüber vom ersten Moment an ihr Profil und den Erfolg ihres Parts in der Regierung deutlich machen. Da liegt es im Interesse der Regierungsparteien, das ein oder andere durch Nebenabsprachen zu flankieren.

Wenn Kretschmann sagt, dass es selbstverständlich bei der rot-grünen Regierung damals in Hessen auch solche Geheimvereinbarungen gegeben habe, dürfte das der Wahrheit entsprechen. Fatalerweise ist das aber nicht mehr belegbar. Deshalb taugt das als Rechtfertigung nicht.

Wenn es so ist, dass Nebenabsprachen die Regel sind – wie kommt es dann, dass hier zum ersten mal so etwas publik gemacht wurde?

Auch da hilft ein Rückblick: als 1992 in Baden-Württemberg zum ersten mal mit schwarz-grünen Sondierungsgesprächen das Gespenst einer solchen Landesregierung schemenhaft sichtbar wurde, gab es in der Öffentlichkeit und nicht zuletzt in der Wirtschaft erhebliche Zustimmung, mindestens aber wohlwollendes Interesse. Zugleich gab es erhebliche Aufregung bis hin zu nackter Panik bei den Mitgliedern der beiden Parteien. Das Experiment endete, bevor es richtig begonnen hatte.

Übrig geblieben ist bis heute die Furcht, eine solche Koalition sei selbstmörderisch. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, dass ein Eingeweihter aus einer der beiden Parteien bei der ersten sich bietenden Gelegenheit Öffentlichkeit schafft über etwas, das doch nicht öffentlich bleiben sollte.

Deswegen ist nicht so sehr bemerkenswert, dass es solche Geheimabsprachen gab, sondern, dass allen Ernstes Leute glaubten, dass die geheim bleiben würden. Noch merkwürdiger, ja dümmer, war, dass man nach der ersten Veröffentlichung nicht sofort den Weg der Offensive wählte. Zu diesem Zeitpunkt musste klar sein, dass das die einzige Chance zur Schadensminimierung wäre. Erst damit wurde meiner Meinung nach wirklich Schaden angerichtet.

Etwas anderes an dieser Geschichte scheint mir bemerkenswert: Teil der bundesdeutschen Politik ist seit einiger Zeit ein Begriff, der von vielen diskussionsfrei als grundgesetzhaft behandelt wird. Das Wort dafür heißt: Schuldenbremse, und alle Akteure sind verpflichtet, sie umzusetzen. Dabei wird in der Regel übersehen, dass es sich um eine formale Festlegung handelt – Nettoneuverschuldung ist unzulässig. Damit hat sich „die Politik“ selbst die Möglichkeit genommen, situationsabhängig zu reagieren. Dabei gab es in den letzten Jahren einige Beispiele, in denen Regierungshandeln mit erheblichen Geldausgaben direkt auf Veränderungen reagierte. Haushaltspolitik war immer die in Zahlen ausgedrückte Veränderungsarbeit. Mit „Beschluss“ der Schuldenbremse begab man sich solcher Möglichkeiten. Wenn formale Schranken den Veränderungen Einhalt gebieten, ist die Politik am Ende. Seither begann ein nicht immer öffentlicher Wettbewerb, wie man möglichst kreativ diese Festlegung unterlaufen könnte. Auch unter diesem Aspekt muss man die baden-württembergischen Geheimabsprachen begreifen.

Zwei Fragen sind schlussendlich zu stellen:

  • Ist Politik mit immer reinen Händen möglich? Ist sie auch dann noch möglich, wenn man die beschützende Werkstatt der Opposition verlässt?
  • Wie sehr machen Whistleblower und Journalisten „Politik“, ohne politisch verantworten zu müssen? Nur um anzudeuten, worum es hier geht: Insider-Informanten nutzen nicht ungerne Journalisten, um über diese Politik in andere Bahnen zu lenken. Journalisten deklarieren das dann zu eigener Recherche. Die Konsequenzen müssen beide in aller Regel nicht tragen.

Ich würde mir eine Medienlandschaft wünschen, die diese beiden Fragen offen und streitend diskutiert – Demokratie lebt von Einmischung und Transparenz."