ABC der Akteure in der Dessauer Polizeiaffäre

Ein Organigramm, wie die Polizeidirektion Dessau und das Innenministerium zusammenhängen und wo Sie auch die meisten Akteure wiederfinden, gibt es hier (pdf-file).

Die Namen der beteiligten Akteure in alphabetischer Reihenfolge:

BITTMANN, Folker

Als Leitender Oberstaatsanwalt der Chef der Anklagebehörde. Seine Staatsanwaltschaft ermittelte gegen Christian KAPPERT, einem der 3 Ex-Staatsschützer. Gegen den Polizeivizepräsidenten Christoph GLOMBITZA machte sie das nicht


BÖHMER, Wolfgang, CDU

Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, ins Amt gewählt durch eine Große Koalition aus CDU und SPD. Von ihm stammt der Satz:
„Wenn Leistung sich nicht lohnt, ist jeder dumm, der sich anstrengt.“
Er sagte dies im Zusammenhang mit der Umsetzung gesellschaftlicher Werte in der Politik. Nachzulesen in der Magdeburger Volksstimme vom 6. November 2006.
Auf unsere Nachfragen, wie denn die Kampagne „Hingucken!“ und die Ausgrenzung jener drei ehemaligen Staatsschützer zusammenpasse, die sehr genau hingeguckt haben, bekam die Redaktion www.waechterpreis.de die lapidare Antwort, man müsse erst die Ergebnisse der Parlamentarischen Untersuchungsausschusses abwarten


BUDDE, Katrin

Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag in Magdeburg


ENNULLAT, Swen

Jahrgang 1976, Ausbildung im Mittleren Polizeivollzugsdienst, dann Studium des gehobeneren Polizeivollzugsdienstes und Abschluss als Diplomverwaltungswirt (FH). Zunächst bei der Schutzpolizei, dann bei der Kriminalpolizei. Vor seiner Berufung zum Leiter der Projektgruppe „Netzwerk Staatsschutz“ zuständig für „unnatürliche Todesfälle“ in der Polizeidirektion Dessau. Nach erfolgreichem Abschluss des Projekts Sachgebietsleiter im Fachkommissariat „Polizeilicher Staatsschutz“, zählt zu den wichtigsten Mitarbeitern von Sven GRATZIK.
Nach den fraglichen Vorgängen ab 2007 wird ENNULLAT umgesetzt – auf Anweisung der Polizeipräsidentin: nunmehr Leiter des Revierkommissariats Wolfen. Seit Juli 2007 Teilnehmer eines Masterstudiengangs „Public Administration and Police Management“ an der Deutschen Hochschule für Polizei. Sein Dienstherr hat andere Vorstellungen. ENNULLAT muss mehrfach vor Gericht dagegen klagen (vier Gerichtsverfahren, Stand April 2008) – er gewinnt in allen Instanzen. Daraufhin wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet, in dem die charakterliche Eignung von ENNULLAT als Polizeichef in Frage gestellt wird. Nachdem das erste Jahr des Studiums erfolgreich abgeschlossen ist, sollte alles zu Ende sein. Doch ENNULLAT sagt: "Ich habe dieses Mal jedoch nicht auf Justitia vertraut, sondern mich auf sehr unbürokratischem Weg beim Polizeipräsidenten in Berlin beworben...". Und dort erhält er nach einigen Tagen die Zulassung zum zweiten Studienjahr. 

In Berlin wird das Disziplinarverfahren unbegründet eingestellt und ENNULLAT steigt als Polizeibeamter in den höheren Dienst ein. Als Kriminalrat ist er Leiter der Auswertungseinheit Islamismus / Islamistischer Terrorismus und dadurch wieder im polizeilichen Staatsschutz im Landeskriminalamt tätig. Dort arbeitet er bis Ende 2012. Ab Januar 2013 veränderte sich ENNULLAT beruflich. Er wird Fachbereichsleiter für Bildung und Ordnung in der Stadt Königs Wusterhausen in Land Brandenburg.

Anfang Februar 2013 veröffentlicht ENNULLAT sein Werk "Alpendohle". In diesen fiktiven Roman lässt ENNULLAT vieles einfließen, was er aus seinen Erfahrungen beim Bekämpfen der rechten Szene und des islamistischen Terrors, aber auch was er im Polizeidienst am eigenen Leib erlebt hat.

2014 ist es wieder soweit: Swen ENNULLAT wird zum zweiten Male Whistleblower: www.ansTageslicht.de/Ennullat


GALLERT, Wulf

Fraktionsvorsitzender der Linkspartei


GLOMBITZA, Hans-Christoph

Leitender Polizeidirektor, inzwischen im Ruhestand. Ihm wird das Zitat „Man muss nicht alles sehn“ zugeschrieben. Er will das nicht direkt so gesagt haben. Vor dem Untersuchungsausschuss hatte er das aber so formuliert:
„Wer hohe Fallzahlen hat, muss zwangsläufig damit leben, dass er im Bundesdurchschnitt schlecht dasteht.“
Und:
„Niemand ist damit glücklich. Wir nicht, das LKA nicht, das Land nicht.“


GRATZIK, Sven

Jahrgang 1970, erst Polizeischule, dann Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege, Fachbereich Polizei, Abschluss als Diplomverwaltungswirt (FH): Jahrgangsbester. Eintritt in den Polizeidienst in verschiedenen Funktionen. Steigt vom so genannten Mittleren Dienst über den gehobenen Dienst in den Höheren Dienst auf. Nach einem Studium im Rahmen eines Aufstiegs in den höheren Polizeivollzugsdienst an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster und einem Praktikum im Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt (Abteilung Polizeilicher Staatsschutz), wird GRATZIK im August 2004 mit der Leitung des Fachkommissariats „Polizeilicher Staatsschutz“ der Polizeidirektion Dessau beauftragt. Nach den fraglichen Vorgängen ab 2007 demissioniert er in seiner Abteilung, wird erst Leiter des Reviereinsatzdienstes im Polizeirevier Köthen, ab Ende 2007 dann im Polizeirevier Saalkreis, dort aber ohne Aufgabenbereich. Seit Anfang 2008 ist er Leiter des Fachkommissariats „Banden- und Betäubungsmittelkriminalität, Organisierte Kriminalität“ in der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd


HARTUNG, Herbert

Landtagsabgeordneter der CDU, Mitglied des Petitionsauschusses. War mit dem Hilferuf durch einen der 3 Staatsschützer befasst, als ihm das Protokoll am 25. April 2007 zugegangen war und er sich in seiner Funktion als "Petitionsabgeordneter" mit KAPPERT noch am selben Tag unterhalten hatte. HARTUNG gab das Protokoll noch in der selben Woche direkt an Innenminister HÖVELMANN weiter.
Sagte gegenüber der panorama-Redaktion in einem Beitrag am 5. Mai 2007 zu diesem Vorgang:"Ich sehe es so, dass jetzt die Kleinen geschlachtet werden sollen, und die anderen lässt man laufen. Und das kann nicht sein, das kann einfach nicht sein."


HENKE, Guido, Die Linke

Mitglied im Landtag in Magdeburg, stammt aus Köthen. Ist stellvertretender Vorsitzender des 10. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Staatsschützer-Affäre


HÖVELMANN, Holger, SPD

Innenminister in der Großen Koalition. Stammt aus der Stadt Zerbst, in dem sich eigenartige Vorfälle abgespielt haben. Hat sich bisher geweigert, als oberster Dienstherr mit ‚seinen’ drei ehemaligen Staatsschützern mal persönlich zu sprechen bzw. ist nicht für sie zu sprechen.

Seit 2009 ist Holger HÖVELMANN stellvertretender Landesvorsitzender der SPD Sachsen-Anhalt. Er vertritt als Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt den Wahlkreis 27 im Landtag seit 2011. Darüberhinaus ist er Mitglied in verschiedenen Vereinen und Organisationen, sowohl in Anhalt, als auch auf Landesebene.


KAPPERT, Christian

Jahrgang 1978, Eintritt in den Polizeivollzugsdienst 1994, diverse Lehrgänge, Fachhochschulreife an der Polizeifachhochschule, Einsatzbeamter und Gruppenführer, von Oktober 2005 – April 2007 Mitarbeiter im Fachkommissariat Polizeilicher Staatsschutz in Dessau, dort zuständig für das Sachgebiet Gefahrenabwehr-Informationsbeschaffung-Auswertung. Er gehört zu den wichtigsten Mitarbeitern von Sven GRATZIK. 
Nach den fraglichen Vorgängen ab 2007 umgesetzt in den Polizeipräsenzdienst als Sachbearbeiter Einsatz- und Streifendienst


KOSMEHL, Guido

FDP-Abgeordneter im Magdeburger Landtag


KREMS, Martin

Sprecher des Innenministeriums von HÖVELMANN


KOLZE, Jens, CDU

Mitglied der CDU im Landtag, stammt aus Dessau. Fungiert als Vorsitzender des 10. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Staatsschützer-Affäre


LIEBAU, Klaus-Dieter, CDU

Ministerialdirigent im Innenministerium, Leiter der Abt. 2 „Öffentliches Recht und Ordnung“. Über seinen Schreibtisch laufen alle Vorgänge, die wichtig und/oder politisch relevant sind. Über ihm stehen nur noch der Staatssekretär und der Minister. Kam mit HÖVELMANN in dieses Amt. 
LIEBAU hat ein besonderes Verhältnis zur Polizei: seine Frau war bis Ende 2007 selbst als Polizeipräsidentin (Magdeburg) aktiv und arbeitet nun in ‚seinem’ Ministerium.
Die ganze 'Affäre' sieht LIEBAU nach eigener Aussage gegenüber waechterpreis.de "ganz nüchtern" und "emotionsfrei": es ist ein normaler Vorgang, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorgesetztem und Untergebenen komme. Allerdings sei es hier zu einem "Versagen in der Kommunikationsfähigkeit" gekommen.
Was ihm an der ganzen Sache nicht gefällt: der Weg des Gedächtnisprotokolls. Das hätte nach seiner Meinung anders laufen müssen: Hätten die 3 Staatsschützer gemeint, dass das, was ihnen der Polizeivize zu verstehen gegeben hätte, den Dienstvorschriften widerspreche oder es in klarem Widerspruch zu anderen Normen stünde, hätten sie aufgrund der so genannten Remonstrationspflicht sofort danach zur übergeordneten Polizeipräsidentin gehen "müssen". 
Die 3 Staatsschützer hatten das Gespräch und die Äußerungen allerdings nicht als "Anweisung" verstanden, sondern als möglicherweise neue 'Politik des Hauses' und waren zunächst ratlos, weshalb sie sich auch bei anderen Stellen erkundigt hatten, ob es einen Sinneswandel gegeben hätte. LIEBAU sieht allerdings auch, dass man seine Einschätzung auch anders sehen kann.
Was ihm am wenigsten gefällt: dass die ganze Angelegenheit dadurch, dass sie durch die Medien in die Öffentlichkeit geraten ist, "nicht mehr sachlich beherrschbar" geworden sei.
Für die Zukunft der 3 ehemaligen Staatsschützer sieht er klare Wege: niemandem sei ein weiterer Aufstieg verbaut und es habe mehrere Gespräche mit ebenso klaren "Verwendungsergebnissen" gegeben.


MÖNCKMEYER

Leitender Polizeidirektor im Innenministerium, dort in der Abt. 23 „Polizeivollzugsdienst“. Hatte das ‚Protokoll’ bzw. den “Vermerk“ zweier an der Polizeiakademie Niedersachsen studierender Kommissare ‚bestellt’ und in Empfang genommen, die ein das Ministerium interessierendes Gespräch von Swen ENNULLAT mit ihnen nachträglich 'protokolliert' hatten


NITSCHE, Rainer

Rektor der FH der Polizei in Aschersleben, wurde mit einem „Gutachten“ beauftragt (Nitsche-Gutachten), das das Verhalten des Leitenden Polizeidirektors überprüfen sollte; Gutachten wurde nicht veröffentlicht – es wurde nur das Ergebnis kommuniziert. Der Tagesspiegel v. 16.1.2008“, berichtet die Aussagen und Antworten von NITSCHE im Untersuchungsausschuss so:
“Exemplarisch für die Zeugen, die Glombitza verteidigen, ist der Auftritt von Rektor Nitsche vor dem Ausschuss. Glombitza habe von den drei Beamten verlangt, "rechte Kriminalität sollte anders bekämpft werden, nicht weniger", sagt der Chef der Fachhochschule. Und Glombitzas abfällige Bemerkung über das "Hingucken!"-Projekt relativiert Nitsche, "er hat aber nicht gesagt, das gilt für uns nicht". Auch wenn Worte wie "für die Galerie" schon "töricht" gewesen seien.“
NITSCHE und GLOMBITZA kennen sich sehr gut – sie wohnen im selben Ort


SCHARF, Jürgen

CDU-Fraktionschef im Landtag


SCHERBER-SCHMIDT, Brigitte

Ehemalige Polizeipräsidentin in Dessau und damit Chefin der 3 Ex-Staatsschützer. Betonte vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss: "Die Versetzungen der drei Staatsschützer stehen nicht im Zusammenhang mit dem Gedächtnisprotokoll." 
Hatte zuvor u.a. zusammen mit Klaus-Dieter LIEBAU in einer anderen Behörde zusammengearbeitet


SCHUMANN, Walter

Polizeipräsident von Sachsen-Anhalt Ost in Halle. Erteilte der Redaktion www.waechterpreis.de eine Interview- und gleichzeitig eine Aussagegenehmigung für Sven GRATZIK


STAHLKNECHT, Holger

Vizevorsitzender der CDU-Fraktion im Magdeburger Landtag


STAHLKNECHT, Holger

Vizevorsitzender der CDU-Fraktion im Magdeburger Landtag


TIEDGE, Gudrun

Stellvertretende Landesvorsitzende der Partei Die Linke und Mitglied im Landtag. Ebenso Mitglied im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dieser Affäre


WILBERG, Karl-Heinz

Polizeipräsident der Polizeidirektion Dessau und Nachfolger von Frau SCHERBER-SCHMIDT. Setzt sich dafür ein, dass die Arbeit im Staatsschutzkommissariat im Sinne der ehemaligen Staatsschützer fortgeführt wird. War sofort einverstanden, dass die Redaktion www.waechterpreis.de Swen ENNULLAT und Christian KAPPERT interviewen durften und erteilte eine entsprechende Aussagegenehmigung


(AQ, JTel)