Die Berichte des Tagesspiegel, 06.12.2007

von Frank JANSEN

Rechte Gewalt

Viele Meldungen aus Sachsen-Anhalt sind schlicht gruselig. In Magdeburg prügeln Rassisten mehrere Afrikaner und eine schwangere Irakerin, das Landeskriminalamt muss zugeben, die Zahlen über rechte Kriminalität geschönt zu haben, im Landtag müht sich ein Untersuchungsausschuss mit einer Serie von Versäumnissen der Polizei bei der Bekämpfung brauner Straftäter ab. Und aus der Zivilgesellschaft ist nur wenig Protest zu hören. Die von der Landesregierung initiierte Kampagne mit dem Titel "Hingucken!" hat bisher keinen radikalen Wandel der offenbar weit verbreiteten Mentalität des Wegguckens oder sogar der Sympathie für die NPD und andere Rechtsextremisten bewirkt. Sachsen-Anhalt, so scheint es, ist ein Beleg für das vor allem von Westdeutschen oft zu hörende Schlagwort, der Osten sei braun. Doch die Realität ist anders, komplexer - und es gibt Anlass zur Hoffnung, dass auch eine ostdeutsche Region aus eigener Kraft in der Lage sein kann, Rassismus und Rechtsextremismus zumindest langfristig zurückzudrängen.

Man kann Sachsen-Anhalt ein anderes neues Bundesland entgegenhalten, das deutlich weiter ist: Brandenburg. Natürlich treten auch hier Rechtsextremisten provokativ und gewalttätig auf, die DVU sitzt seit 1999 im Landtag, Teile der Gesellschaft bleiben unbeirrbar ausländerfeindlich, obwohl der Anteil der Migranten an der Bevölkerung kaum zwei Prozent übersteigt. Und dennoch: Wenn ein NPD-Funktionär ein Schulungsheim einrichten will, dann regt sich sofort Widerstand. Das von der rechten Szene bundesweit als Höhepunkt im Aufmarschkalender geplante "Heldengedenken" zum Volkstrauertag in Halbe fiel dieses Jahr aus. Die Demokraten hatten es mit hartnäckigem Widerstand geschafft, den Neonazis das makabre Spektakel zu vermiesen. So etwas macht Mut.

Außerdem hat die Regierung in Potsdam, im Unterschied zu der in Sachsen-Anhalt, begriffen, dass die Sicherheitsbehörden besser gerüstet sein müssen, auch mental. In Brandenburg steht eine größere Polizeispezialeinheit den Neonazis auf den Stiefeln, der Verfassungsschutz beteiligt sich an der vorbeugenden Aufklärung von Jugendlichen und Erwachsenen. In der Justiz wächst das Bewusstsein, bei rechtsextremen Straftätern sei Milde oft unangebracht. Das Bildungsministerium bemüht sich schon seit Jahren mit der Kampagne "Tolerantes Brandenburg", in Schulen und Kindergärten junge Menschen gegen Rechtsextremismus zu impfen. Dieses Klima staatlichen Engagements kommt den zivilgesellschaftlichen Initiativen zugute, die sich beispielsweise um die Opfer rechter Gewalt kümmern.

Ideal sind die Zustände auch in Brandenburg nicht. Und die Entwicklung zum Besseren wurde nicht ganz freiwillig eingeleitet. Jahrelang beklagten sich Brandenburger Politiker über die Berichterstattung vor allem von Berliner Medien nach rechtsextremen Angriffen, heute wird der Druck als Hilfe bei der Wahrnehmung des Problems gewertet. Doch bei aller gebotenen Distanz, das Zusammenwirken von Politik, Behörden, Medien und zivilgesellschaftlichen Initiativen zeigt in Brandenburg Wirkung. Andere Ostländer haben in dieser Beziehung viel nachzuholen.

Wer durch Sachsen-Anhalt fährt, der fühlt sich an die neunziger Jahre in Brandenburg erinnert, als die Behörden oft lasch reagierten, wenn Ausländer wie Freiwild gejagt wurden. Auch in Sachsen zeigt sich ein erschreckender Mangel an Sensibilität. Verharmlosende Sprüche, die nach dem Krawall in Mügeln vom Bürgermeister bis hin zum Ministerpräsidenten zu hören waren, sind gelinde gesagt fatal. Die vielen Ausländerfeinde in der Bevölkerung können sich bestätigt fühlen, die potenziellen Opfer, neben Migranten vor allem junge Linke, sehen sich im Stich gelassen. Ein ähnliches Signal geht von der wuchernden Polizeiaffäre in Sachsen-Anhalt aus. Wenn schon ein Teil der Sicherheitskräfte den Kampf gegen rechte Schläger nicht ernst nimmt, warum soll sich dann der Bürger engagieren?

Immerhin gibt es in Sachsen einen mutigen Hotelier, der NPD-Leute abweist. In Brandenburg gibt der ganze Hotelverband Neonazis kein Bett und kein Bier.