Kleines Glossar: Kriegsverbrecher, SS-Einheiten, Massaker

Fünf Prozent der Wehrmachts- und SS-Angehörigen sollen Kriegsverbrecher gewesen sein, schildert der Militärhistoriker Gerhard SCHREIBER . Bis zum Jahr 1998 gab es keine Auschlussklausel im Bundesversorgungsgesetz für Straftäter aus dem Zweiten Weltkrieg. Dadurch erhielten sie bis zu 800 DM zusätzliche Rente im Monat überwiesen.

Im folgenden werden die Kriegsverbrecher und ihre Witwen beschrieben, die wäh-rend der Recherchen von John GOETZ und Volker STEINHOFF oder bei der Bearbeitung des Themas „Steuermilliarden für Kriegsverbrecher“ eine Rolle gespielt haben. Zudem werden zwei lettische SS-Einheiten näher vorgestellt.

(Nur) Eine kleine Auswahl, die in diesem Kontext eine Rolle spielt: 

  1. Heinz BARTH
  2. Herberts CUKURS
  3. Kasys CIURINSKAS
  4. Wilhelm MOHNKE
  5. Wolfgang LEHNIGK-EMDEN
  6. Boleslavs MAIKOVSKIS
  7. Thies CHRISTOPHERSEN
  8. Arnolds MENZINS
  9. Witwen von Kriegsverbrechern
    1. Marion FREISLER
    2. Lina HEYDRICH
    3. Adelheid TURNER
  10. SS-Einheiten
    1. Lettische Legion
    2. ARJAS Kommando

     

    1. Heinz BARTH

    Geb.: 15. Oktober 1920

    Gest.: 06. August 2007

    Ehemalige Einheiten:

    • Ab 1940: SD-Mitglied im Protektorat Böhmen
    • Ab 1943: Mitglied der Waffen-SS

     

    Dienstgrad:

    • Obersturmführer der Waffen-SS

     

    Beschuldigte Kriegsverbrechen:

    • 10. Juni 1944: Massaker von Oradour (mind. 642 Ermordete)

    Heinz BARTH wurde am 15. Oktober 1920 in Gransee geboren und starb in der brandenburgischen Kleinstadt am 06. August 2007. Während der Zeit des Nationalismus beteiligte sich Heinz BARTH in der Politik als:

    • 1939: Mitglied der NSDAP
    • 1940-1942: SD-Mitglied im Protektorat Böhmen und Mähren
    • 13. Februar 1943: Mitglied der Waffen-SS 

    Kriegsverbrechen – Das Massaker von Oradour

    Heinz BARTH wurde Zugführer der 2. Panzerdivision „Das Reich“. Sie war 1943 aus der SS-Panzerdivision "Frundsberg" entstanden, die zuvor an der Ostfront kämpfte.

    1944 wurde die Division nach Toulouse (Südwestfrankreich) verlegt. Der französische Widerstand verwickelte den militärischen Verband in Kämpfe, auch um die Gemeinde Guéret. Auf dem Rückweg nach St. Léonard verschwand der SS-Sturmbannführer KÄMPFE. Dieses Ereignis wurde als Vorwand genommen, das Dorf Oradour und seine Menschen flächendeckend zu vernichten. Der Kompaniechef Otto KAHN sagte später in einem Ermittlungsverfahren aus: „Diekmann [Bataillonskommandeur, Anm. d. Red] eröffnete mir, dass als Befehl die Niederbrennung und Vernichtung des Dorfes Oradour eingegangen sei, was ich auszuführen hätte“ (StA Dortmund, AZ 45 Js 2/62).

    Am 10. Juni 1944 wurden alle die Männer des Ortes in einer Scheune zusammengetrieben, erschossen und verbrannt. Die Frauen und Kinder wurden in die Kirche getrieben und dann mit einer Gasbombe ermordet. Die wenigen, die noch lebten, wurden einzeln und nachträglich erschossen, die Kirche in in Brand gesetzt. 642 Menschen wurden im Laufe dieses Tages vernichtet. Das jüngste Opfer war nur acht Tage alt. Nur ganz wenigen gelang die Flucht oder konnten sich verstecken.

    Im weiteren Kriegsverlauf in der Normandie wurde der Bataillonschef DIEKMANN getötet. Heinz BARTH verlor ein Bein, seine Schulter wurde schwer verletzt und er geriet in Kriegsgefangenschaft. 1946 gelangte er zurück nach Gransee bei Potsdam.

    Todesurteil für Heinz BARTH

    Am 12. Januar 1953 begann der Prozess in Bordeaux gegen 21 anwesende Personen und 44 Flüchtige, darunter Heinz BARTH. Am Ende wurde zwei Anwesende zum Tode verurteilt, sowie alle abwesenden Kriegsverbrecher. Die Auslieferung der zum Tode verurteilten Flüchtigen verweigerte die Bundesregierung unter ADENAUER mit dem Hinweis auf den Artikel 16, Absatz 2: „Kein Deutscher darf ans Ausland ausgeliefert werden.“

    Leben und Verurteilung in der DDR von Heinz BARTH

    In der DDR arbeitete Heinz BARTH als Textilkaufmann und gründete eine Familie. Während einer Routineuntersuchung 1976 von DDR-Grenztruppen wurde er als Verwandter eines Bewerbers kontrolliert.

    Die Überprüfungen ergaben zunächst die Mitgliedschaft BARTHs beim Schutzdienst in Böhmen und Mähren. Erst nach und nach kamen Informationen zusammen, die eine aktive Beteiligung von BARTH am Massaker von Oradour nachwiesen:

    • Beim Sichten alter Unterlagen, u.a. aus der CSSR, fand man Informationen über die Massenerschießungen von Pardubice. Mit dabei: ein Heinz BARTH
    • weitere Hinweise ergaben sich aus einem Buch des dänischen Publizisten Jens KRUSE: Oradour aus dem Jahr 1969
    • daraufhin besorgte sich die DDR zu "kommerziellen Zwecken" aus dem in Westen Berlins ansässigen Document Center weitere Unterlagen aus der NS-Zeit, die die Amerikaner dort unter Verschluss hielten
    • als sich der Verdacht verhärtete, ließ man sich 1979 das Urteil des Gerichtes in Bordeaux von 1953 kommen

     

    Am 14. Juli 1981 wurde BARTH verhaftet und im folgenden Prozess am 7. Juni 1983 zu einer lebenslangen Haft verurteilt, aufgrund seiner Verbrechen in Oradour und einem weiteren Massaker in der Tschechoslowakei mit 92 Tote im SS-Panzergrenadier-Regiment 4 „Der Führer“. Im Juli 1997 wurde er - krankheitsbedingt und jetzt unter bundesdeutschem Recht, das weit weniger konsequent mit NS-Tätern umging - aus der Haft entlassen.

    Versorgungsrente

    Bereits 1991, also nach der Wiedervereinigung hatte BARTH eine Opferrente beantragt: unter seiner ehemaligen Privatadresse in Gransee. Tatkräftige Unterstützung fand er in der ehemaligen "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e.V. (HIAG)", mit deren Hilfe es ihm gelang, sein Verurteilten- und Häftlingsstatus dem Versorgungsamt zu verschleiern. Das Amt zahlte nach Eingang des Antrags und ohne weitere Kenntnis der Situation die Rente auf sein privates Bankkonto aus.

    Erst nach und nach wurde die Außenstelle des Versorgungsamts Potsdam stutzig und begann zu recherchieren. Informationen über das Bundesarchiv führten schnell zu dem Buch "Mörder von Oradour", das die beiden ehemaligen DDR-Staatsanwälte Horst BUSSE und Peter PRZYBYLSKI geschrieben hatten, die seinerzeit auch den Strafprozess gegen BARTH initiierten. Jetzt war klar, wem man da monatlich Geld ausgezahlt hatte. Der zuständige Abteilungsdirektor des Versorgungsamtes in Cottbus bekam Bedenken, fasste sich ein Herz und traf - so gesehen - eine mutige Entscheidung: Er ließ die Zahlungen stoppen - keine Zusatzrente für einen Massenmörder.

    Der Kriegsverbrecher klagte vor dem Sozialgericht Potsdam und erhielt Recht. Konkret: weiterhin seine zusätzlichen 800 DM im Monat.

    Erst mit dem Jahr 1998, als nach den panorama -Berichten sich die Mehrheit im Deutschen Bundestag dazu entschließen konnte, in einem Zusatz das Bundesversorgungsgesetz zu ändern und Kriegsverbrechern diese Zusatzrente künftig zu verweigern, konnte auch das Versorgungsamt Cottbus seine Zahlungen einstellen. Im Jahr 2007 starb der „Mörder von Oradour“ an einem Krebsleiden.

    Literaturempfehlungen:

    • Das „Massaker von Oradour“ wurde 1988 von Lea ROSH verfilmt. Zeitgleich dazu hat die Journalistin des damaligen SFB, heute rbb zusammen mit dem stern-Redakteur Günther SCHWARBERG ein Buch veröffentlicht (144 S.): "Der letzte Tag von Oradour". Dort ist auf S. 112 ff beschrieben, wie man BARTH aufgespürt hatte.
    • Das Buch der beiden ehemaligen DDR-Staatsanwälte Horst BUSSE und Peter PRZYBYLSKI, Mörder von Oradour, stammt aus dem Jahr 1984 (175 S.) und gibt u.a. auch den Verlauf der Gerichtsverhandlung von 1983 wieder

    2. Herberts CUKURS

    Geb.: 17. Mai 1900

    Gest.: 24. Februar 1965

    Ehemalige Einheiten:

    Ab 1941: ARJAS Kommando

     

    Dienstgrad:

    Stellvertretender Kommandeur des ARJAS Kommando

    Oberleutnant der lettischen Armee bis 1926

     

    Beschuldigte Kriegsverbrechen:

    30. November 1941: Massaker von Rumbula (mind. 25000 Ermordete)

    Herberts CUKURS wurde am 17. Mai 1900 in der lettischen Hafenstadt Liepāja geboren. Am 24. Februar 1965 wurde er in der argentinischen Stadt Montevideo von dem israelischen Geheimdienst Mossad ermordet. Er beteiligte sich während des Zweiten Weltkriegs an dem ARAJS Kommando .

    „Der lettische LINDBERGH“

    Vor dem zweiten Weltkrieg nahm er am lettischen Unabhängigkeitskrieg 1917 teil. In der Armee wurde bis zum Oberleutnant befördert, bis er 1926 unehrenhaft aus der Armee entlassen und arbeitete danach als Taxifahrer in Riga.

    Er entwickelte bis in die 1930er mindestens drei Flugzeuge, sowie 1940 die Cukurs C6bis, ein Sturzkampfflugzeug. Mit seinen Flugzeugen unternahm er eigenständig mehrere Langstreckenflüge. Von Lettland aus flog er 1934 nach Gambia und 1937 nach Tokyo. Er wurde wieder in die Armee aufgenommen und begann ein Studium in Riga. Sein jüdischer Nachhilfelehrer Sholem KOBLIAKOV beschrieb ihn später als begrenzen, bornierten, ungebildeten und groben Menschen. Zu dem soll CUKURS zu KOBLIAKOV folgendes offenbart haben: „Weißt du, Scholem, daß wir Letten euch nicht mehr nötig haben. Wir sind jetzt selbst befähigt, die Industrie, den Handel und die Finanzen zu leiten.“

    „Der Henker von Riga“

    Als die Nationalsozialisten Lettland überfielen, sympathisierte CUKURS mit ihnen und wurde Mitglied des ARAJS Kommando. Dieses war der Sicherheitsdienst der Nazis in Riga unter der Führung des SS-Sturmbannführers Viktors ARAJS. Das Kommando ist für den Holocaust in Riga verantwortlich. Er selbst war verantwortlich für Massenexekutionen im Rigaer Ghetto und das Rumbula Massaker, bei dem alleine 25.000 Juden getötet wurden. Außerdem brannten sie die jüdischen Synagogen in Riga nieder.

    Das Simon Wiesenthal Center macht ihn speziell für mehrere Verbrechen verantwortlich. Darunter Massenmord, Vergewaltigungen, Hinrichtungen und Folter. Der jüdische Holocaust-Überlebende Rafael SHUB beschrieb in einem Interview, wie CUKURS acht Juden verbrannte. Abraham SHAPIRO überlebte ebenfalls die Verbrechen und erzählte ebenfalls von CUKURS Morden und von sexuellen Übergriffen an einem jüdischen Mädchen.

    Das Simon Wiesenthal Center zählt weitere Augenzeugen auf, in dem die Schuld von Herberts CUKURS beschrieben wird.

    Nach dem Krieg flüchtete CUKURS 1960 nach Brasilien.

    "Anton KÜNZLE", ein Pseudonym, ermordet CUKURS

    In Brasilien lebte er in Sao Paolo unter seinem Namen weiter. Eine Auslieferung wurde durch die Sowjetunion verhindert, da diese kein Interesse an einer Verurteilung zeigte. Zu dem lebte er unter dem Schutz des brasilianischen Sicherheitsdienstes. Sein Geld verdiente er mit einem Lufttaxi und einem Tretbootverleih.

    CUKURS wurde am 23. Februar 1965 ermordet. Erst einen Monat später, im März wurde seine Leiche in einem Schiffskoffer in einer leeren Villa im argentinischen Montevideo gefunden. Auf seiner Brust lag ein Zettel mit der Aufschrift:

    „Angesichts der schweren Anschuldigungen und besonders seiner persönlichen Ver-antwortung für die Ermordung von 30 000 Männern, Frauen und Kindern und unter Berücksichtigung der besonderen Grausamkeit, die er dabei an den Tag legte, haben wir beschlossen, Herbert Cukurs zum Tode zu verurteilen. Die Strafe wurde am 23. 2. 1965 vollstreckt, von denen, die nie vergessen.“

    Unter falschen Vorwand lockte ihn sein Mörder, der nur unter dem Pseudonym Anton KÜNZLE bekannt ist, nach Montevideo. Zunächst musste er aber CUKURS 'Vertrauen gewinnen, da dieser sehr misstrauisch war. Er lebte in einem Haus umgeben von hohen Mauern, Stacheldraht und von Deutschen Schäferhunden bewacht. Erst danach konnte der Mordplan durchgeführt werden. Den Hinterhalt hat CUKURS zu spät bemerkt. Er wehrte sich, wurde dann von den anwesenden Mossad-Agenten mit einem Hammerschlag und zwei Kopfschüssen hingerichtet. Die Leiche wurde in den Koffer gesteckt.

    Dieser Mord sollte offenbar als Zeichen dienen, damit die Verbrechen aus der Zeit des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten. 1965 nämlich sollten in der Bundesrepublik alle Nazi-Untaten, einschließlich alle Morde verjähren: 20 Jahre nach dem totalen Zusammenbruch. Dem wollte Israel einen Riegel vorschieben: Indem man durch eine spektakuläre Aktion das Gedächtnis der Weltöffentlichkeit aufrüttelte. So hat es DER SPIEGEL - allerdings erst 1997 im Zusamenhang mit der dann bereits laufenden Diskussion um Kriegsverbrecherrenten - beschrieben:  Dies ist mein Mörder .

    Die Mehrheit im Deutschen Bundestag konnte dann - über die Parteigrenzen und die Regierungskoalition von CDU/CSU/FDP hinweg - tatsächlich eine Verlängerung der Frist erreichen: um 4 Jahre. Begründung: die 20jährige Verjährungsfrist würde erst mit Gründung der BRD im Jahr 1949 zählen.

    John GOETZ’s Fund im Rigaer Kriegsmuseum

    Während seiner Recherche 1993 entdeckte John GOETZ die Statue von CUKURS im Rigaer Kriegsmuseum. Für den Journalisten ein wichtiges Indiz für die antisemitischen Bewegungen in Lettland der 90er Jahre.

    3. Kazys CIURINSKAS

    Geb.: 2. Februar 1918

    Gest.: 2001

    Ehemalige Einheiten:

    • 2. Bataillon der litauischen Schutzmannschaft

     

    Dienstgrad:

    • unbekannt

     

    Beschuldigte Kriegsverbrechen:

    • November 1941: Ermordung von 12000 Juden

     

    Kazys CIURINSKAS wurde im litauischen Leintai am 26. Februar 1918. Er emigrierte nach dem Krieg in die USA, die ihm die 1999 zugesprochene Staatsbürgerschaft wieder aberkannte und ihn nach Litauen ausfliegen ließ. Dort starb er 2001. Im zweiten Weltkrieg war er Mitglied in der litauischen Schutzmannschaft der Nationalsozialisten.

    Seine Kriegsverbrechen

    CIURINSKAS war im zweiten (später 12.) Bataillon der litauischen Schutzmannschaft in Minsk stationiert. Er nahm im August und September 1941 an der Erschießung von 1.800 Juden im vierten Fort der Kaunas Festung teil. Im Dorf Uzusalis tötete er vierzig Zivilisten, die russische Partisanen mit Essen versorgt hatten. Er war ebenso mitverantwortlich an der Ermordung von 12.000 Juden zwischen dem 7. und 20. November 1941. Im April 1942 trat er auf eine Landmine und verbrachte 13 Monate in einem Krankenhaus. Er wurde danach aus der Armee entlassen.

    Das zweite Bataillon der litauischen Schutzmannschaft soll später, laut „ Simon Wiesenthal Center “ an der „Operation Erntedankfest“ teilgenommen haben, bei dem 42.000 Juden ermordet wurden.

    Die Ausweisung aus den USA

    Im Jahr 1949 emigrierte CIURINSKAS in die USA. Er arbeitete vorher in einer Mühle bei Kaunas bis 1944 und als Gepäckabfertiger bis 1945 in Breslau. Bei seiner Einwanderung gab er an, von 1936 bis 1944 als Müller gearbeitet zu haben. In den USA wurde daraufhin als „displaced person“ (Vertriebener) bezeichnet und als Staatsbürger am 17. Februar 1955 anerkannt.

    Am 6. Juli 1967 schrieb er einen Brief an das deutsche Generalkonsulat und forderte eine Kriegsopferversorgungsrente ein. Um diese zu erhalten musste er wahrheitsgemäß seine Mitgliedschaft im zweiten Bataillon der litauischen Schutzmannschaft preisgeben. Er erhielt die zuästzliche Opferrente, die sich bis zum Jahr 1994 auf 847 DM pro Monat erhöhen sollte.

    Erst Jahre später wurde das US-Justizministerium auf ihn aufmerksam. CIURINSKAS wurde der Prozess im Jahr 1997 gemacht. Die Erstinstanz entzog ihm die Staatsbürgerschaft. Das Urteil wurde vom Circuit Board bestätigt, nachdem er in Berufung gegangen war. Das Gericht argumentierte, dass er vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat, um eingebürgert zu werden. Außerdem sagte es: „We see little difference between being a concentration camp guard as Fedorenko was and being a member of a force dedicated to the extermination of large numbers of civilians as was Ciurinskas.“

    Im Jahr 1999 wurde CIURINSKAS aus den USA nach Litauen ausgeflogen.

    Im Laufe ihrer Recherchen erhielten John GOETZ und Volker STEINHOFF Ende 1996 die Rentenakte von CIURINSKAS vom US-Justizministerium. Laut GOETZ war dies das entscheidende Argument, weitere Berichte für panorama zu produzieren.

    4. Wilhelm MOHNKE

    Geb.: 15. März 1911

    Gest.: 06. August 2001

    Ehemalige Einheiten:

    • Ab 1939: Leibstandarte-SS Adolf Hitler
    • Ab 1943: SS-Panzergrenadier-Division „Hitlerjugend“

     

    Dienstgrad:

    • SS-Brigadeführer
    • Generalmajor der Waffen-SS

     

    Beschuldigte Kriegsverbrechen:

    • 28. Mai 1940: Massaker von Wormhout (97 Ermordete)
    • 1944: Gefangenenerschießungen
    • Dezember 1944: Malmedy-Massaker (mind. 82 Ermordete)

     

    Wilhelm MOHNKE wurde 1911 in Lübeck geboren und starb im Alter von 90 Jahren in Hamburg. Bereits 1931 trat er der NSDAP und der SS bei.

    Seine Karriere in der SS und seine Kriegsverbrechen

    Nur zwei Jahre nach seinem Beitritt der SS wurde er 1933 zur SS-Stabswache (spä-ter: SS-Sonderkommando) in Berlin versetzt. Im gleichen Jahr wurde zum SS-Hauptsturmführer.Er nahm als Chef der 5. Kompanie der Leibstandarte-SS Adolf Hitler(LSSAH) am Überfall auf Polen teil.

    Im folgenden Jahr beteiligte er sich an der Westfront. Dort übernahm er das Kommando des II.Bataillons der LSSAH. Als dieser wurde er beschuldigt den Befehl für das Massaker von Wormhout gegeben. Mindestens 80 britische Soldaten in Kriegs-gefangenschaft wurden getötet. Das Verfahren gegen MOHNKE wurde später wegen Beweismangel eingestellt.

    Als Kommandeur des II.Bataillons nahm er im Balkankrieg teil. Er wurde dort schwer am Bein verletzt. Sein rechter Fuß musste amputiert werden.

    1943 wurde zum Kommandeur des 2. SS-Panzergrenadier-Regiments „Hitlerjugend“ ernannt. Im gleichen Jahr erhielt er seine Beförderung zum SS-Sturmbannführer. Bei der Landung der Allierten 1944 in der Normandie beteiligte sich sein Regiment. Es kam auch hier zu Gefangenenerschießungen. Vor allem kanadische Soldaten wurden getötet.

    MOHNKE übernahm am 30. August 1944 das Kommando der 1. SS-Panzer-Divison der LSSAH. Diese voll übte das Malmedy-Massaker am 17. Dezember 1944. Da die Befehlskette ebenfalls nicht ausreichend geklärt wurde, kam es auch hier nie zu einer Verurteilung von MOHNKE in der Bundesrepublik Deutschland.

    Am 30. Januar 1945 wurde er zum SS-Brigadeführer ernannt. Das Kommando gab er aber nach einer Kopfverletzung bereits wenige Tage, am 06.Februar wieder abgab. Stattdessen übernahm er den Befehl über die Verteidigung des Regierungsviertels in Berlin. Die Kampfgruppe MOHNKE entstand. Er erlebte das Kriegsende vor allem im Führerbunker, von wo aus er seine Befehle direkt von Adolf HITLER erhielt. MOHNKE geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft und kehrte 1955 nach Deutschland zurück.

    Sein Leben nach dem 2. Weltkrieg

    1973 begann die Lübecker Staatsanwaltschaft das Wormhout-Massaker aufzuarbeiten. Britische Überlebende gaben einige Hinweise, die aber nicht ausreichten und deshalb die Akten drei Jahre später wieder geschlossen wurden. 1988 wurde das Verfahren wieder aufgenommen. Allerdings fehlten auch nach dem Studium weiterer britischer Akten, die eigentlich bis 2021 gesperrt sein sollten, immer noch genügend Beweise. Gegenüber dem SPIEGEL erklärte Oberstaatsanwalt Heinrich WILLE, dass es keinen „hinreichenden Tatverdacht“ und keine „gerichtsverwertbaren Beweise“ gebe.

    Allerdings wird MOHNKE durch Zeugenaussagen schwer belastet. SS-Rottenführer Oskar SENF sagte aus: „Kurz vor dem Bataillonsgefechtsstand trat der Hauptsturmführer Mohnke, Chef der 5. Kompanie, der gerade eben die Führung des Bataillons übernommen hatte, zu uns und machte in unserem Beisein dem Untersturmführer Heinrichs Vorwürfe . . . Er sagte wörtlich: ‚Wie kommen Sie dazu, entgegen dem Befehl Gefangene einzubringen.’ “

    SENF starb allerdings zu früh um von einem deutschen Gericht befragt zu werden. MOHNKE stritt bis zu seinem Tod jede Beteiligung ab. Auf Nachfrage des SPIEGEL antwortete er: „Es hat keinen Erschießungsbefehl gegeben. Ich weiß auch nichts von einem solchen Massaker.“

    Er lebte als Verkäufer von Lastkraftwagen ein normales Leben in Hamburg und erhielt bis zu seinem Tod eine Entschädigung als Kriegsopfer durch das BVG von mindestens 25.000 €.

    In mindestens drei Filmen wurde sein Wirken im Führerbunker porträtiert:

    • „Der Untergang“, gespielt von André HENNICKE (2004)
    • „Selling Hitler“, gespielt von Ralph MICHALE (1991)
    • „Der Bunker“, gespielt von Michael CULVER (1981)

    5. Wolfgang LEHNIGK-EMDEN

    Geb.: 1923

    Gest.: unbekannt

    Ehemalige Einheiten:

    1. Bataillon, Panzerregiment 29, 3. Panzergrenadierdivision

     

    Dienstgrad:

    Leutnant der Wehrmacht

     

    Beschuldigte Kriegsverbrechen:

    13. Oktober 1943: Massaker von Caiazzo (22 Ermordete)

    Wolfang LEHNIGK-EMDEN wurde um das 1923 geboren und war am Massaker von Caiazzo beteiligt. Seine Schuld bestätigte sogar der Bundesgerichtshof.

    Das Massaker von Caiazzo

    Italien hatte bereits im September 1943 einen Waffenstillstand unterzeichnet, da vollbrachte die sich im Rückzug befindende deutsche Wehrmacht das Massaker von Caiazzo: 22 Zivilisten wurden ermordet. Darunter acht Frauen und zehn Kinder.

    Am 14. September 1943 errichte die Wehrmacht eine Kampflinie nördlich des Flusses Volturno, um die Alliierten aufzuhalten. Die Bevölkerung der italienischen Gemeinde Caiazzo wurde entwaffnet und zur Zwangsarbeit herangezogen.

    Nachdem Caiazzo im 13. Oktober 1943 durch die Wehrmacht geräumt wurde, suchten die Einwohner Zuflucht in Bauernhäusern und den umliegenden Wäldern. Mehrere Männer und Frauen versuchten aus einem Haus den amerikanischen Soldaten Lichtsignale zu geben. Die Blinksignale wurden aber von der Wehrmacht entdeckt. LEHNIGK-EMDEN und zwei Feldwebel durchsuchten daraufhin das Haus und nahmen die vier Männer fest und brachten sie zum Kompaniegefechtsstand. Drei Frauen folgten der Gruppe und versuchten verzweifelt die Freilassung der Männer zu erreichen. Alle sieben Zivilisten wurden am Gefechtsstand ohne Anhörung erschossen. Danach entstand eine Diskussion zwischen den Soldaten, wie die Leichen verschwinden sollten. LEHNIGK-EMDEN wies daraufhin, dass sich im Haus noch weitere Frauen und Kinder aufhielten. Er überzeugte die anderen, dass auch sie hingerichtet werden sollten.

    Sinngemäß soll LEHNIGK-EMDEN gesagt haben: „Wir werden jetzt nach unten gehen und die anderen fertigmachen, lasst uns Handgranaten mitnehmen.“ Das Haus wurde mit Handgranaten beworfen und mit Maschinenpistolen befeuert. Flüchtende Zivilisten wurden erschossen. Wer diesen Angriff überlebte wurde mit Bajonetten erstochen.Die deutsche Wehrmacht gab noch am selben Tag ihre Stellung am Volturno auf und floh.

    Am 14. Oktober entdeckten andere italienische Zivilisten die Leichen. Zwei Tage später besetzten amerikanische Soldaten das Gebiet, die durch die italienische Bevölkerung auf das Massaker aufmerksam gemacht wurden.

    Anfang November 1943 geriet LEHNIGK-EMDEN in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde in ein Lager in der Nähe von Algier gebracht. Er wurde verhört und gestand den Mord an den Frauen und Kindern. Ihm gelang jedoch die Flucht aus seiner Gefangenschaft und konnte nicht verurteilt werden.

    Das Leben nach dem Krieg

    LEHNIGK-EMDEN ging nach Ochtendung, wo er zu einem angesehenen Architekten wurde. Gleichzeitig beteiligte er sich im SPD-Gemeinderat und wurde dortiger Karnevalspräsident. 1950 heiratet er und bekommt mit ihr drei Kinder. Seine Kriegsverbrechen sollen nie ein Thema in der Familie gewesen sein.

    Durch einen Schreibfehler (LEMICK statt LEHNIGK) in den Militärakten lebte er unentdeckt ein ganz normales Leben. Zusätzlich erhielt aufgrund einer Verletzung eine zusätzliche Opferrente in Höhe von 708 DM monatlich.

    Erst ein Hobbyhistoriker aus den USA, Guiseppe AGNONE machte ihn ausfindig. Der, in einem Nachbarort von Cajoazzo geboren und in die USA ausgewandert, betrieb Recherchen über ungesühnte Kriegsverbrechen in den US-Archiven. In den USA gibt es nicht nur den "Freedom of Information Act", der jedem Bürger dieser Welt Einblick in staatliche Unterlagen gewährt, sondern zur Zugang zu Informationen in Archiven ist auch viel unkomplizierter.

    AGNONE entdeckte dort ein Dokument mit dem korrekt geschriebenen Namen und gab es sofort an Interpol weiter. Nur wenig später, am 15. Oktober 1992, wurde LEHNIGK-EMDEN festgenommen. 1993 stand er vor dem Landgericht Koblenz. Die Staatsanwaltschaft Koblenz warf ihm Mord aus niederen Beweggründen vor. Das Urteil des Landgerichts Koblenz wurde am 18.01.1994 "im Namen des Volkes" gesprochen (Az: 101 Js 35779/90 jug – 2 Kls):

    1. Das Verfahren gegen den Angeklagten Lehnigk-Emden wird wegen Verfolgungsverjährung eingestellt.
    2. Die Kosten des Verfahrens einschliesslich der dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse
    3. Der Angeklagte Lehnigk-Emden ist für die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen.

     

    Und dies, obwohl die Koblenzer Richter klar sagten: " Die Tat ist durch nichts zu rechtfertigen. Es handelt sich um ein bestialisches Massaker an vorwiegend Frauen und Kindern."

    Kurze Zeit später verurteilte das italienische Gericht Santa Maria Capua Vetere LEHNIGK-EMDEN in Abwesenheit am 25.10.1994 zu einer lebenslangen Haftstrafe.

    Gegen das Urteil des Landgerichts erhob die Koblenzer Staatsanwaltschaft Revision. Am 01. März 1995 bestätigte der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss (Az: 2 StR 331/94 vom 01.03.1995) das Urteil von Koblenz. Die hohen Richter bestätigten den vielfachen Mord, verwiesen aber ebenfalls auf die Verjährungsfrist. LEHNIGK-EMDEN war ein freier Mann. Seine Ämter musste er jedoch ablegen. Die Opferrente erhielt er trotzdem weiterhin.

    6. Boleslavs MAIKOVSKIS

    Geb.: 21. Januar 1904

    Gest.: 19. April 1996

    Ehemalige Einheiten:

    • Polizei-Einheit in Rēzekne (Lettland)

     

    Dienstgrad:

    • Hauptmann

     

    Beschuldigte Kriegsverbrechen:

    • 02. Januar 1942: Massaker von Audrini (mind. 230 Ermordete)

     

    MAIKOVSKI wurde am 21. Januar 1904 geboren und starb am 19. April 1996 in Münster. Er arbeitete bis zur Besetzung Lettlands als Buchhalter. Als lettischer Nazi-Kollaborateur ist mitschuldig am Massaker von Audrini und wurde in der Sowjetunion in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Dennoch erhielt nach seiner Flucht aus den USA vor der drohenden Auslieferung ein Visum in Deutschland.

    Das Massaker von Audrini

    Als Hitler-Deutschland Lettland besetzte, meldete sich Boleslavs MAIKOVSKIS freiwillig, um die Nationalsozialisten zu unterstützen. Er wurde ab 1941 als Hauptmann der zweiten Polizei-Einheit in Rēzekne (auch: Rositten) und behielt die Position bis 1944.

    Das Massaker von Audrini, einem kleinen Dorf im Westen Lettlands fand am 02. Januar 1942 statt. MAIKOVSKIS soll die Einheit kommandiert haben und ließ 200 Einwohner erschießen. Mindestens einen Menschen brachte er eigenhändig um. 30 weitere Männer wurden zwei Tage später auf in Rēzekne in der Öffentlichkeit erschossen. Audrini wurde niedergebrannt. Der Anlass für die Massaker war die Annahme der Nazi-Kollaborateure, die Bewohner des Dorfes würden die Rote Armee unterstützen.

    Nachdem Lettland durch die Sowjetunion zurückerobert wurde, flüchtete er zunächst nach Österreich, von da aus weiter in die deutsche Stadt Pinneberg. Von dort aus stellte er einen Asylantrag, um in den USA Aufenthalt zu bekommen. Bei Angaben machte er vorsätzlich falsche Angaben und verheimlichte die Unterstützung für die Nationalsozialisten und reiste so 1951 in die Vereinigten Staaten ein.

    Flucht aus den USA

    In den USA arbeitete er als Zimmermann und engagierte sich in verschiedenen lettischen Organisationen, u.a. der American Latvian Association (ALA) und der Daugavas Vanagi (DV). Außerdem wurde er zur Organisation Assembly of Captive European Nations (ACEN; deutsch: Versammlung der unterjochten Nationen Europas) delegiert.

    Seine Vergangenheit wurde erst Mitte der 60er Jahre aufgedeckt. In dem lettischen Propagandafilm „Vilkaci“ (Deutsch: Verrräter) soll er, laut einem Vermerk in den Akten des FBI, erwähnt worden sein. Zudem waren die Ermittler in der Sowjetunion von seiner Schuld überzeugt, so dass er 1965 von einem Rigaer Gericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde.

    MAIKOVSKI wurde danach von der US-Einwanderungsbehörde befragt. 1966 gestand er, dass er nicht nur Buchhalter in Lettland gewesen war, sondern auch „Ordnungshüter“. Aber erst Jahre später, 1975 verleugnete er nicht mehr für die Nationalsozialisten gearbeitet zu haben und gestand sein Beteiligung bei Massaker in Audrini ein. Er gestand, den Befehl gegeben zu haben die Einwohner des Dorfes festzunehmen. Mit den Erschießungen vom 02. Januar und den Exekutionen am 04. Januar will er nichts zu gehabt haben. Den Befehl, Audrini niederzubrennen, gab er.

    MAIKOVSKIS wurde 1976 angeklagt wegen Verstoßes gegen das US-Einwanderungsgesetz. Dadurch sollte er in die Sowjetunion ausgeschoben werden. Das Verfahren zog sich hin bis 1987.

    Die erste Instanz, das Immigration Judge, ließ das Verfahren einstellen. MAIKOVSKIS konnte nach dessen Ansicht nicht nachgewiesen werden, „dass die Verfolgungshandlungen auf Grundlage ‚rassistischer Beweggründe’ begangen worden waren“. Nachdem „Verfolgungshandlung“ breiter definiert wurde, entschied das Board of Immigration Appeals MAIKOVSKIS auszuweisen. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, sodass Boleslavs MAIKOVSKISim Oktober 1987 in die Sowjetunion ausgeflogen werden sollte. Allerdings floh er zuvor unerkannt nach Deutschland.

    Der ehemalige lettische Polizeihauptmann hatte sich Monate zuvor bereits einen Pass bei der lettischen Exilregierung in Washington und ein Besucher-Visum für Deutschland durch das deutsche Generalkonsulat in New York ausstellen lassen. MAIKOVSKIS flog am 06. Oktober 1987 in die BRD. Das Generalkonsulat unter Peter SYMPHER wusste von der Verurteilung und stellte dennoch das Visum aus. Gegenüber der Illustrierten stern äußerte sich SYMPHER: „Wir haben der amerikanischen Regierung aus der Bredouille geholfen, denn die stand ja unter Druck zwischen einer antikommunistischen Öffentlichkeit, die eine Auslieferung verhindern wollte, und den Wiesenthal-Leuten, die auf einer Bestrafung ehemaliger SS-Männer bestanden.“ Außerdem sagte der damalige Außenamtssprecher Klaus-Peter BRANDES gegenüber dem stern: „Das war kein Standardfall. Immerhin war MAIKOVSKIS von den Russen zum Tode verurteilt. Für den Mann haben sich kirchliche Stellen eingesetzt.“

    Zwei Wochen später stellte der Flüchtige am 20. Oktober 1987 einen Asylantrag - versteckt bei lettischen Freunden. Ein Jahr später, am 19.10.1988, wurde er auf Grund von Recherchen von Elliot WELLES von der jüdischen Menschenrechtsorganisation B’nai B’rith festgenommen. Nach internationalem Druck wurde das Verfahren gegen MAIKOVSKIS eröffnet. Mehrere Gerichtstermine folgten, die auf Grund seines zunehmend schlechter werdenden Gesundheitszustand verschoben wurden. 1991 wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen und am 11.03.1994 wurde das Verfahren (205 Sitzungen) eingestellt. MAIKOVSKIS war nach Auffassung des Gerichts verhandlungsunfähig. Er starb am 1996 in Münster.

    7. Thies CHRISTOPHERSEN

    Geb.: 27. Januar 1918

    Gest.: 13. Februar 1997

    Ehemalige Einheiten:

    • Abteilung Pflanzenzucht im Außenlager Rajsko des KZ Ausschwitz

     

    Dienstgrad:

    • SS-Sonderführer

     

    Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg:

    • Volksverhetzung
    • Verbreitung von NS-Propaganda
    • Verleumdung
    • Verunglimpfung des Staates

     

    Der SS-Sonderführer in Ausschwitz und Holocaust-Leugner wurde am 27. Januar 1918 in Kiel geboren und starb am 13. Februar 1997 in der Gemeinde Molfsee.

    Leben in der SS

    Mit dreizehn Jahren trat CHRISTOPHERSEN in das Deutsche Jungvolk ein. 1944 wurde er als Wachmann in dem Außenlager Rajsko des KZ Auschwitz in einer Abteilung für Pflanzenzucht. Von den Morden will er nichts mitbekommen haben. Nach dem Krieg übernahm er den Bauernhof seines Vaters in Schleswig-Holstein.

    Holocaust-Leugner

     

    • "Ich war in Auschwitz ... Von Massenvergasungen und Verbrennungen habe ich nichts gesehen ... Heute weiß ich, es hat sie gar nicht gegeben."
    • „Ich habe während meiner Zeit in Auschwitz nicht die geringsten Anzeichen von Massenvergasungen bemerkt. Auch der Geruch von verbranntem Fleisch, der oft über dem Lager gelegen haben soll, ist eine glatte Lüge. In der Nähe des Hauptlagers war eine große Beschlagschmiede. Der Geruch von dem Einbrennen der Hufeisen war natürlich nicht angenehm. Übrigens, der Leiter dieser Beschlagschmiede lebt heute in meinem Nachbardorf.“

     

    Nur zwei Zitate von CHRISTOPHERSEN.

    Neben seiner Tätigkeit als Landwirt, versuchte er sich auch als Autor. Sein bekann-testes Werk ist seine 19-seitige Broschüre „Die Ausschwitzlüge“ erschienen 1973. Daneben hatte er u.a. das Buch „Ist Rassenbewußtsein verwerflich?“, den Beitrag „Der Auschwitz-Betrug“ und die Zeitschrift „Die Bauernschaft“ (ab 1969). Außerdem betrieb er einen NS-Versandhandel von Dänemark aus.In der Politik wurde er erst Mitglied der CDU und der Deutschen Partei (DP) und ging danach zur NPD.

    Wegen Verbreitung von NS-Propaganda, Verunglimpfung des Staates und Volksverhetzung wurde er mehrfach angeklagt und 1976 , 1978 und 1979 verurteilt. Durch eine Flucht nach Belgien entgeht er 1981 einer weiteren Strafe. 1984 wird er an der deutsch-belgischen Grenze festgenommen und zieht 1986 nach Dänemark in die Stadt Kollund um. Der skandinavische Staat verweigert in der Zukunft die Auslieferung von CHRISTOPHERSEN, so dass er weiteren Strafverfahren entgeht. Nach Protesten der Anwohner Kollunds flieht er 1995 in die Schweiz. 1996 wurde er dort ausgewiesen. Er kehrte nach Deutschland zurück und starb ein Jahr später in der Nähe von Kiel.

    panorama zeigte in dem Beitrag „Steuermilliarden für Naziverbrecher“, dass auch Thies CHRISTOPHERSEN über Jahre Opferrente bezog. Seine Hetze, so fasste es panorama zusammen, durfte also der Steuerzahler mitfinanzieren.

    8. Arnolds MENZINS

    MENZINS wurde von John GOETZ während seiner Recherchen im Rigaer Kriegsmuseum interviewt.

    MENZINS wurde am 25. April 1915 in Riga geboren und trat wie sein Vorbild Herberts CUKURS in die lettische Luftwaffe 1935 ein. Er kämpfte für die Unabhängigkeit Lettlands gegen die Sowjetunion Ende der 30er Jahre und erlebte, wie seine Heimat eingenommen wurde. Als Hitler-Deutschland das Land im Juli 1941 besetzte, trat MENZINS freiwillig einer Schutzmannschaft Nazi-Deutschlands bei und erreichte den Dienstgrad eines Leutnants. Die Recherchen ergaben nicht, ob er der 15. Schutzmannschaft oder dem berüchtigten ARAJS Kommando diente. Er erzählte aber, dass er mithalf, die jüdische Bevölkerung in Weißrussland zusammenzutreiben und sie an deutsche Soldaten zu übergeben. Als Pilot wurde er später im Einsatz für die deutsche Luftwaffe verletzt. Er erlitt eine bleibende Gehirnverletzung nach einem Kopftrauma, die ihm 1991 vom Ministerium für Sozialfürsorge der lettischen Republik anerkannt worden war. Am 21. April 1945 geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft aus der er am 19. September entlassen wurde. Vom 14. Juli 1952 bis zum 05. November befand er sich in Haft der UdSSR.

    Zur Zeit des Interviews mit John GOETZ hatten Arnolds MENZINS einen Antrag auf Opferrente an das zuständige Versorgungsamt geschickt. Falls der Antrag angenommen werden würde, hätte er 300 DM pro Monat erhalten.

    Volker STEINHOFF erwähnt in seinem Interview mit dem DokZentrum ansTageslicht.de die folgende Aussage von MENZINS: „Ich bin stolz, dass ich Juden deportiert habe.“

    9. WITWEN DER KRIEGSVERBRECHER

    Sie waren die Ehefrauen hinter den SS-Kommandanten und Kriegsverbrechern. Zumindestens Lina HEYDRICH unterstützte ihren Ehemann in seiner Gesinnung kräftig. Ihre Männer starben im Krieg und die Ehefrauen erhielten ihre Witwenrente. Obwohl Mitte der 50er Jahre Verfahren u.a. gegen Marion FREISLER liefen, konnten sie sich jedes Mal durchsetzen und durften die Leistungen bis zu ihrem Tod behalten. 1985 geriet das Thema noch einmal in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Mehrere Zeitungen berichteten über die Witwenpensionen und dem ruhigen Lebensabend der Frauen. Geändert wurde aber nichts.

    Marion FREISLER

    Sie war die Ehefrau des „Blutrichters“ Roland FREISLER. Er war Präsident des höchsten Gerichtes im Hitler-Deutschland, dem Volksgerichtshof. Ca. 2.600 Todesurteile sprach er selbst aus. Er kam am 03. Februar 1945 bei einem Bombenangriff auf Berlin ums Leben.

    Marion FREISLER, geboren am 10. Februar 1910, bekam Witwenrente und ab 1974 noch eine zusätzliche Schadensausgleichsrente, weil ihr verstorbener Ehemann im Nachkriegsdeutschland "als Rechtsanwalt oder Beamter des höheren Dienstes" Karriere gemacht hätte. Sie erhielt 400 DM monatlich bis zu ihrem Tod am 21. Januar 1997 in München.

    Lina HEYDRICH

    Sie war die Frau des SS-Obergruppenführer Reinhard HEYDRICH. Dieser war mit der „Einlösung der Judenfrage“ beauftragt und organisierte den Holocaust. Er starb acht Tage nach einem Attentat auf ihn am 27. Mai 1942.

    Lina HEYDRICH, geborene von OSTEN lebte von 1911 bis 1985. Sie trat der NSDAP im Jahr 1929 und heiratete den späteren Kriegsverbrecher im Jahr 1931. Sie bekamen vier Kinder, mit denen sie nie über ihren Ehemann sprach.

    Nach dem Krieg wurde sie 1948 in Abwesenheit in der Tschechoslowakei zu lebenslanger Haft verurteilt. Ausgeliefert wurde sie aber nicht. 1949 wurde sie als „Mitläuferin“ klassifiziert, später 'rehabilitiert'.

    Die Witwenrente wurde ihr zunächst gestrichen. Nach ihrer Klage erhielt sie dennoch 1959 vor dem Landessozialgericht Recht, weil ihr Mann einen „Soldatentod“ gestorben sei. Danach konnte sie die Rente bis zu ihrem Tod weiter beziehen.

    Auf der Insel Fehmarn leitete sie die Pension „Imbria Parva“, einem Treffpunkt für SS-Sympathisanten, und heiratete einen finnischen Theaterdirektor. Ihren verstorbenen Ehemann Reinhard HEYDRICH verteidigte ihr ganzes Leben lang. Die Illustrierte sternzitierte sie so: „Er war nicht gegen Juden und hatte mit der Vernichtungskampagne nichts zu tun.“ 1976 veröffentlichte sie das Buch „Leben mit einem Kriegsverbrecher“, eine Biographie über ihren damaligen Ehemann.

    Adelheid TURNER

    Sie war die Frau des Generalleutnants der Waffen-SS in Belgrad Harald Emil TURNER. Er ließ dort Juden und Romas ermorden. Später formulierte er: „Serbien einziges Land, in dem Judenfrage und Zigeunerfrage gelöst“.

    Adelheid TURNER wurde um 1894 geboren und lebte in Wetzlar.


    SS-EINHEITEN

    Sie mordeten, organisierten die Konzentrationslager, führten Erschießungen und Massaker an der Zivilbevölkerung durch, sowie viele weitere Kriegsverbrechen. Auch in Lettland beteiligten sich Freiwillige an dem Mordkommando. Nach dem Krieg stellten einige der Kriegsverbrecher Anträge auf Opferrenten - es gab keine Ausschlussklausel.

    Lettische Legion

    Hitler-Deutschland besetzte im Sommer 1941 Lettland. Schon damals gab es viele Einheimische, die sich im Schutzdienst (SD) oder Polizeieinheiten engagierten. 115.000 Einwohner sind zu (Zwangs)Arbeiten für die Nationalsozialisten herangezogen worden.

    Aber erst im Januar 1943, nach dem Adolf HITLER zum „Totalen Krieg“ aufgerufen hatte, bildeten sich aus diesen „Freiwilligen“ 'ausländische' SS-Kampfverbände, darunter auch die Lettische Legion. Als solche wurde sie erst nach dem Krieg bezeichnet. Sie bestand aus der 15. Und 19. Waffen-Grenadier-Dision der SS.

    Insgesamt haben mehr als 20.000 Männer in diesen Einheiten gedient. Aber nur 15% sollen wirklich freiwillig eingetreten sein. Der Rest wurde zum Beitritt gezwungen. Außerdem bekleideten sie keine höheren Offiziersgrade. Die einzige Ausnahme war Rūdolfs BANGERSKIS. Er wurde am 09. März zum General der Waffen-SS und am 10. April 1943 zum Generalinspekteur der Lettischen Legion ernannt. Ansonsten gaben deutsche Nationalsozialisten die Befehle.

    Beide Divisonen, die bis zum Oktober 1943 aufgestellt wurden, kämpften zunächst an der Ostfront. Nach schweren Verlust bei Abwehrkämpfen mit der Roten Armee wurde die 15. Division in die 19. Division eingegliedert bis zum Juli 1944. In der Folgezeit versprengten sich die Einheiten. Teile ergaben sich im Mai 1945 bei Schwerin den Alliierten, andere wurden bei der Verteidigung Berlins besiegt.

    Ein Kriegsverbrechen der beiden Divisonen wurde am 02. Februar 1945 im ponischen Dorf Podgaje begangen. Etwa 32 polnische Soldaten wurden mit Stacheldraht gefesselt und verbrannt.

    Der Monat März hat für die Einheiten der Lettischen SS Bedeutung in zweierlei Hinsicht:

    • am 16. März 1943 wurden erstmals die Verbände aufgestellt
    • genau ein Jahr später, 1944, kämpften beide Einheiten (15. und 19. Division) zusammen erstmals gegen die heranrückende Sowjetarmee.

     

    Dass sich 60 Jahre später, am 16. März 1993, mehr oder weniger zufällig eine Gruppe deutscher Journalisten (John GOETZ und Volker STEINHOFF) in Riga aufhält, ist Zufall. Aber mit Folgen, als die Veteranen aufgeregt reagieren, weil sie mitbekommen, dass das „Deutsche Fernsehen“ ihren Jahrestag filmt: „Ravensburg, Ravensburg“ bekommen die Journalisten unter anderem zu hören, den Namen der Stadt, in dem eines der Versorgungsämter seinen Sitz hat. Ein Interview entsteht: ein lettischer SS-Veteran spricht anerkennend über seine Versorgungsrente, die aus Deutschland kommt. Mehr unter  Chronologie eines ausgeblendeten Themas: Die Entstehung von vier panorama -Berichten .

    ARJAS Kommando

    Die schwersten Kriegsverbrechen, an denen Letten beteiligt waren, geschahen unter dem ARJAS Kommando.

    SS-Sturmbannführer Viktors ARJAS wurde ab dem Mitte 1941 mit der Durchführung des Holocausts in Lettland beauftragt. Er sammelte Freiwillige, u.a. Herberts CUKURS, die in der Folgezeit ca. 45000 Menschen ermordeten. Am 04. Juli 1941 sperrten sie mehr als 300 Juden in die Rigaer Synagoge und zündete das Gebäude an. Der Großteil der jüdischen Bevölkerung wurde im Ghetto der Stadt untergebracht.

    Ende November bis Anfang Dezember des gleichen Jahres scheuchte das Kommando mindestens 25.000 Juden in den Wald Rumbula. Die in Güterzügen aus Deutschland zwangsweise deportierten Juden mussten sich entkleiden und wurden dann in Massengräbern reihenweise erschossen: Als "Rigaer Blutsonntag" wird man einen dieser Tage später bennen.

    Das Kommando ARJAS wurde ab 1942 in die Lettische Legion integriert. Viktor ARJAS wurde erst Ende 1979 vom Hamburger Landgericht zu lebenslanger Haft verurteilt. Neun Jahre später starb er.

     

    (JHD)