Die Berichte der Sächsischen Zeitung, 23.02.2016

Der Chefredakteur, der den Rechten recht ist

Er arbeitet in Leipzig, lebt in Berlin und stammt aus Pforzheim: Der Journalist Jürgen Elsässer tourt als eifriger Wahlhelfer der AfD durch Ostdeutschland.


Der Mann blickt zufrieden in den Saal. Jeder der rund 150 Plätze ist besetzt. Es ist Mitte Januar, Jürgen Elsässer hält in einer Dresdner Gaststätte eine Rede. Hinter ihm prangt ein Wandbild des sächsischen Königs Albert. Auf dem Aufsteller neben ihm steht in großen roten Buchstaben "Mut zur Wahrheit", darunter etwas kleiner "Compact - Magazin für Souveränität". Elsässer ist dessen Chefredakteur. Er malt mit seinen Händen Striche und Kreise in die Luft. Die Stimme schwingt mal sanft, mal tackert sie laut wie eine Nähmaschine. Der Mann weiß sich zu inszenieren.

Der 59-Jährige tourt derzeit durch den Osten der Republik. Dresden, Leipzig, Altenburg. Egal, wohin er kommt: Die Hütte ist voll. Schließlich will Elsässer den "Asylwahnsinn" stoppen. Seinen jüngsten Stopp hat er in Zwickau gemacht, am vergangenen Sonnabend erst.

Gut 3 000 Menschen sind dem Anti-Asyl-Aufruf des Bürgerforums Zwickau gefolgt, trotz Regens, trotz Clausnitz. Es ist eine der größten Demonstrationen in der Stadt seit der Wende. Auf dem Hauptmarkt wehen die gelb-schwarzen Fahnen der völkisch orientierten Identitären Bewegung; Zwickau ist ihre sächsische Hochburg. Die bei Pegida beliebte Wirmer-Flagge, ein schwarz-gelbes Kreuz auf rotem Untergrund, flattert massenhaft im Wind. Neonazis sind unter den Zuhörern, ebenso der Kreisvorsitzende der NPD. Die meisten aber sind Rentner, Familien mit Kindern, einfache Leute zwischen 30 und 60.

Sie sind Elsässer ein dankbares Publikum. "Ich bin Deutscher, und ich werde nicht zulassen, dass dieses Land vor die Hunde geht", lautet der erste Satz seiner Rede. In Angela Merkel sieht er "eine skrupellose amerikanische Kanzlerin". Tausendfach ertönen die Merkel-muss-weg-Rufe. Fast eine halbe Stunde lang befeuert Elsässer den Sozialneid auf Flüchtlinge, dämonisiert die USA, verlangt eine Demokratie nach dem Schweizer Modell, macht Pausen, damit "Widerstand"- und "Volksverräter"-Parolen wirken können. Als seine Zuhörer so richtig in Stimmung sind, brechen sich die Schallwellen seines Appells an der Fassade des Rathauses: "Macht der anderen Seite die Angst, damit sie auseinanderlaufen. Wir müssen die AfD wählen!" Jubel, Klatschen, Spendenboxen.

Pegida-Stimmung in Zwickau, organisiert in Form eines neutral wirkenden "Bürgerforums" durch einen Abteilungsleiter beim Zwickauer Sportverein Planitz, angefacht von einem Intellektuellen, der in Pforzheim aufgewachsen ist und einst ein glühender Kommunist war.

Während allerdings in Dresden die von Lutz Bachmann gegründete Bürgerbewegung an dessen Streit mit den Deutschalternativen zu zerbrechen droht, beweist sich Elsässer als überaus erfolgreicher Wahlhelfer der AfD. Wenige Tage vor den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt wird er auch in Magdeburg auftreten, bei einer Großveranstaltung, die unter dem Motto steht: "Die AfD vor dem Durchbruch! Die bessere Kanzlerin ist Frauke Petry!?"

Elsässer schwimmt auf einer Erfolgswelle. Stolz verkündet er, die Auflage seines monatlich erscheinenden Hochglanzmagazins Compact, an dem er auch als Gesellschafter beteiligt ist, sei im vorigen Jahr um fast das Doppelte gestiegen: auf nun 75 000 Stück. Plötzlich ist Geld da, um in ostdeutschen Großstädten großflächig zu plakatieren. Das überaus nationalistisch und russlandfreundlich daherkommende Compact liegt mittlerweile neben Stern, Spiegel und Focus in den Zeitschriftenregalen. Der gleichnamige Verlag wird auf der Leipziger Buchmesse mit einem großen Stand vertreten sein. Auch der Internetblog erfreut sich steigender Beliebtheit. Pegida und Legida werden dort gelobt. Und über die Vorgänge in Clausnitz heißt es leicht tadelnd: ",Wir sind das Volk? ist richtig - doch die Parole muss vor dem Reichstag skandiert werden, nicht nur in Clausnitz."

Elsässer hält nichts mehr hinter seinem Schreibtisch. Er wittert wie dereinst Pegida-Chef Bachmann die Chance seines Lebens. Denn für ihn ist klar: "Meine Zielgruppe ist das Volk. Und dieses Volk, unser Volk, das deutsche Volk ist bedroht."



Mitarbeit: Tobias Wolf (SZ) sowie Konrad Rüdiger, Frank Dörfelt und Tanja Goldbecher (alle FP)