Die Berichte der Sächsischen Zeitung, 14.04.2015

Er kam, sprach und ging

Der berüchtigte Rechtspopulist Geert Wilders macht in Dresden auf Pegida light. Sein Auftritt wirkt gemäßigt, selbst die Proteste bleiben entspannt. 

Manchmal ist Dresden eben doch nur Provinz. Zumindest bei internationalen Flugverbindungen. Das weiß nun auch Geert Wilders, niederländischer Rechts populist und Stargast von Pegida gestern Abend in Dresden. Von seinem Wohnort in Den Haag aus wäre er über den Amsterdamer Flughafen zwar taggleich in die sächsische Landeshauptstadt gekommen, aber nicht mehr zurück. So nahm der 51-Jährige wohl lieber den Flug ab Düsseldorf. Dort hebt mit 20-minütiger Verspätung der Germanwings-Flug 4U9020 ab, um vier nach vier. Nicht mal eine Stunde später - einem starken Westwind sei Dank - landet Wilders. Weil er seit fast elf Jahren auf den Todeslisten von al-Quaida und Taliban steht, wird er rund um die Uhr überwacht. Was nicht weiter verwundert, ist er doch für Muslime jedweder Art der größte Provokateur Europas. Einer, der ihren Koran gerne mit Hitlers "Mein Kampf" vergleicht und ihren Glauben für eine "faschistische Ideologie" hält, "die den öffentlichen Raum verschmutzt" - so jedenfalls hat er es in früheren Reden gesagt und damit in seiner Heimat auch Wahlerfolge gefeiert.

Ohne Zweifel: Wilders ist ein rechts populistischer VIP, der am Dresdner Flughafen direkt auf dem Rollfeld in einen schwarzen Audi mit getönten Scheiben und Dresdner Kennzeichen steigt. Die Route bleibt geheim, auf der Wilders in das Zentrum von Pegida-Land gebracht wird. Zwei Polizei autos mit ortskundigen Beamten, wie es im Polizeideutsch heißt, ein BMW mit Personenschützern aus den Niederlanden sowie der Audi rasen zur Flutrinne der Elbe gleich an der Dresdner Messe. Dort muss der Holländer noch kurz warten, denn auf der Bühne entbieten gerade ein paar aus Westdeutschland angereiste Pegidisten den Sachsen ihren Gruß und preisen Anführer Lutz Bachmann.

Der trägt zur Feier des Tages Anzug und Krawatte und läuft seit geraumer Zeit nervös hinter der Bühne auf und ab, aus den Lautsprechern singt David Hasselhoff "I've been looking for Freedom". Ohne großes Brimborium bittet Bachmann den Gast auf die Bühne. Dessen Job in Dresden ist simpel: Der rhetorisch glänzende Redner soll der zuletzt schwächelnden Pegida-Bewegung zu neuem Schwung verhelfen. Von bis zu 30 000 Teilnehmern hat Bachmann im Vorfeld geprahlt, wie viele es schließlich sind, dazu gibt es keine offiziellen Angaben, nicht mal Pegida nennt vorerst welche. 10 000 könnten es vielleicht gewesen sein, großzügig geschätzt.

"Ihr seid alle Helden"

Mancher wundert sich gewiss, dass Wilders, dieser smarte Blonde im schicken Dreiteiler, gar nicht den großen Einpeitscher gibt. Da hat der regelmäßige Pegida-Gänger in den letzten Wochen schon viel schärfere Hass-Tiraden gehört. Das hier ist eher Pegida-Light. Nur knapp 30 Minuten redet Wilders etwas lustlos über das, was er für die Gefahr der Islamisierung hält. Erst einmal lobt er aber die Menge mit Sätzen wie "Ihr alle seid Helden." Und der Teil des Volkes, der von sich behauptet, die Mehrheit zu sein, ruft wie immer: "Wir sind das Volk!" Natürlich auch "Volksverräter", sobald es um Politiker wie Merkel und Tillich geht, oder "Lügen presse", sobald ihnen irgendwas nicht passt. "Die meisten unserer Politiker schauen weg, wir werden nie schweigen. Weil wir das Volk sind, das sich weigert, versklavt zu werden", so Wilders.

Der Holländer erinnert an die Wende von 1989, beschwört die Traditionen von Kant, Schiller und Stauffenberg: "Heute brauchen wir wieder eine Wende", sagt er. "Wir sind die Wende." Von stolzen Patrioten schwärmt Wilders: "Unsere eigene Kultur ist die beste Kultur, und Einwanderer müssen unsere Werte annehmen - und nicht andersherum." Immerhin betont er: "Wir haben keinen Hass gegen Muslime. Aber wir haben ein Problem mit dem totalitären Islam." Um gleich darauf klarzustellen: "Nicht alle Muslime sind Terroristen, aber die meisten Terroristen sind Muslime". Mitunter wirkt das fast versöhnlich: "Wir hassen auch unserer Gegner nicht, die heute gegen uns demonstrieren." Ob da wohl jeder Pegida-Demonstrant mitgeht?

Immer wenn es zu direkten Begegnungen mit Gegendemonstranten kommt, heizt sich die Stimmung jedenfalls auf an diesem Montag. Gerade als gegen 15 Uhr die Sternmarsch-Aufzüge gestartet sind, blockieren rund 150 Gegendemonstranten die Weißeritzstraße unmittelbar vor der Yenidze - ausgerechnet im Schatten der ehemaligen Zigarettenfabrik mit der orientalischen Kuppel. Die Demonstranten wollen verhindern, dass Pegida-Leute hier vorbeikommen. Doch die Polizei duldet die Blockade nicht. Nach der dritten Aufforderung geben die Demonstranten vorerst die Straße frei. Eine Stunde später ist sie wieder dicht. Wer zu Pegida will, muss einen Umweg nehmen. Immer wieder gibt es solche kleineren Blockaden, es gibt auch hitzige Szenen, Gerangel, aber die von manchen befürchteten schweren Ausschreitungen bleiben aus.

Später wird Lutz Bachmann von einer großen Straßenschlacht berichten, von der aber kein anderer, auch nicht die Polizei was mitbekommen hat. Polizeisprecher Marko Laske erklärt anschließend, es seien zwölf Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Landfriedensbruch, Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet worden. "Das ist für einen solchen Tag nicht der Rede wert", so Laske.

Gift aus Neid und Wut

Insgesamt sind nach Polizeiangaben bis zu 3 000 Menschen gegen Pegida auf der Straße. "Unter dem Motto ,Vielfalt vor Einfalt? treten wir heute hier zusammen. Das heißt aber nicht, dass diese Gesellschaft automatisch Vielfalt lebt", sagt bei der zentralen Gegenkundgebung der Sprecher von "Dresden für alle", Eric Hattke. "Wir lehnen Pegida lautstark ab, die von dem Gift des Neides und der Wut getränkt sind. Wir sind hier, weil wir mehr Sorgen um Gerechtigkeit haben als um Geld und Gene." Am Mittag bereits haben sich die drei aussichtsreichsten Kandidaten für die Dresdner Oberbürgermeisterwahl gemeinsam gegen Pegida gestellt: Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD), Innenminister Markus Ulbig (CDU) und der Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). Ein einiger Auftritt mit Seltenheitswert.

Ulbig schließt als oberster Dienstherr des Verfassungsschutzes nicht aus, dass Pegida künftig beobachtet wird. Vieles hänge vom Wilders-Auftritt ab. "Wir werden genau hinhören", sagt Ulbig - und wird wenig Anhaltspunkte gefunden haben. Stange beklagt, dass Stammtischparolen in aller Öffentlichkeit ausgesprochen würden. Hilbert, amtierender OB, spricht von einem Imageschaden für Dresden. Andererseits nimmt er die Bevölkerung in Schutz: "Die Dresdner sind nicht fremdenfeindlich. Sie sind vom Naturell eher inhäusig."

Vielleicht sind auch deshalb nicht allzu viele zum Protest auf der Straße. 250 sind es beim ökumenischen Friedensgebot in der Kreuzkirche, wo es heißt: "In Dresden gibt es ein gutes Miteinander der Religionen." Anschließend versammeln sich etwa 300 Menschen auf dem Altmarkt. "Es darf einfach nicht sein, dass Dresden das Zentrum der Pegida-Bewegung bleibt", sagt Nora Goldenbogen, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde.

Die Kundgebung in der Flutrinne ist unterdessen zu einer gewöhnlichen Pegidademo geworden. Wilders ist gleich nach seiner Rede wieder verschwunden. Nach ihm flucht und jammert wie alle Montage wieder mal Tatjana Festerling, die eine Woche zuvor von Pegida-Chef Bachmann zur OB-Kandidatin gekürt worden ist. Sie verliest eine "Presseerklärung", in der sie den Auftritt der drei anderen OB-Kandidaten geißelt. Deren Auftritt sei "ein klarer Missbrauch ihrer Amtsfunktionen", das sei "feudale Herrschaftsausübung". Sie verlange nun "ebenso mediales Gehör".

Der Rückweg zum Bahnhof-Mitte wird für einige Hundert Pegida-Anhänger noch mal zum Spießrutenlauf. Sie müssen durch ein enges Spalier aus Polizeifahrzeugen, dahinter skandieren Hunderte Gegendemonstranten "Haut ab" und "Nazis raus". Im Zeigen ihrer Stinkefinger schenken sich beide Seiten nichts. Dabei bleibt es auch.

Und nächsten Montag? Da fällt die Demo erst mal aus, verkündet Pegida am Abend. Verschnaufpause?