Die Berichte des Tagesspiegels, 30.08.2015

von Matthias MEISNER

Erika Steinbach - Antifa dasselbe in rot wie NPD

Der CDU-Politiker Jens Spahn pöbelt nach einem Willkommensfest für Flüchtlinge in Heidenau gegen die Antifa. Parteifreunde finden das klasse.

Der sächsische CDU-Innenminister Markus Ulbig war nicht willkommen beim Willkommensfest für Flüchtlinge am Freitag in Heidenau. Nicht nach dem Gezerre um ein mögliches Verbot dieser Veranstaltung. Und wohl auch nicht nach seinem Scheitern im Umgang mit den Anti-Asyl-Protesten in Sachsen, die in dem Elbestädtchen vor einer Woche in einer bis dahin auch in Sachsen nicht gekannten Weise eskalierten. Ein rechter Mob hatte dort tagelang gewütet, mehr als 30 Polizisten waren verletzt worden.

So missglückte der Überraschungsbesuch des Innenministers auf dem Fest, das für viele Flüchtlinge nach tagelangem Krawall ein kleines Zeichen der Hoffnung setzte.

Wolfgang Büscher schildert in der "Welt" den Ablauf so: "Schwarz vermummte kreisen ihn ein, der Rest ist Hass. ,Hau ab, hau ab!' und ,Nie wieder Deutschland!' Und er haut ab, anders kann man es nicht sagen. Er zieht sich zurück und fährt davon. Der Veranstalter des Festes hält einen jungen Mann davon ab, auf den Minister loszugehen. Gebrüll. Hasstiraden, gereckte Fäuste und Mittelfinger. Die Antifa-Welt ist wieder in Ordnung, die Fronten, sie stehen wieder."

Für den CDU-Politiker Jens Spahn waren die Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern des Willkommensfestes und dem CDU-Landesminister am Freitagabend Anlass für heftige Kritik an der Antifa. Das Willkommensfest war vom Dresdner Bündnis Nazifrei organisiert worden. Spahn, Bundestagsabgeordneter, CDU-Präsidiumsmitglied und Staatssekretär bei Finanzminister Wolfgang Schäuble, twitterte: "Liebes linkes Pack (frei nach Gabriel), Ihr skandiert auf einem ,Willkommensfest' gleiche Parolen wie NPD. Und merkt es nicht mal. #Heidenau".

Ein Parteifreund setzte dann in einem Kommentar zu dem Tweet von Spahn noch eins drauf. Hans-Michael Platz, Fraktionschef der CDU in der hessischen Gemeinde Biblis, schrieb: "Die Antifa hält sich für "die Guten". Aber es sind genauso faschistische Rollkommandos wie früher die SA."

Spahn reagierte auf heftige Kritik und einen drohenden Shitstorm, indem er seinen Tweet am späten Abend löschte. "Er war missverständlich, da mit einem falschen Versuch von Ironie begonnen", erläuterte der Politiker. Und schickte eine neue Version: "Liebe Antifa, Ihr skandiert auf nem "Willkommensfest" gleiche Parolen wie NPD. Und merkt es nicht mal. (Sorry f unangebrachte Ironie vorhin). Ein User schrieb ihm: "Empfiehlt sich eben, erst das Hirn einzuschalten bevor man twittert." Spahn gab zu: "Stimmt."

Dem Tagesspiegel erklärte Spahn: "Ich mag halt beide nicht, weder Antifa noch NPD." Und versicherte: "Mich treibt seit Tagen um, was das da in Heidenau ist und warum die Menschen sich da beschämend pöbelnd verhalten, während Flüchtlingsfamilien an ihnen vorbeigehen. Und so gesehen hätte ich meinen Tweet besser gelassen."

Unterstützung bekam der CDU-Politiker von mehreren Parteifreunden. "Jens Spahn hat recht. Man kann Rechtsextremismus nicht mit Linksextremisten bekämpfen", twitterte die frühere Bundesfamilienministerin und hessische Bundestagsabgeordnete Kristina Schröder. Erika Steinbach, CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, erklärte: "Antifa dasselbe in rot wie NPD. Gewalttätige Antidemokraten!"

Ob die Sache damit erledigt ist? Der Grünen-Europaabgeordnete Jan-Philipp Albrecht schrieb an Spahn: "Auch nach Ihrer Korrektur peinliche Gleichsetzung! Gegen Menschen(rechte) hetzen und dies nicht hinnehmen wollen ist ein Unterschied." Der Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat fragte: "Gibt es solche Aussagen von Ihnen auch in Richtung CSU, wenn Seehofer NPD-Sprüche übernimmt?"

Auch die SPD in Sachsen befasste sich mit den Attacken gegen den sächsischen CDU-Innenminister. " Die Gewaltandrohungen gegenüber meinem Kollegen Ulbig gestern in Heidenau sind unakzeptabel!", schrieb deren Landesvorsitzender Martin Dulig, Wirtschaftsminister im Freistaat, am Samstag auf Twitter.

Henning Homann, Vizechef der SPD im Dresdner Landtag, sagte, man könne von Ulbig halten, was man wollte, doch das "Bepöbeln" von ihm sei ein "absolutes No-Go". In Anspielung auf die Kritik von Spahn und anderen CDU-Politikern an der Antifa machte Homann aber auch deutlich: "Wer jetzt versucht, Pöbelei gegen Ulbig und Nazigewalt in Heidenau gleichzusetzen, der verharmlost Gefahr von Rechts."