Die Berichte des Tagesspiegels, 22.05.2015

von Matthias MEISNER

Leipzig stoppt Pläne für Dialog mit Pegida

Leipzig hat sich bisher dem Pegida-Ableger Legida konsequent widersetzt. Dennoch sollte es im Rahmen des Wettbewerbs "Zukunftsstadt" einen Dialog mit der Anti-Islam-Bewegung geben. Das Konzept dazu kassiert die Stadt wieder ein.

Die Stadt Leipzig hat bisher klare Kante gegen die Demonstrationen des Pegida-Ablegers Legida gezeigt. Am Freitag aber ist sie in den Verdacht geraten, überraschend auf die Anti-Islam-Bewegung zuzugehen.

Das Bundesbildungsministerium organisiert den Wettbewerbs "Zukunftsstadt". Teil davon ist das Projekt "Leipzig 2030 - offen, nachhaltig, wachsend", in dem die Messestadt mit Legida-Anführern über "Ängste und Risiken" im Zusammenhang mit der Zuwanderung diskutieren sollte - so stand es explizit in der Projektbeschreibung, die im Rathaus der Messestadt entstand. Ziel sei es, Legida und antifaschistische Gruppen an einen Tisch zu bringen, hieß es darin weiter.

Am Freitag kassierte die Stadtverwaltung die zuvor öffentlich gewordenen Pläne. Auf Twitter erklärte die Stadt: "Wir entschuldigen uns für den Beitrag zur Zukunftsstadt. Uns ist ein mehr als bedauerlicher Fehler unterlaufen."

Das von der CDU-Politikerin Johanna Wanka geführte Bundesbildungsministerium hatte mit dem Fehler, der nach den Worten von Stadt-Sprecher Matthias Hasberg "nicht hätte passieren dürfen", offenbar nichts zu tun. Zwar wird die Internetseite des Wissenschaftsjahres, auf der das Leipziger Konzept erschien, vom Ministerium verantwortet. Die Pläne zum Dialog mit Legida aber waren im Leipziger Rathaus entstanden und dort wegen einer internen Panne zunächst auch gebilligt worden.

Nun versichert die Stadt: "Es gibt keine Debatte mit Extremisten und es wird auch keine geben." Wer im Rathaus das Konzept geschrieben hat und von wem es freigegeben wurde, wollte Stadt-Sprecher Hasberg nicht sagen.

Auf der Homepage des Wissenschaftsjahres waren das Referat für Wissenspolitik im Leipziger Rathaus sowie das Stadtplanungsamt als Partner genannt worden. Als Kontaktadresse wurde das Büro von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) angegeben. Die Beschreibung des Leipziger Projektes wurde am Freitagmittag von der Homepage des Wissenschaftsjahres gelöscht. Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer bedauerte, dass der Dialog mit Legida in Leipzig nicht zu Stande kommt. Den Rückzieher der Stadt Leipzig kommentierte er auf Twitter: "Das ist demokratieschädlich! Diskurs muss immer möglich sein!" Verweigerung von Kommunikation und Dialog sei eine Haltung von Extremisten, nicht von Demokraten, fügte er hinzu.

Ein Sprecherin des Bundesbildungsministeriums betonte: "Fakt ist, dass nicht das Ministerium die Konzepte für die teilnehmenden Städte und Kommunen geschrieben hat, sondern diese sich mit eigenen Konzepten in einem wettbewerblichen Verfahren beworben haben und von einer Expertenjury ausgewählt wurden."

Die Opposition im sächsischen Landtag hatte auf die Veröffentlichung der Pläne zum Dialog mit Legida überrascht, empört und fassungslos reagiert. Ebenso sahen das die Initiativen, die sich der Anti-Islam-Bewegung in Leipzig seit Wochen entgegenstellen. "Ein Dialogangebot an Legida ist vollkommen inakzeptabel", sagte die Leizpiger Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel dem Tagesspiegel. "Zu den Akteuren von Legida gehören Nazis, Rechtspopulisten und Rassisten. Sie stehen außerhalb des demokratischen Grundkonsenses unserer Gesellschaft. Mit diesen Menschenfeinden verhandelt man nicht über Offenheit und Toleranz. Die Akteure dieses Projektes müssen hier die Reißleine ziehen."

Ein Sprecher der Initiative "No Legida" erklärte, er sei sprachlos. Die Anti-Legida-Aktivisten von "Platz nehmen" hätten immer ein offenes Gespräch gewollt und keine Antwort erhalten. Nun aber solle Rassismus aufgewertet werden. Auf Twitter fügte "No Legida" nach Kontakten mit der Stadtverwaltung hinzu: "Haltet Teer, Federn und Mistgabeln mal noch zurück. Wir klären das grad mit dem Zukunftswettbewerb." Und, später: "Keine Sorge, alles gut. Der Text ist bereits gelöscht."

Für den Wettbewerb des Bundesbildungsministeriums waren 52 Städte, Gemeinen und Landkreise ausgewählt worden. In Leipzig soll es laut Projektbeschreibung unter dem Motto "Leipzig 2030 - offen, nachhaltig, wachsend" darum gehen, wie Bürgern die Angst vor Zuwanderung genommen werden kann. Demnach ziehe die Pegida-Bewegung zwar viele Rechtsextreme an, aber auch nicht-radikalisierte Bürger, "Menschen, die sich vor Zuwanderung und fremden Kulturen fürchten".

Vorgesehen war demnach eine "offene und breite Debatte", in deren Rahmen Legida-Vertreter mit antifaschistischen Gruppen sowie Vertretern von Wirtschaft, Bildungseinrichtungen, Kirchen und Bürgerschaft "gemeinsam in den Dialog" treten sollen, wie es in der inzwischen gelöschten Projektbeschreibung hieß. Leipzig habe als Stadt der friedlichen Revolution "eine ausgeprägte Tradition der bürgerschaftlichen Beteiligung, die nun genutzt werden könne, "bestehende gesellschaftliche Konflikte zu lösen". Wissenschaftlich sollte das Projekt vom Leibnitz-Institut für Länderkunde in Leipzig begleitet werden.

"Gezielte Einbeziehung von Legida politisch nicht akzeptabel"

Im Antrag der Stadt Leipzig für eine Beteiligung an dem Wettbewerb war von einem Dialog mit Pegida-Vertretern noch nicht die Rede. Allerdings wurden in der Bewerbung, die dem Tagesspiegel vorliegt, unter den "relevanten Akteursgruppen", die bei der "Erarbeitung des gemeinsamen Zukunftsbildes eine tragende Rolle spielen", auch die "Anhänger der Legida-Bewegung" erwähnt. Eine Sprecherin des Bundesbildungsministeriums sagte dazu, eine gezielte Einbeziehung von Legida-Vertretern sei damit "nicht ersichtlich" gewesen, "sie wäre auch politisch nicht akzeptabel". Das Ministerium begrüßte die Klarstellung der Stadt Leipzig, nach der es "keine Debatte mit Extremisten" geben werde.

Was aus der Beteiligung Leipzigs an dem Wettbewerb "Zukunftsstadt" wird, ist offen. Ihren Antrag hält die Stadt unverändert aufrecht. Leipzig gehörte neben Dresden zu den Städten, wo Pegida die meisten Teilnehmer zählte. Die Tendenz ist allerdings ebenso wie in der sächsischen Landeshauptstadt rückläufig.