Lutz BACHMANN

Zwei Artikel der Sächsischen Zeitung aus der allerersten Zeit von PEGIDA zeichnen ein Portrait des Mannes, der die PEGIDA mit gegründet hat und nun ihr Wortführer ist: Lutz BACHMANN.


Sächsische Zeitung, Ausgabe Dresden, 02.Dezember 2014, Seite 3

Pegida persönlich

Von Alexander Schneider, Ulrich Wolf, Tobias Wolf und Heinrich Maria Löbbers

Tausende demonstrieren seit Wochen in Dresden gegen eine "Islamisierung des Abendlandes". Ihr Wortführer Lutz Bachmann sieht sich in der bürgerlichen Mitte. Das ist eine gewagte These.

Christstollen, um den sorgt sich derzeit Lutz Bachmann. Den werde man wohl bald nicht mehr nennen dürfen, fürchtet der Mann, der besonders gerne Döner und Donuts isst. So weit werde es bestimmt noch kommen mit der Islamisierung in Deutschland, dass es irgendwann sogar dem Weihnachtsbaum an den Kragen gehe, wettert er.

Es ist wieder mal Montagabend in Dresden, und wieder mal redet Bachmann über die angebliche Gefährdung des christlich-jüdischen Abendlandes. Er selbst sei kürzlich aus der Kirche ausgetreten, sagt er. Von "unsäglicher Asylpolitik" ist die Rede, von kriminellen Flüchtlingen und - das Thema ist neu - von armen Rentnern, "die sich kaum ein Stück Stollen leisten können".

Diesmal sind es etwa 7 500, die - wie schon seit Wochen - bei der Kundgebung der Pegida, der "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", dem Redner zujubeln und "Wir sind das Volk" rufen. Sie applaudieren auch, als er "beim Thema Kriminalität" auf sich selbst zu sprechen kommt.

Der 41-Jährige sieht sich gezwungen, in die Offensive zu gehen, weil unangenehme Details über seine Vergangenheit kursieren. "Auch ich habe ein Vorleben", gibt Bachmann zu. "Aber ich stehe dazu." Es gehe um Eigentumsdelikte und Schwarzfahren in Verbindung mit Betäubungsmitteln. "Fehler, die zwischen fünf und 20 Jahren zurückliegen, für die ich schon geradestehen musste. Meine persönlichen Fehler haben nichts mit Pegida und unseren Zielen zu tun."

Pegida ist quasi aus dem Nichts entstanden. Am Anfang sei eine kleine Facebook-Gruppe gewesen, erzählt Bachmann in seinem bislang einzigen Interview zu Pegida der Bild-Zeitung. Dass daraus so schnell eine so große Bürgerbewegung geworden ist, überrascht ihn offenbar selbst. "Ich hätte nie gedacht, dass es so einschlägt", sagt er der Bild.

Pegida ist der zweifellos größte Erfolg im Leben eines Mannes, der zu Selbstdarstellung und -inszenierung neigt. Sein Leben in den vergangenen drei Jahren ist quasi für jedermann im Internet nachzulesen: von der Zahnwurzel-OP über Urlaubsreisen bis hin zu seiner Ehe und dem Hund Bärbel. Mitunter grenzt das an Schamlosigkeit, etwa wenn er über Frauen schreibt: "meine fresse sind die geldgeilen nutten auf pro7 hohl und stutenbissig!" Oder das Foto eines üppigen Busens mit dem Kommentar versieht: "ich komm mit ner nescherin - ups, sorry, ner vertreterin des negriden bevölkerungskreises heim."

Ist das jene "christlich-jüdische Abendlandkultur", die Bachmann vom Islam bedroht sieht? Entspricht es dem von ihm geforderten "respektvollen Umgang aller Menschen miteinander", wenn er über die Grünen twittert: "Gehören standrechtlich erschossen diese Öko-Terroristen! ... allen voran Claudia Fatima Roth!"? Heute sagt er dazu, jeder schieße doch mal über das Ziel hinaus, auch er.

Bei den Pegida-Demonstrationen trägt Bachmann meist einen Parka. Der Dreiwochenbart und seine hünenhafte Figur lassen ihn entschlossen aussehen. Er selbst verortet sich in der "bürgerlichen Mitte". Sein Leben aber ist bislang wenig "bürgerlich" verlaufen.

Der gebürtige Dresdner ging in den 1980er-Jahren in Coswig zur Schule, sein Vater führte dort eine Fleischerei. Die benachbarte Blumenhändlerin erinnert sich, dass "der kleine Lutz" manchmal im Laden ausgeholfen habe. 1992 gründet der dann nicht mehr so kleine Lutz nach eigenen Angaben eine Foto- und Werbeagentur, landet aber danach mehrfach vor Gericht: wegen Körperverletzung und Fahrens ohne Führerschein.

Als Bachmann 25 ist, kommt er erstmals in die Schlagzeilen. Wieder wird dem Mann, der heute bei Pegida für eine "Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Zuwanderern" eintritt, der Prozess gemacht. In seinem "schicken Anzug" sehe er aus wie der "nette Mann von nebenan" schrieb damals die Presse.

Vor dem Landgericht Dresden stellt sich heraus, dass Bachmann 16-mal bei Firmen in Dresden und Umgebung eingebrochen war. Zudem hatte er versucht, seine damalige Freundin zur Falschaussage anzustiften; sie sollte ihm Alibis für die Einbrüche verschaffen. Vor dem Landgericht Dresden gibt Bachmann an, gelernter Koch zu sein, führe inzwischen aber einen Handyladen in Cottbus. Er gibt die Diebstähle zu und gesteht reumütig. Die Richter verurteilen ihn zu drei Jahren Haft, wenige Monate darauf kommen weitere acht Monate hinzu, erneut wegen Fahrens ohne Führerschein.

Bachmann wird nicht wie ein krimineller Asylbewerber abgeschoben, er haut aus eigenem Antrieb ab. In der Bild-Zeitung räumt er ein, damals nach Südafrika geflüchtet zu ein. Dort habe er in Kapstadt "die erste Disco für Schwarze in der Innenstadt" mit aufgemacht. Im Internet hingegen gibt er an, von 1998 bis 2000 an der Universität von Kapstadt ein Grafik- und Designstudium absolviert zu haben. Auf Anfrage teilt die Hochschule jedoch mit, ein Lutz Bachmann sei in den Einschreibungsunterlagen nicht zu finden. Ebenso wenig ein "Hancock" Bachmann, wie sich der Pegida-Chef mitunter auch zu nennen pflegt. Zudem, so die Universitätssprecherin in Kapstadt, biete man gar keine Grafik- und Designstudiengänge an. Nach eigenen Angaben fällt Bachmann dann doch den Entschluss, sich der deutschen Justiz zu stellen, "wenngleich sehr spät". Im Februar 2001 rückt er in die Justizvollzugsanstalt Dresden ein, bleibt dort 14 Monate, der Strafrest wird zur Bewährung ausgesetzt.

Auf den Straßen Dresdens kämpft Bachmann mit Pegida dafür, dass "für unsere Kinder ein Deutschland bewahrt wird, das in der ganzen Welt als das Land der Dichter und Denker berühmt und geschätzt ist". In diese Richtung unternimmt er nach seiner Haftstrafe tatsächlich einen Anlauf. Nicht als Dichter, aber erneut als Werbemann.

Seine Agentur nennt er Hotpepperpix, er bietet Internetdienstleistungen an. In der Selbstdarstellung ist von einer engen Zusammenarbeit und langjährigen Erfahrungen "mit namhaften Medien aus aller Welt" die Rede. Die Angebots-Palette reiche vom "einfachen Passfoto über Hochzeitsfotografie und Sport-Event-Bildern bis hin zur allgemeinen Pressefotografie und dem künstlerischen Akt." Als Firmensitz fungiert zunächst eine Wohnung im Dresdner Stadtteil Kaditz. Ein ehemaliger Nachbar erinnert sich noch gut an Bachmann. "Der hat hier gut fünf Jahre gewohnt und für mich sogar ein paar Brocken Afrikaans gesprochen." Unter Bachmanns Werbekunden finden sich einige, die man nicht gleich der "bürgerlichen Mitte" zuordnen würde: etwa der Leipziger Erotikklub "Medusa", die Tabledance-Bar "Angels" in Dresden oder das Bordell "Haus Hamburg", für das - in Anspielung auf die frühere Abwrackprämie - die Agentur Faltblätter für eine "Abfuck-Prämie" entwirft.

Auch Dresdens bekanntester Nachtklubbesitzer, Wolfgang "Wolle" Förster, gehörte zu Bachmanns Kunden. Auf Nachfrage sagt Förster, der heutige Pegida-Chef habe als Selbstständiger Werbeaufträge von ihm übernommen. "Ich halte ihn für einen Computerfachmann, der im Guten wie im Bösen alle Tricks drauf hat." Dass Förster immer noch Inhaber der Internetdomain von Bachmanns Agentur ist, überrascht ihn. "Davon weiß ich nichts", sagt Förster.

Nach SZ-Informationen ist Bachmann zu jener Zeit auch für den Nachtklub "Angels" in Leipzig tätig. Dort lernt er seine spätere Freundin kennen, eine 15 Jahre jüngere Tänzerin. Beide ziehen 2009 nach Dresden und werden im Spätsommer jenes Jahres mit Kokain erwischt: einmal mit 40 und ein weiteres Mal mit 54 Gramm.

Bachmann kommt für Monate in Untersuchungshaft, es wird ihm untersagt, gewerbsmäßig tätig zu sein. Mehrere Haftprüfungen verlaufen zu seinen Ungunsten: Die Richter lehnen eine Entlassung aufgrund der Straferwartung, seiner Vorgeschichte, seiner häufigen Wohnsitzwechsel sowie seiner unklaren sozialen und beruflichen Lage ab. Zudem bestehe Fluchtgefahr. Im Februar 2010 verurteilt ihn das Landgericht Dresden wegen Drogenhandels zu zwei Jahren auf Bewährung, die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft beantragt. Seine Freundin kommt mit sieben Monaten davon.

Einen Anker in den Wirren seines Lebens hat Bachmann mit seinem Vater. Mit dem Verkauf von dessen "Original Sächsischen Bratwürsten" hält sich der Sohn immer wieder über Wasser. Er bringt es damit sogar zu einer gewissen Berühmtheit.

Als er 2011 mit seinem Stand erst vor Striezel-, und kurz darauf auch generell vom Altmarkt fliegt, wendet sich Bachmann an die Presse und spricht von einer "Marktintrige". Er sei ein Opfer etablierter Händler geworden, die sich über seine günstigen Verkaufspreise mokiert hätten. Dem Amt für Wirtschaftsförderung unterstellt er gar Betrug. Nur der Einstieg eines "Investors" habe den Ruin seines Unternehmens verhindert, erzählt der vertriebene Bratwurstverkäufer der Morgenpost.

Die bislang letzte Wohnadresse Bachmanns auf Dresdner Terrain liegt in Altbriesnitz nahe der Autobahn vier. Es ist jene Adresse, mit der Bachmann auch als Inhaber der Pegida-Domain fungiert. Am Zaun hängen vier Briefkästen, darunter auch einer, auf dem handschriftlich "Bachmann" notiert ist. Im Garten halten sich mehrere Ausländer auf. Die Frauen tragen Kopftücher. Auf die Frage, ob Lutz Bachmann hier wohne, antwortet ein Mittvierziger: "Wir sind gute Freunde von Lutz, nehmen seine Post entgegen, er macht Werbung für uns. Der wohnt aber hier nicht mehr, ist jetzt in Kesselsdorf."

Auf den Demonstrationen der Pegida betont Bachmann stets seine guten Kontakte zu Ausländern, insbesondere zu Türken. Einer von ihnen sei auch sein Trauzeuge. Hakan Ö. ist Geschäftsführer eines Online-Kasinos

In Kesselsdorf klebt hinter dem Haustürglas ein Zettel, demzufolge die Post für die Agentur Hotpepperpix bei einer anderen Familie abgegeben werden soll, falls keiner öffne. In dem Reihenhaus aus den 1990er-Jahren lebt Bachmann mit seiner Ehefrau Vicky, die ihn auf den Demonstrationen stets in der ersten Reihe begleitet. Für sie steht fest: "Hier in Dresden kann man seine Kinder nicht mehr auf die Straße lassen, vor allem nicht auf der Prager Straße, wo die ganzen ausländischen Drogenhändler stehen."

Ihre Vermählung im vergangenen Juli präsentiert das Paar im Internet vor einer traumhaft kombinierten Kulisse aus Schloss Wackerbarth und geliehenem Rolls-Royce. Auf Facebook inszenieren sie sich - nach dem Vorbild der RTL-Fernsehserie "Die Geissens" - als "Die Bachmanns". Für einen Friseurladen in Freital vertreiben sie Textilien, bevorzugt mit aufgedruckten Liebeserklärungen an die Stadt und ihre Ortsteile wie "Potschappel-Luder", "Deuben-Tussi" oder "Zacke-Zicke". Der Wirtschaftsdatenbankbetreiber Creditreform urteilt über den Unternehmer Bachmann: "Die Person ist bekannt, hat keine Bonität mehr."

Mit der Justiz ist Bachmann ebenfalls noch nicht im Reinen. Der Drogenhandel-Sache folgen weitere Verurteilungen wegen Trunkenheit im Verkehr und falscher Verdächtigung. Zudem verstößt er gegen die Unterhaltspflicht gegenüber seinem Sohn. Der werbetreibende Würstchenverkäufer ist immer noch auf Bewährung. Er darf weder öffentliche Ämter bekleiden noch ist er wählbar. Zudem ist es ihm, der "alle Kinder in einem friedlichen und weltoffenen Deutschland aufwachsen" sehen will, verboten, Jugendliche zu beschäftigen, zu beaufsichtigen oder gar auszubilden.

Kritischen Fragen zu seiner Rolle und seiner Vorbildfunktion bei Pegida ist Bachmann bislang ausgewichen. Mehrere Bitten um ein Gespräch mit der Sächsischen Zeitung lehnte er ab. Auch auf schriftliche Fragen antwortete er nicht. Stattdessen teilte Pegida offiziell mit, man werde am heutigen Dienstag eine Presseerklärung abgeben, in der auch "die Personalie Bachmann" eine Rolle spiele. Bachmann selbst aber stellte die Fragen samt Antworten vorab und für alle einsehbar ins Internet.

Wie in den vergangenen sechs Montagabenden folgten auch gestern wieder Tausende dem Pegida-Aufruf. Erstmals aber stoppten Gegendemonstranten den Protestmarsch auf der genehmigten Route mit einer Sitzblockade. Ob Bachmann weiterhin als Wortführer von Pegida amtieren wird, lässt er offen. "Ich bin austauschbar", rief er der Masse zu. "Und wenn es besser für unsere Sache ist, trete ich zurück aus dem ungewollten Rampenlicht."


Sächsische Zeitung, Ausgabe Dresden, 22.Dezember 2014, Seite 3

Pegida - wie alles begann

Von Ulrich Wolf, Alexander Schneider und Tobias Wolf

Ohne Facebook und ohne Kontakte in die Sport- und Partyszene hätten Lutz Bachmann und seine Freunde es kaum geschafft, die Massen zu bewegen. Auch die Dresdner FDP spielt eine Rolle.

Das Wetter ist herrlich an diesem frühen Abend, als Lutz Bachmann durch die Dresdner Innenstadt spaziert. Fast wolkenloser Himmel, tagsüber waren es über 20 Grad und das am 10. Oktober. Die Welt hätte so schön sein können, wäre da nicht dieser Krach in der Prager Straße gewesen. Eine Frau mit schriller Stimme schreit in ein Megafon, fordert Waffenlieferungen für die kurdische PKK im Kampf gegen islamische Terroristen. Rote Fahnen wehen, Trillerpfeifen trillern. Bachmann filmt die Szenerie mit dem Handy. Es sind die Geburtsminuten der Pegida-Bewegung.

Wochen später wird Lutz Bachmann dem Fernsehableger des rechtskonservativen Blattes Junge Freiheit ein Interview geben. Auf die Frage, wann denn alles begann, wird der 41-Jährige auf eben diese Demonstration verweisen: "Da haben 2 000 Menschen, so schätze ich, für Waffenlieferungen an die PKK demonstriert, also an eine verfassungsfeindliche terroristische Organisation." Zwar hatte die Polizei nur 350 Teilnehmer gezählt, Bachmann aber trommelte einige Freunde in ein griechisches Restaurant zusammen, um zu überlegen, was man tun könne gegen die Islamisierung. "Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, über Facebook darüber aufzuklären."

Facebook ist wichtig. Ohne dieses soziale Netzwerk wäre der rasante Erfolg von Pegida nicht möglich gewesen. Und Freunde. Auch die sind wichtig. Die auf Facebook, klar, aber auch die im realen Leben. "90 Prozent ist engster Freundeskreis", sagte Bachmann dem Fernsehteam der Jungen Freiheit auf die Frage, wer zum Organisationsteam der Pegida gehört.

Seine Frau Vicky gehört dazu, 31, wie ihr Mann in der Werbebranche unterwegs, erfolgreiche Halbprofi-Tänzerin, eng befreundet mit einer erfolgreichen Friseurin, die im Freitaler Stadtrat sitzt.

Thomas Hiemann, 44, zweifacher Familienvater, Mitglied des Eishockeyfanclubs "Goldkufen", der in der Nordkurve des Dresdner Bundesligateams Eislöwen Stimmung macht. Dort rufen ihn alle nur "Hiemännel".

Ingo Friedemann, 46, ein Moritzburger. Er war bis zum März dieses Jahres Geschäftsführer des türkischen Bads "Der kleine Muck", versehen mit Ornamenten und Symbolen aus dem Morgenland. Er arbeitete schon mit der Dresdner Marketinggesellschaft zusammen, war Vorstand im örtlichen Sportförderverein. Vor einem Dreivierteljahr erstickte das Dampfbad in der Pleite, seitdem schlägt sich Friedemann als Ein-Mann-Dienstleister mit Hausmeister-Jobs und Gastronomiebetreuung durch.

René Jahn, 49, ein Dresdner, der gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin einen Hausmeisterservice führt. Von der Polytechnischen Oberschule ging es über die Betriebsberufsschule des VEB Edelstahlwerk in Freital zur Unteroffiziersschule der Nationalen Volksarmee im vorpommerischen Eggesin. In einem Porträt über auswärtige Fans des Eishockeyclubs Eisbären schreibt der Berliner Tagesspiegel über Jahn: "Als Soldat war er zu DDR-Zeiten in Berlin, schon 1987 war er im Sportforum bei Spielen des Vorgängerclubs Dynamo zu Gast." Er, Jahn, glaube, "dass das Ostding eine Rolle spielt, das ist Kult".

Kathrin Oertel, 36, ging wie Lutz Bachmann in Coswig zur Schule. Der Bild-Zeitung sagte sie, sie sei Wirtschaftsberaterin und dreifache Mutter.

Fünf an und für sich apolitische Bachmann-Freunde, mitten aus dem Leben, mit mehr oder minder großen Schwierigkeiten zurechtzukommen im Alltag. Mitnichten klassische Neonazis. Was sie bisher einte - so ist ihren Internetbotschaften zu entnehmen -, ist die Lust auf Spaß in der Dresdner Partyszene und die Begeisterung für Sport. Jetzt organisieren sie gemeinsam den Straßenprotest mit dem Ziel, vor der drohenden Islamisierung zu warnen. Man sei dann aufgefordert worden, mal Präsenz zu zeigen, sagte Bachmann der Jungen Freiheit. Von wem, sagt er nicht. Wie in der Partyszene üblich, verabredete man sich auch auf Facebook: "Wir wollen gemeinsam auf die Straße gehen, um gegen die Glaubens- und Stellvertreterkriege zu demonstrieren, die Zug um Zug auf unseren friedlichen deutschen Boden gebracht werden", heißt es da. Man treffe sich am 20. Oktober, kurz vor 18 Uhr an der Frauenkirche. "Von da startet unsere Demo." Gut die Hälfte der letztendlich 350 Teilnehmer meldete sich auf Facebook an.

Das Schmuddel-Image, das Pegida anhaftet, es hat auch mit dieser ersten Demo zu tun. So sagte ein Mann zu, der bereits einige der großen Nazi-Proteste rund um 13. Februar in Dresden organisiert hatte. Ein anderer unterstützte öffentlich die von Rechtsextremen organisierten "Lichtelläufe" in Schneeberg. Auch ein ehemaliger NPD-Landtagsabgeordneter findet sich in der Liste, gewaltbereite Hardcore-Fans von Dynamo Dresden sind ebenfalls darunter. Auch Tom B., der Anmelder des "Pegida-Weihnachtlieder-Singen" am heutigen Montag vor der Semperoper, war dabei: ein muskelbepackter Mann, der die Verpflichtung des algerischen Stürmers Mohamed Amine Aoudia durch Dynamo Dresden im Internet mit dem Satz kommentierte: "Der Waffenhändler ist da!!"

Allerdings steht auf der Liste auch ein Mitarbeiter eines großen Dresdner Chip-Produzenten, der Inhaber eines der teuersten italienischen Restaurants in Dresden, ein stellvertretender Kreisvorsitzender der AfD. Vorstandsmitglieder kleinerer Fußballvereine sind dabei und sogar ein ehemaliger Fanprojekt-Leiter, der mit dem Antirassismus-Preis des Deutschen Fußballbundes ausgezeichnet worden war, später aber seinen Job wegen allzu rechtsextremer Äußerungen wieder abgeben musste. Viele kennen sich aus ihrer Zeit auf Beruflichen Schulzentren, feiern regelmäßig im "Kraftwerk Mitte", sind Gäste auf Veranstaltungen wie "Disco Total" oder "Thekenschlampenparty". Spaß und Sport stehen im Vordergrund, zwei Szenen, die übers Internet tausendfache Kontakte ermöglichen.

Eine besondere Schnittmenge bildet das Radebeuler Football-Team Suburbian Foxes. Der Sponsor der Mannschaft, ein Gastwirt, sagt, Lutz Bachmann sei zwar mal sein Freund gewesen, dann aber habe es "einen Vorfall" gegeben, "seitdem sind wir getrennt". Mit Pegida habe er "nichts am Hut".

Der Suburbian-Verteidiger mit der Rückennummer 64 hingegen schon: Siegfried Däbritz, 39, gehört zum harten Kern von Pegida. Er kümmert sich laut Bild bei den Demos mit um die Ordner. "Secty", wie er sich auch nennt, war bei Bachmanns standesamtlicher Hochzeit dabei, ist Motorrad freak und kandidierte 2009 als Stadtrat für die FDP. Nach Angaben der Dresdner Staatsanwaltschaft hat er ein "abgeschlossenes Strafverfahren" hinter sich gebracht.

Die Suche nach der Welt des Siegfried Däbritz führt nach Meißen. Nahe dem Weihnachtsmarkt liegt die Pension "Altstadtherberge", die er gemeinsam mit seinen Eltern führt. Sein Vater, ein integrer Mann, der lange für die FDP im Stadtrat saß und im Fasching Talent als Büttenredner bewies, will nicht sprechen über Pegida und das Engagement seines Sohns. Die Haustür knallt er schnell wieder zu.

Auch der zweite Meißner aus dem Pegida-Organisationsteam, Thomas Tallacker, mag die Suburbian Foxes. Der 46 Jahre alte Innenausstatter saß für die CDU im Stadtrat. Bereits vor einem Jahr begann ein Parteiausschlussverfahren, weil Tallacker auf Facebook Dampf abließ und Sätze wie "als deutscher brauchst ein Visum wenn du ins Freibad willst ..." schrieb. Die NPD bot ihm einen Parteiwechsel an. Seit einem schweren Motorradunfall Tallackers ruht das Ausschlussverfahren. Im September hatte das Dresdner Amtsgericht den bis dahin unbescholtenen Meißner wegen Körperverletzung zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Es war ein handgreiflicher Streit in der Baubranche, es ging ums Geld.

Trockenbauer, Monteure, Fliesenleger. Versicherungsvertreter und Finanzvertriebler. Fußballfans, Discohelden, Auto- und Motorradfreaks. Friseurinnen, Kosmetikerinnen, Tattoo- und Nagelstudiokunden. Mitläufer aus der Nazi-Szene, ein paar versprengte AfD-ler. Das war die überwiegende Klientel jener rund 900 Menschen, die auf der dritten Pegida-Demo am 3. November mitliefen.

Danach muss etwas passiert sein. Der vierte Spaziergang lockte mit 2 000 Teilnehmern mehr Leute an als alle drei Protestmärsche zuvor.

Lag das an dem, was sich am 6. November im Raum "Adagio" des Hotels Holiday Inn in Dresden abspielte? Die FDP-nahe Wilhelm-Külz-Stiftung hatte zu einer Lesung geladen. Gast war der deutsch-türkische Autor Akif Pirinçci, der in seinem Buch "Deutschland von Sinnen" abrechnet mit Gutmenschen und vaterlosen Gesellen, die von Familie und Heimat nichts wissen wollten, mit einer verwirrten Öffentlichkeit, die jede sexuelle Abseitigkeit vergöttere, mit Feminismus und Gender Mainstreaming, mit dem sich angeblich immer aggressiver ausbreitenden Islam und seinen deutschen Unterstützern. Pirinçci ist eine Art Thilo Sarrazin mit Migrationshintergrund. Unter den Gästen ist an jenem Abend auch Pegida-Mann Däbritz. Auf seiner Facebook-Seite war vor wenigen Tagen noch ein Foto platziert: Bekleidet mit schwarzem T-Shirt, auf dem die Aufschrift "Gutmensch" durchgestrichen ist, hält Däbritz Pirinçcis Buch hoch.

Auch einige lokale FDP-Politiker applaudierten eifrig dem Provokateur. Sie lassen ihn geifern: "In Deutschland können nur noch Behinderte Politiker werden." Eigentümer des Hotels ist der ehemalige Stadtchef der Dresdner FDP und heutige Tourismusverbandsvorsitzende Johannes Lohmeyer.

Im Video der Jungen Freiheit sagt Pegida-Erfinder Bachmann weiter, außer dem engsten Freundeskreis gehörten zum Organisationsteam "auch bekannte Persönlichkeiten aus Dresden, weswegen wir gerade so einen Zulauf aus der bürgerlichen Mitte haben." Etwa aus der FDP? Der Einzige, der sich aus der Partei bislang offen zu Bachmann bekennt, ist Ex-Stadtrat Burkhard Vester. 

Er bestätigt, dass Bachmann für sein Unternehmen, eine große Reinigungsfirma, Werbung gemacht hat, "ordentlich und kreativ". Die Inhalte der Pegida-Bewegung hält Vester für "richtig und sinnvoll". Deutschland habe keine vernünftige Asylpolitik, und Bachmann "rüttelt das Bewusstsein dafür wach".

Dass der gelernte Koch und spätere Werbedesigner bei den Liberalen zumindest nicht durchweg auf Antipathien stößt, zeigt auch eine Diskussion auf der Facebook-Seite der Dresdner FDP Anfang Dezember. Pegida mobilisiert zu dieser Zeit bereits Tausende Menschen. Als in dem Chat der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Jan Mücke, die Integrität Bachmanns wegen dessen Vorstrafen infrage stellt, kontert Tourismuschef Lohmeyer: "Ach ja, jemandem nach Verbüßen seiner Strafe gebetsmühlenartig seine kriminelle Vergangenheit vorzuhalten, sollten sich Mitglieder einer Partei verkneifen, die über viele Jahre einen verurteilten Steuerhinterzieher als Bundes- und Ehrenvorsitzenden hatte." Auf SZ-Nachfrage räumt Lohmeyer zwar ein, Bachmanns Vergangenheit sei kein Ruhmesblatt. "Aber das eine hat nichts mit dem anderen zu tun." Solange die Bewegung sich an die Gesetze halte, "sollte es möglich sein, Meinungen auszuhalten, die einem selber nicht passen".

In die FDP-Diskussion mischt sich auch der Leiter einer Generalagentur der Nürnberger Versicherung in Dresden ein. Er duzt Bachmann sogar. "Das wollen die Gutmenschen doch gar nicht mehr wissen Lutz. . . . dir auf den Kopf haun . . . darum geht's doch in Wirklichkeit." Schließlich greift der Policenspezialist Jan Mücke frontal an: "Sie sind die einzige Schande. ... nicht Pegida oder Herr Bachmann." Danach am Telefon befragt, sagt der Versicherungsvertreter nur: "Ihr verdreht doch eh alles. Einen schönen Tag noch."

Der Mann ist auf Facebook mit Vicky und Lutz Bachmann, mit Siegfried Däbritz und 209 weiteren Personen befreundet, die wiederum Tausende Freunde haben. So rollt die Pegida-Lawine durchs Netz und durchs ganze Land, durch alle Schichten. Fast 76 000 Menschen haben inzwischen ihre Sympathien bekundet. Die Grünen hat Pegida damit längst überholt, bis zur SPD fehlt nicht mehr viel.

Lutz Bachmann fand die Facebook-Diskussion der Liberalen so interessant, dass er sich einloggte und FDP-Stadtrat Jens Genschmar, Direktor des Dresdner Fußballmuseums ist, darum bat, "dieses grandiose Beispiel für den bedauerlichen Untergang der FDP" zu veröffentlichen." Er habe zu diesem Zweck Screenshots gefertigt, "welche morgen thematisiert werden. Danke." Genschmar wollte sich dazu auf SZ-Anfrage nicht äußern, wies aber Gerüchte, Pegida-nah zu sein, explizit zurück.

Dieses "morgen", das war der 8. Dezember. Rund 10 000 Menschen strömten an jenem Tag zur Pegida-Kundgebung. Berauscht vom Erfolg, gingen Bachmann, seine Frau und sein Freund Ingo Friedemann anschließend ein wenig feiern. Ins Milieu, dahin wo alles begann. In den Dunstkreis, in dem die ersten Pegida-Fans gewonnen wurden: Es ging ins "Klax", Dresdens älteste Stripteasebar.

Mitarbeit: Peter Redlich und Andrea Schawe