Wir schreiben 2017. Fast sieben Jahre schon bekriegen sich Schweizer und Deutsche. Irgendwie haben beide Parteien keine Lust mehr am Streit. Wenige Monate ist es her, da einigten sich die Regierungen in Bern und Berlin auf ein „No Spy-Abkommen“ - ein einstweiliger Verzicht auf Spionageoperationen.
Doch am 28. April des Jahres klopft es an der Tür eines Frankfurter Hotelzimmers, und ein blauägiger Mann wird von der deutschen Kripo abgeführt. Daniel M., Schweizer Staatsbürger, geboren im Kanton Solothurn und ehemaliger Polizist der Zürcher Kantonspolizei. Ab 2000 hat er für die Konzernsicherheit der Schweizer UBS-Bank gearbeitet und 2010 eine eigene Detektei eröffnet.
Daniel M. sorgte für die bisher letzten großen Schlagzeilen im mitteleuropäischen Krieg um Milliarden. Die deutsche Staatsanwaltschaft warf ihm vor, im Auftrag des Berner Geheimdienstes die Namen und Daten der drei NRW-Fahnder ausspioniert zu haben. Mehr noch: Über M. soll der Schweizer Geheimdienst irgendwann nach 2011 einen eigenen Maulwurf geworben haben, um die gegen die Schweiz gerichteten Aktivitäten rund um das Bürogebäude Unterdörnen 96 in Wuppertal (Publikumszeiten Mo, Di, Do und Fr von 12 -18 Uhr) und im NRW-Finanzapparat auszukundschaften. Ein V-Mann in der deutschen Steuerfahndung also? NRW-Finanzminister Norbert WALTER-BORJANS tobte in den Frühjahrstagen 2017: „Wenn Nachrichtendienste Spione beauftragen, in Deutschland Steuerfahnder zu bespitzeln, muss man sich doch fragen, in wessen Interesse sie handeln. Im Namen der Steuergerechtigkeit ja wohl kaum“.
Dieser Thriller hat die diversen Steuer-Coups perfekt gemacht. Der Krach flammte erneut auf. Und das Spiel wurde zum kompletten Verwirrstück. Denn M. soll zuvor deutsche Steuersünder an die bundesdeutschen Finanzbehörden verpfiffen und nach einer einschlägigen Verhaftung durch Schweizer Polizei spontan die Seite gewechselt haben. Top-Detektiv Werner MAUSS, selbst der Steuerhinterziehung angeklagt, soll das alles zunächst eingefädelt, dann aber die Vernehmungsunterlagen der Zürcher Ermittler an die Deutschen weitergegeben und so den M. in die Falle im Frankfurter Hotel geschickt haben. Kam er deswegen in seinem eigenen Bochumer Steuerprozess mit einer milden Strafe davon? Besonders erfolgreich war die Mission des eidgenössischen Agenten wohl nicht: Bis heute ist offen, ob es im Düsseldorfer Ministerium je einen V-Mann im Auftrag der Schweiz gegeben hat. Daniel M. erhielt eine Bewährungsstrafe.
Lutz OTTE, der für die NRW-Behörden wohl erfolgreicher als Daniel M. auf der Gegenseite spioniert hat, musste seine Arbeit für die deutsche Seite mit einem Jahr Haft büßen. Sina L. hat nach kurzem Aufenthalt im Gefängnis die Schweiz mit unbekanntem Ziel verlassen. Der "August KÖNIG" genannte Mann, dem Werner MAUSS seine Enttarnung als Steuersünder zu verdanken hat, konnte nach der Flucht nicht zur Familie in der Schweiz zurück, weil ihm die Festnahme drohte. Wolfgang UMFOGL aus dem Pitztal, der „M.Weber“ aus unserer Geschichte, hat die durchaus gut honorierte Arbeit für die Landesregierung am Rheinufer nicht überlebt. Ob seine Tiroler Eltern je ein Kondolenzschreiben der deutschen Auftraggeber bekommen haben, ist unbekannt.
In Düsseldorf gab es nie Grund, in Fürsorge zu empfinden. Es ist nur ein kaltes Geschäft mit Hehlern und Datendieben. Ein Wirtschaftskrieg eben. Ob und wie die Jagd nach Daten-CD noch weiter geht oder nicht, ist unbekannt. Schweizer Banken mahnen heute ihre Kundschaft, Steuern auf die Einnahmen zu zahlen. Und die Nachfolger von Finanzminister Norbert WALTER-BORJANS sind nach den letzten Regierungswechseln in Nordrhein-Westfalen längst auf neuen Spuren unterwegs, außerhalb der Schweiz. Man interessiert sich nicht mehr für die illegale Geldanlage „kleinerer“ Sparer. Eine Ermittlungs-Untergrenze liegt jetzt bei 100 000 Euro. Man geht lieber gegen komplizierte, aber einträglichere Cum-Ex-Betrügereien vor oder die Dealer der Panama-Papers und überlässt, wie bei Cum Ex, die Fahndung der Staatsanwaltschaft in Köln.
Schade nur: Der Wuppertaler Steuerfahnder-Chef Peter BECKHOFF, der geniale, vielleicht skrupellose Fahnder mit dem langen braunen Ledermantel, wird wohl keine eigenen Memoiren mit spannenden Berichten von der vordersten Front schreiben. Er bleibt seinem Ruf auch als Pensionär treu. Sein Spitzname war „geheimer Eichkater".