
Arafats geheime Konten
Jassir Arafat ist tot, eines der bisher bestgehüteten Geheimnisse waren seine Konten. Das palästinensische Volk litt Not, gleichzeitig bedienten sich Arafat und sein Finanzberater Mohamed Raschid auch aus geheimen Konten in der Schweiz.
von Johannes Hano und Thomas Reichart
Uzrad Lev war einer der wichtigsten Finanzberater von Jassir Arafat. Über Jahre hat er dem verstorbenen Palästinenser-Präsidenten bei Geldgeschäften im Ausland geholfen. Gut 300 Millionen Dollar hat er für Arafat auf geheime Konten in die Schweiz gebracht.
Arafat vertraute ihm bei seinen Geldgeschäften. Das dokumentiert ein handsigniertes Foto: Ein Dankeschön, als Lev für Arafat das erste von mehreren Konten bei der Schweizer Privatbank Lombard Odier angelegt hatte. Lev verwaltete das Vermögen über Briefkastenfirmen mit Sitz in der Karibik.
Beginn mit einer Offshore-Firma
Lev beschreibt seine Tätigkeit: "Das fing mit einer Offshore-Firma an, die ich für sie auf den Britischen Jungferninseln gegründet habe. Die Firma hieß Ledbury. Ich habe alles organisiert. Ich wollte absichtlich eine saubere Firma. Sie haben wir dann lange Zeit genutzt."
Vom versteckten Reichtum Arafats und seiner Helfer sieht man in Ramallah am vergangenen Wochenende nichts. Den Palästinensern geht es so schlecht wie selten.
Geld auch vom deutschen Steuerzahler
Ein Großteil ist arbeitslos. Die Autonomiebehörde ist bankrott, trotz der Milliarden an internationaler Hilfe auch von der Europäischen Union, auch vom deutschen Steuerzahler. Kritik am korrupten System kommt vor allem auch von den Palästinensern selbst.
Mustafa Baraghouthi von der Nationalen Initiative Palästina etwa sagt: "Da gab es keine Gesetze oder Rechenschaftspflicht. Die Verantwortlichen haben sich gegenüber den Bürgern nicht in der Pflicht gesehen. Und das betraf auch Mitglieder des palästinensischen Parlaments. Ich meine, einige der Abgeordneten sind nur durch Wahlfälschung ins Parlament gekommen, nicht alle, aber viele. Und sie haben sich gegenüber den Bürgern nicht verantwortlich gefühlt. Deshalb war es ihnen auch egal, was die Öffentlichkeit über sie denkt."
Leben auf großem Fuß
Von den versteckten Millionen profitiert offenbar auch Suha Arafat, die Ehefrau des toten Präsidenten. In Paris lebt sie auf großem, auf sehr großem Fuß. Eine ganze Etage soll sie im Luxushotel Bristol gemietet haben. Die kleinste Suite kostet hier 1200 Euro am Tag. Tagsüber geht's zum Shopping. Gleich um die Ecke vom Bristol soll sie regelmäßig mehrere 10.000 Euro bei sündhaft teuren Designern ausgeben.
Das Geld für Suhas Luxusleben in Paris kommt aus der Schweiz von einem geheimen Konto der Palästinensischen Autonomiebehörde. Darunter sind auch Hilfsgelder der Europäischen Union, Steuergelder aus Deutschland.
EU-Gelder für Präsidentenetat
Armin Laschet (CDU), Mitglied des Europäischen Parlaments, kennt Details: "EU-Gelder stecken insofern drin, als das aus dem Präsidentenetat bezahlt worden ist. Der Präsidentenetat war Bestandteil des Gesamtetats. Und in diesen Gesamtetat hat die EU eingezahlt."
Doch die Millionen für Suha sind nur Kleinigkeiten. Nach Untersuchungen des Internationalen Währungsfonds sind allein zwischen 1995 und 2000 aus dem Etat der bankrotten Palästinensischen Autonomiebehörde fast 900 Millionen Dollar verschwunden.
Lev zeigt uns, wie das in seinem Fall funktionierte. Zugang zu den Konten, die er in der Schweiz anlegt, haben allein Arafat und sein Finanzberater Mohamed Raschid. Sie bestätigen der Bank, dass es sich um legales Geld handle, das für das palästinensische Volk im Ausland angelegt werden soll.
Lev kennt Details: "Soweit ich weiß, gelangte ein Teil der Gelder von der EU auf ein Konto der Palästinensischen Autonomiebehörde bei einer arabischen Bank in Ramallah. Von dieser Bank sind Gelder auf die Konten überwiesen worden, die ich verwaltet habe."
Der verschlungene Weg des Geldes
Insgesamt fließen allein auf ein Konto bei Lombard Odier bis zu 225 Millionen Dollar, sagt Lev. Eigentlich darf das Geld nur zurück auf das Konto der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah fließen. So ist es mit der Bank vereinbart. Doch im Sommer 2000 - mit Beginn der Intifada - ändern Vertreter der Palästinenser hinter Levs Rücken mit der Bank diese Regelung.
Lev beschreibt den weiteren Weg des Geldes: "Von da an konnte das Geld auf irgendein Konto der Palästensischen Autonomiebehörde jedweder kreditwürdigen, internationalen Bank verschoben werden. Das bedeutet: keine Kontrolle. Für Mohamed Raschid und Arafat bedeutet das: Ich kann mit dem Geld tun, was ich will."
Und genau das passiert. Allein im August 2001 werden von dem Konto auf eine Bank in London 65 Millionen Dollar überwiesen. Entgegen aller Regeln, so Lev, verheimlichen die Schweizer Banker die Empfängerbank. Das Geld, auch EU-Gelder, fließt in dunkle Kanäle - wohl auch an Terroristen.
Gelder an Aktivisten
Der Europaabgeordnete Laschet über die EU-Hilfen: "Es wäre zu leicht, zu sagen: Die EU hat Terrorismus gefördert. So ist das manchmal verkürzt übertragen worden. Aber wir haben Dokumente gefunden, in denen Präsident Arafat persönlich angewiesen hat, Gelder an Aktivisten zu geben. Das waren Aktivisten, die in Terroranschläge verwickelt waren."
Marwan Baraghouti ist ein Beispiel dafür. Als Drahtzieher terroristischer Anschläge wurde er 2002 von einem israelischen Gericht zu fünf Mal lebenslang verurteilt. Zuvor, im September 2001, erhält er 250.000 Dollar auf ein Konto bei der Bank of Jordan in Ramallah, Kontoinhaber Marwan Baraghouti. Die Zahlung wird beim Finanzministerium der Autonomiebehörde als "Gehälter" verbucht. Das Geld kommt von einem Nummernkonto, wahrscheinlich aus London.
"Lieber, großer Bruder"
Ronen Bergmann war der erste Journalist, der Dokumente auswerten konnte, die die israelische Armee in Arafats Hauptquartier beschlagnahmt hatte. Die Papiere zeigen, dass Arafat selbst Terrorgruppen unterstützt hat.
Bergmann, Journalist bei der Tageszeitung "Yediot Achronot" nennt Einzelheiten: "In Notizen und Briefen steht: Lieber, großer Bruder Abu Amar - das ist der Spitzname für Arafat - bitte genehmige finanzielle Unterstützung für diese Kriegsbrüder, die erstklassige Aktionen gegen den zionistischen Feind durchgeführt haben." - "Erstklassige Aktionen", die Israelis nennen das Terroranschläge.
Berlin hat noch nichts davon gehört
EU-Gelder, abgezweigt auf geheime Konten, missbraucht zur Unterstützung von Terroraktivisten und für das Luxusleben von Suha Arafat: Nur die Bundesregierung will davon nie etwas gehört haben. In einem Schreiben des Außenministeriums an Frontal21 heißt es: "Entsprechende Vorwürfe ließen sich auch nach sorgfältiger Prüfung nicht erhärten."
Uzrad Lev hat mittlerweile europäischen und amerikanischen Ermittlungsbehörden Auskunft gegeben und schreibt an einem Buch: über geheime Konten Arafats, die mit europäischen und auch deutschen Steuergeldern gefüttert wurden. Interessante Lektüre auch für das Auswärtige Amt.
Online am: 30.01.2016
Inhalt:
- Ein Überblick über das Geschäftsmodell Steuerflucht und Schwarzgeldschmuggel
- System MWB & Credit Suisse
- Der Frontal21-Film von 2005 und das Making-of
- Steuerparadies Schweiz
- Kontrolle an den Grenzen
- Steuern - unsere Gemeinschaftskasse
- ABC der Akteure
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