Der Frontal21-Film von 2005 und das Making-of

Auf den Spuren des Schwarzgeldes – der Film und die Recherchen von Herbert KLAR und Christian ESSER

Die Geschichte - Steuerhinterziehung und Schwarzgeldschmuggel in die Schweiz - begann wie viele investigative Storys bei Frontal21 durch Hinweise von Informanten. Beide Redakteure haben eine ganze Reihe von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen, die ihnen ab und zu interessante Informationen zukommen lassen, aus denen nicht selten eine spannende Geschichte entsteht. So wie diese.

  • Den Film gibt es online nicht mehr. Das ZDF bzw. die Redaktion Frontal21 unterhält nur noch ein temporäres Onlinearchiv. Beiträge, deren Sendedatum länger als 12 Monate zurück liegt, gehen vom Netz
  • Dafür haben wir aber das Manuskript der Sendung dazu.


Und hier beschreiben wir das Making-of dieser Recherche und des Films:

Whistleblower / Informanten melden sich

In diesem Fall kam der Hinweis allerdings nicht von einem „Stamm-Informanten“, sondern von ehemaligen Mitarbeitern der schweizerischen Firma MWB, einer Vermögensverwaltung, die alles andere als legale Geschäfte betrieb.

Über einen Mittelsmann nahmen die Ex-MWB-Mitarbeiter Kontakt zu Herbert KLAR auf und gaben ihr hochbrisantes Wissen preis:

Mit Unterstützung eines Callcenters, der Fa. CT Consulting, verlocke die MWB deutsche Mittelständler zu Geldanlagen in der Schweiz und würde somit bankähnliche Geschäfte betreiben, zu denen sie nicht berechtigt seit. Die CT Consulting würde für die Anwerbung der Kunden von der MWB bezahlt. Dafür gäbe es auch Belege. Zwischen beiden Firmen bestünden überdies ‚verwandtschaftliche’ Beziehungen. Der besondere Service dabei: MWB würde Interessierten sogar helfen, das Geld in die Schweiz zu schmuggeln. Dafür stelle die MBW bereitwillig einen Kurier für den Geldtransport zur Verfügung.

Interessante Informationen! Die es jedoch zu überprüfen galt! Also machte sich Herbert KLAR auf den Weg nach Zürich - in Begleitung einer guten Freundin, die seine Ehefrau spielen sollte.

Wichtige Vorkehrungen

Vorher galt es jedoch, wichtige Vorkehrungen zu treffen: Herbert KLAR konnte sich natürlich nicht als Frontal-21-Redakteur bei MWB vorstellen. Also erfand er eine Rolle, die es überzeugend zu spielen galt:

Aus dem investigativ recherchierenden Journalisten wurde ein Unternehmer, Inhaber einer florierenden Zahnhandelsfirma, der für seine Frau Gemahlin eine größere Summe Geld in der Schweiz anlegen wollte - vorbeigeschleust an der deutschen Steuer natürlich. Auf Grund der Bekanntschaft mit den ehemaligen MWB-Mitarbeitern konnte Herbert KLAR sogar eine Referenz angeben. Fehlte nur noch eine Visitenkarte mit anderem Namen und funktionierenden Telefonnummern – nun war Herbert KLAR bereit für den ersten Termin bei der MWB.

In Zürich zeigte sich der MWB-Mitarbeiter Jan F. keineswegs überrascht, als Herbert KLAR ihm geradewegs erzählte, er wolle eine größere Summe Geld in die Schweiz schmuggeln; man könne ihm sogar bei dem Transport helfen. Wie diese Möglichkeit konkret aussieht, wollte Jan F. zunächst nicht näher erläutern - dafür müsse man erst Kunde bei der MWB sein.

Versteckte Kamera

Diese Szene wurde mit versteckter Kamera aufgenommen. Ebenso wie das folgende Treffen mit Jan F. Ursprünglich sollte es in einem Flughafenrestaurant stattfinden. Für Herbert KLAR jedoch ein zu großes Risiko, da er die Lokalität nicht kannte. In solchen Fällen wird es immer schwerer, die versteckte Kamera optimal zum Einsatz zu bringen.

Dennoch: KLAR stimmte dem Vorschlag zunächst zu, rief allerdings zwei Stunden vorher an, dass er nicht zum vereinbarten Treffpunkt kommen könne. Stattdessen schlug er vor, das Meeting in einem Biergarten abzuhalten. Jan F. ließ sich auf diese Idee ein und so konnte Herbert KLAR in Ruhe die versteckte Kamera positionieren, die sein Kollege Christian ESSER, einen ganz normalen Biergartenbesucher spielend, in Obhut hielt, während Herbert KLAR und Jan F. am Nebentisch ihre Geschäfte abwickelten.

Durch die Änderung des Treffpunktes ergab sich jedoch ein Problem: Der MWB-Mann kam mit Verspätung, während die versteckte Kamera bereits lief. Also musste sein unsichtbarer Kompagnon zwischendurch auf die Toilette, um die Technik zu überprüfen. Halten die Batterien noch? Ist die Kassette auch noch nicht voll? Es gibt nichts Schlimmeres als nach erfolgreichem Termin keine Bilder zu haben.

Das Treffen lief jedoch erfolgreich. Herbert KLAR schloss einen Vertrag mit Jan F. ab, legte ihm die Kopie des Personalausweises seiner Ehefrau vor, für die die Geldanlage auch bestimmt war. 50.000 Euro sollten als erste Rate übergeben werden, doch der Frontal-21-Redakteur inkognito zeigte sich misstrauisch. Welche Sicherheiten außer einer Quittung könne man ihm bieten?

Jan F. erwiderte, dass er das Geld natürlich auch selber einzahlen könne, am besten bei der Crédit Suisse in St. Margarethen. Diese Filiale liegt in der Schweiz, gleich hinter der Österreichischen Grenze. Der Vorteil dort: Auf der Fahrt von Deutschland in die Schweiz, also über den Umweg Österreich, gibt es keine Zollkontrollen. Auf diesem Weg kann das Geld sicher in die Schweiz transportiert bzw. heimlich exportiert werden.

All diese Szenen und Gespräche hatten Herbert KLAR und Christian ESSER nun im Kasten. Es fehlten nur noch die Aussagen der Informanten.

Informanten als unsichtbare Zeugen

Doch obwohl die ehemaligen MWB-Mitarbeiter freiwillig zu Frontal21 kamen und über die Machenschaften ihres früheren Arbeitgebers berichteten, war einige Überzeugungsarbeit zu leisten, um die Informanten auch vor der – dieses Mal offenen - Kamera zum Reden zu bringen. Um der Angst, erkannt zu werden, entgegen zu wirken, zeigte Christian ESSER den Informanten frühere Aufnahmen, bei denen das Gesicht der Gefilmten unkenntlich gemacht worden war, was den ehemaligen MWB-Mitarbeitern Sicherheit verlieh. Zusätzlich sollte der Text von Frontal21 nachgesprochen werden. So kann man ausschließen, dass irgendjemand einen Informanten erkennen kann, weder über das Bild noch über das gesprochene Wort. Allerdings: sie durften inhaltlich nichts sagen, was sie eindeutig identifizieren könnte, z.B. Informationen, die nur sie aufgrund ihrer früheren Arbeit bei MWB haben konnten.

Christian ESSER betont, dass ein sensibler Umgang mit Informanten von großer Wichtigkeit ist – man möchte nämlich auch in Zukunft mit ihnen weiterhin zusammenarbeiten. Deshalb können sich Informanten sicher sein, dass sie bei Medien und Journalisten gut aufgehoben sind. Wer mehr über dieses sensible Thema wissen möchte, kann sich auf unserem Unterportal www.ansTageslicht.de/Informanteninfo oder allgemein unter www.ansTageslicht.de/Whistleblower informieren.

Ein betroffenes Opfer meldet sich

Nach rund zweimonatiger Recherche ging der erste Frontal-21-Bericht dieser Serie auf Sendung. Wenig später geschah das, was öfters passiert: es meldete sich ein ‚Opfer’ der MWB: Werner BERNHARD.

Auch er war des öfteren von der CT Consulting, die ihn zu Geldanlagen in der Schweiz verlocken wollte, angerufen worden. Irgendwann ließ sich BERNHRAD breit schlagen und legte mit Hilfe der MWB bei der Bank Crédit Suisse 10.000 Euro an – immerhin bei einer der größten und seriösesten, die man sich denken kann.

Als BERNHARD einige Zeit später anhand von Kontoauszügen feststellten musste, dass von seinem Geld nichts mehr übrig war, erkundigte er sich bei der MWB über den Verbleib seiner 10.000 Euro. Die MWB konnte (oder wollte) ihm jedoch keine klare Antwort geben.

Werner BERNHARD war sauer; er stellte sich Frontal 21 als Lockvogel zur Verfügung.

BERNHARD traf sich deshalb nochmals mit dem MWB-Mitarbeiter: er sollte ihm die Übergabe einer weiteren Rate vorgaukeln. Vorher erklärte ESSER ihm die versteckte Kamera, mit der alles gefilmt werden sollte. Außerdem machte ESSER ihn darauf aufmerksam, dass dies erhebliche Folgen für ihn haben könne, da sich BERNHARD damit als Steuerhinterzieher outen würde. Doch der Zorn des Handwerksmeisters war so groß, dass es ihm egal war.

Das Treffen fand – wie geplant – statt. Die versteckte Kamera kam dieses Mal als „Brillenkamera“ zum Einsatz – getragen von der Tonassistentin, die sich als Tochter BERNHARDs ausgab. Zusätzlich wurde der Treffpunkt mit weiteren Kameras ausgestattet, um sicher zu gehen – denn „doppelt hält besser“, wie beide Frontal21-Redakteure immer wieder betonen. Folglich gab es auch keine Pannen, sondern brauchbare Bilder und der zweite Bericht konnte problemlos über den Bildschirm gehen.

Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung werden aktiv

Problemlos allerdings nicht für die Firma CT Consulting. Die bekam Besuch: Damen und Herren der Steuerfahndung, die eine gründliche Durchsuchung vornahmen.

Was dabei bisher herausgekommen ist, wissen wir (noch) nicht. Wir wissen nur, dass die Firma CT Consulting immer noch aktiv ist, allerdings mit veränderten Aktivitäten – die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) hat ihr nämlich die bisherige Tätigkeit für MWB untersagt.

Und auch in Zürich zeigten die beiden Frontal21 – Berichte Folgen: die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf.

Fortsetzung folgt?

Ob Frontal 21 in dieser Sache eventuell noch einmal nachhaken wird, wollen wir wissen? Herbert KLAR antwortet, dass diese Geschichte in der Tat noch nicht abgeschlossen ist. Aber: „Manchmal ist nicht der richtige Zeitpunkt, alles zu sagen.“

(MW)