Steuerparadies Schweiz
Steuerflucht ist erlaubt
Ein Hauptmerkmal der freien Marktwirtschaft ist der Standortwettbewerb. Durch die unterschiedlichen Steuerbelastungen in den einzelnen Standorten ergibt sich daraus ein Steuerwettbewerb.
Jedes Land und jede Region bietet eine bestimmte Menge und Qualität an öffentlichen Gütern (z.B. Autobahnen) und Leistungen an (z.B. Kindergeld) und erhebt dafür Steuern von den Einwohnern. Die Steuerzahler haben – grundsätzlich bzw. theoretisch - die Wahl, an dem Ort zu wohnen und zu arbeiten, an dem sie das für sie optimale Paket vorfinden: öffentliche Leistungen auf der einen Seite und die dazu notwendige Steuerbelastung auf der anderen Seite.
Allerdings: nicht jeder kann sich das leisten und nicht jeder kann das so einfach machen. Für Firmen bzw. Konzerne, die ein internationales Geflecht an Tochterfirmen und Beteiligungen unterhalten, ist das am einfachsten, denn häufig braucht man für einen steuerlichen ‚Umzug’ nur irgendeine Adresse, z.B. einen Briefkasten wechseln. Anders gesagt: man mietet sich einfach einen Briefkasten oder ein Büro.
Auch Prominente, also Fernsehstars, gut verdienende Künstler oder Sportler können das machen: man mietet oder kauft sich einfach eine weitere Bleibe. Für Otto Normalverdiener sind solche Steuerstrategien schwer möglich – er hat nicht das Geld für einen steuerlichen Erst- oder Zweitwohnsitz oder die Möglichkeit, ständig hin und herzufliegen.
Das ‚Auswandern’, um Steuern zu vermeiden, ist legal. Man nennt es auch Steuervermeidung. Die Grenze zur Steuerflucht ist dabei fließend.
Steuerhinterziehung hingegen ist ganz klar ein Straftatbestand. Deswegen nämlich, weil es um Täuschung der heimischen Finanzbehörden geht.
Der Steuerflucht im Weg steht das deutsche Außensteuergesetz, das die Flucht zwar nicht verhindern, aber zumindest erschweren kann. Zum Beispiel, indem für eine bestimmte Weile nach der Steuerflucht noch in beschränktem Umfang Steuer erhoben werden können. Dieses Gesetz wurde in Deutschland installiert, nachdem 1968 der damalige deutsche Kaufhauskönig Helmut HORTEN, der seine Kaufhauskette vor allem durch Arisierungen ehemals jüdischer Geschäfte im Dritten Reich aufgebaut hatte, seinen Wohnsitz von Düsseldorf nach Madonna del Piano im Schweizer Tessin verlegt hatte, um seinen steuerlichen Pflichten zu entkommen. Was HORTEN erfolgreich vorgemacht hatte, machten viele andere nach: vor den deutschen Steuern zu fliehen, andererseits aber die Vorteile, sprich Leistungen des deutschen Staates fleißig weiterzunutzen. HORTEN beispielsweise hielt seine Geschäftsbesprechungen mit seinen Kaufhausmanagern danach im firmeneigenen Privatflugzeug ab.
Im internationalen Vergleich, also im Steuerwettbewerb, belegt Deutschland eine mittlere Position. Viele Länder können es sich leisten, günstigere Steuersätze anzubieten. Steuerlich sehr beliebt ist die deutschsprachige Nachbarin Schweiz.
Gewinnsteuersätze für Unternehmen in verschiedenen Ländern, erhoben und umgerechnet von der international agierenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG.
Was macht die Schweiz so attraktiv?
Die Schweiz hat nicht nur einen der niedrigsten Gewinnsteuersätze für Unternehmen in Europa, sondern bietet viele attraktive Vergünstigungen auch für gut verdienende, reiche und sehr reiche Leute, besonders für Ausländer. Für diese gibt es eine Pauschalsteuer, d.h. es werden nur die Kosten für den Lebensaufwand in der Schweiz versteuert.
Michael SCHUMACHER z.B. zahlt auf dieser Weise nur 2 % Steuer von seinem jährlichen Einkommen. Zu den anderen bekannten Schweizer Namen zählen Boris BECKER, Ikea-Gründer Ingvar KAMPRAD oder der Molkereibesitzer Theo MÜLLER.
Die Hälfte aller Vermögenden der Schweiz ist zugereist. Die Schweiz kennt keine Reichensteuer und in meisten Fällen keine Erbschaftssteuer - weitere Argumente für einen Umzug.
Im Gegensatz zu Irland, Polen, Ungarn, Slowenien, wo Steuersysteme ebenfalls ein angenehmes Klima für Unternehmen bieten, und auch im Unterschied zu den USA, wo eher natürliche Personen steuerlich begünstigt sind, kann man die Schweiz als eine ‚universale Steueroase’ bezeichnen: egal ob Unternehmen, Briefkastenfirma oder Privatperson: alle profitieren und alle fühlen sich wohl.
Kleine Kantone – kleine Steuer
Ein wichtiger Grund, warum die Schweizer Steuern so niedrig sind, liegt im Standortwettbewerb auch innerhalb Schweiz. Der Staat, in dem 6 Millionen Menschen leben, besteht aus 26 Kantonen, von denen jeder über die fiskalische Unabhängigkeit verfügt. Der Schweizer Finanzausgleich unter den Kantonen und der regelmäßige Verkauf überschüssiger Goldreserven öffnet den Kantonen einen großen Spielraum. Außerdem kennt die Schweiz seit Jahrhunderten keine Kriege mehr und hat in dieser Hinsicht keinerlei finanzielle Nachfolgelasten.
Kleine und arme Kantone versuchen mit niedrigen Steuersätzen gut betuchte Unternehmer anzulocken. Mindestens 18 von 26 Kantonen senkten im Jahr 2006 die Steuern oder planen, sie zu reduzieren. Am erfolgreichsten ist dabei der Kanton Obwalden. Mit dem sensationell geringen Gewinnsteuersatz von 6,6 % schafft Obwalden den niedrigsten Satz im ganzen Land.
Außerdem zahlen in Obwalden die Besserverdiener weniger Steuern als die Geringverdiener – ab einem gewissen Einkommen sinkt der Steuersatz. Dieses Modell steht im Gegensatz zur progressiven Einkommenssteuer, die in fast allen Ländern der Welt praktiziert wird: Der Besserverdiener zahlt mehr als der Geringverdiener.
Das goldene Herz der Schweiz
Die Zentralschweiz nennt man „Goldküste“ – die Kantone Zug, Nidwalden und Schwyz sind der Grund für diesen guten Ruf. Am attraktivsten ist der in der Nähe von Zürich liegende Kanton Zug. Auch hier gibt es sehr niedrige Steuersätze und einen schönen See (Zuger See), umrahmt von Bergen, dazu. Dieser Kanton zählt ca. 100.000 Einwohner und beheimatet über 23. 000 angemeldeter Firmen. Schätzungsweise ein Drittel davon kommen aus Deutschland.
Bekannte Namen kann man auf den Adressenschildern erkennen: Adidas, BASF, Esso, Hugo Boss, Siemens, Gazprom. Gerhard SCHRÖDER lässt sich hier allerdings nicht sehen – die meisten Firmen mieten in Zug nur einen Briefkasten, daher die Bezeichnung Briefkastenfirma.
Es wurden, zum Beispiel, 59 Firmen entdeckt, die sich ein einziges Stockwerk im Bürohochhaus geteilt haben. Eine steigende Zahl von Treuhändern und Anwälten verdient in Zug ihr Geld damit, den ausländischen Unternehmen einen legalen Firmensitz zu verschaffen.
Als „normaler“ Schweizerbürger kann man viele Gründe finden, sich über die „stille“ Nachbarschaft zu ärgern. Die Mieten hier sind mittlerweile über das Niveau der Hauptstadt Zürich gestiegen. Die Einheimischen bekommen die rund 5. 000 hier polizeilich gemeldeten Millionäre aber kaum zu Gesicht – selten lassen sich in Zug schicke Autos blicken.
Aber wie der Zuger Finanzdirektor Peter HEGGLIN sagt: „Zug ist gar keine Steueroase. Wir verlangen ja Abgaben“ – die Cayman-Inseln oder Dubai beispielsweise „erheben teilweise überhaupt keine Steuern“.
Dort wiederum können sich nur deutsche Piloten eine Briefadresse leisten, wie ein anderer Frontal21-Film vom 24. Mai 2005 zeigt …
(SKO)
Online am: 20.01.2016
Inhalt:
- Ein Überblick über das Geschäftsmodell Steuerflucht und Schwarzgeldschmuggel
- System MWB & Credit Suisse
- Der Frontal21-Film von 2005 und das Making-of
- Steuerparadies Schweiz
- Kontrolle an den Grenzen
- Steuern - unsere Gemeinschaftskasse
- ABC der Akteure
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