Whistleblower über Steuerflucht und Bankgeheimnis
Vorbemerkung:
Wir stellen hier in verkürzter Form beispielhaft einige Whistleblower in 4 Fallbeispielen vor, die sich im internationalen Kampf der Zivilgesellschaft für Steuergerechtigkeit hervorgetan haben: entweder unter ihrem eigenen Namen oder anonym. Sie markieren relevante Wendepunkte, die die 'hohe Politik' zum Handeln zu bringen versucht hatte. Anfangs erfolglos. Nach der Jahrtausendwende mit zunehmendem Erfolg.
Die wichtigste zivilgesellschaftliche NGO heißt Tax Justice Network, in der sich internationale Experten und Professoren, Rechtsanwälte und ehemalige hohe Finanzbeamte und andere engagieren. Sitz ist in Bristol, GB, die Gründung fand 2003 statt.
Die wichtigsten Kommunikatoren für diese Thematik sind die investigativen Journalisten, die sich im International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) mit Sitz in Washington, USA, zusammen getan haben und je nach Aufgabenstellung zusammen arbeiten - seit 2013.
Diese Site, die Sie gerade anschauen, können Sie direkt aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/Steuerleaks.
David gegen Goliath: Erich DIEFENBACHER gegen das "System Schweiz"
Er war einer der ersten, die darauf aufmerksam gemacht hatten. Und Roß und Reiter genannt hatte: ein Rechtsanwalt aus Bern, Erich DIEFENBACHER aus Wiesbaden.
Im Krieg wurde er durch ein SS-Standgericht zum Tode verurteilt, weil er sich dem "Endsieg" verweigert hatte. Danach stieg der junge Advokat schnell auf, wurde in den Basler Verfassungsrat gewählt, ließ sich mit einer eigenen Kanzlei im schweizerischen Bern nieder. Seine zweite Frau war Inhaberin einer kleinen Privatbank, deren Präsident er wurde. Er machte sich schnell Feinde. Sein größter: die große Schweizerische Kreditanstalt (SKA), die heute mit rd. 50.000 Angestellten Credit Suisse heißt (CS).
„Jeden Abend, wenn über der markanten Kulisse des Monte Bré, des Zuckerhuts von Lugano, die Dämmerung hereinbricht, schließt sich Rechtsanwalt Erich Diefenbacher in seiner Villa hinter einer Panzertür ein. Mit Selbstschutzeinrichtungen -- Waffen, Funkgerät und starken Scheinwerfern -- verschanzt sich der Advokat in seiner Privat-Festung an der Bergstraße Bellavista in Ruvigliana bei Lugano gegen eine finstere Macht, die angeblich schon 13 Mord-Anschläge auf ihn und seine Frau Dora verübte" schrieb DER SPIEGEL 1973 über ihn.
Als Bank-Insider und Rechtsanwalt, der Leute verteidigte, die über den Tisch gezogen wurden, merkte er schnell, wie das "System Schweiz" und das "System Liechtenstein" funktionierten. Er machte es nicht nur in seinen Prozessen vor Gericht öffentlich, er publizierte auch in vielen Fachzeitschriften, eilte von Kongress zu Kongress. Ein Whistleblower in Sachen Steuerflucht und Bankgeheimnis.
Das "System Schweiz" begann ihn auszuspionieren. 1981 brachte ein darauf angesetzter Kriminalbeamter der Bundespolizei dies zu Papier:
"Motive des Schweizer Banken- und Anwaltskartells für die Eliminierung von Erich Diefenbacher aus dem Schweizer Rechts- und Wirtschaftsleben..." [Hervorhebungen im Original, Anm. d. Red.] und listet jede Menge Kenntnisse des Anwalts auf: "Herkunft der Gewinne aus Rauschgifthandel, Entführungslösegeld, illegaler Waffenhandel, Mafia- und Verbrechenssyndikatserträgen, etc. etc." Siehe dazu das Faksimile.
Erich DIEFENBACHER geriet immer mehr unter Druck. Als er einen anderen Whistleblower verteidigte, der der EU-Kommission Einblicke in ein weltweites Pharmakartell verschaffte, war es aus für ihn in der Schweiz. Er wurde zur "persona non grata".
Der Druck nahm zu. Plötzlich waren 1 Million Schweizer Franken auf seinem Konto, überwiesen von einer Bank des Michele SINDONA, einem internationalen Finanzjongleur, der später mit Pauken & Trompeten pleite ging, für den Vatikan und andere Großbanken agiert hatte. Jetzt hatte DIEFENBACHER auf einmal Steuerschulden und bei säumigen Zahlern kennen die Finanzbehörden keine Gnade: Sie müssen auf der Stelle beglichen werden. Mit dieser Strategie hatte das "System Schweiz" Erfolg. Erich DIEFENBACHER musste emigrieren. Nach Deutschland. Dort wirkte er weiter als Whistleblower in Sachen Schweiz und Steuergerchtigkeit.
Wir haben seine Geschichte ausführlich aufgeschrieben: unter www.ansTageslicht.de/Diefenbacher.
Steuerfahnder Klaus FÖRSTER outet Geldwäsche, Steuerhinterziehung und illegale Parteispenden: in einem Kloster
So hätte er sich das auch nicht gedacht, als er mehr oder weniger zufällig über das Kloster der Steyler Missionare in St. Augustin unmittelbar vor den Toren der damaligen Bundeshauptstadt Bonn 'gestolpert' wa. Sinnigerweise befand es sich direkt visavis von seinem Büro, in dem die Steuerfahndung untergebracht war.
Steuerfahnder Klaus FÖRSTER staunte nicht schlecht, als er feststelle, wie das lief: Der große und mächtige Flick-Konzern hatte den großen (Alt)Parteien CDU, SPD und FDP regelmäßig Gelder zukommen lassen - als Parteispenden. Als "Politische Landschaftspflege" hatte Friedrich Karl FLICK das später bezeichnet, denn er wollte sich damit die Gunst und das Wohlwollen der Regierenden erkaufen, damit sie seine großindustriellen Pläne absegneten.
Und so hatte das funktioniert mit dem Kloster in St. Augustin:
- FLICK überwies dem Kloster 20.000 (damals) DM.
- Pater SCHRÖDER stellte dem Großindustriellen dafür eine Spendenbescheinung über 100.000 DM aus.
- Er selbst kassierte von den 20.000 10%, also 2.000 DM,
- weitere 2.000 leitete er an den Schatzmeister der CDU weiter
- An FLICK selbst gingen 16.000 DM wieder schwarz zurück - als kick-back.
- Friedrich Karl FLICK konnte sich mit der 100.000 DM-Spendenbescheinigung beim Finanzamt rd. 50.000 wieder erstatten lassen. Damit hatte er aus 4.000 DM runde 50.000 DM gemacht, eine Gelddruckmaschine.
Diese 50.000 wurden nun nach seinem Gutdünken auf jene Parteien und deren Konten verteilt, die ihm gewogen waren. Die Affäre entartete letztlich zu einer der gößten illegalen Parteispenden-Affäre, auch als "Flick-Affäre" bezeichnet. FÖRSTER wurde kaltgestellt und es war zugleich das Ende seiner 'Karriere' im Öffentlichen Dienst.
Wir haben diesen Skandal und die wichtige Aufklärungsrolle des Steuerfahnders und Whistleblowers detailliert dokumentiert unter www.ansTageslicht.de/Foerster.
Rudolf ELMER: mit Wikileaks gegen das Bankgeheimnis
Es war sein erster großer Aufstieg und er konnte das Angebot seines Arbeitgebers, des Bankhaus Bär, nicht ausschlagen: Er sollte seinen Job als Revisor in Zürich aufgeben und auf die Cayman Islands gehen, wo die große schweizerische Privatbank eine Filiale unterhielt. Chief Operator war er nun und für den Bereich IT und das Sicherheitsmanagement sowie die gesamten Managementprozesse zuständig. Schnell ging es weiter. Er wurde stellvertretender Geschäftsführer und dann auch noch Compliance Officer.
In dieser Funktion bekam er mit, mit welchem Abschaum der Menschheit die Bär-Bank auf Cyaman Island so ihre Geschäfte machte. Da bunkerten griechische Reeder ihre Gelder, die "Rote Fini" hatte dort ein Konto, auf das sie ihre Erlöse aus den Geschäften mit und in der DDR als Inhaberin der Fa. "Novum Handelsgesellschaft mbH" umleitete, Millionäre aus aller Herren Länder. Aber auch der ehemalige Präsident von Mexiko, Carlos SALINAS, und der mexikanische Brigadegeneral Mario Arturo ACOSTA. Letzterer hatte Jagd auf die Oppositionellen gemacht, sie ins Gefängnis gesteckt und foltern lassen. Einige davon wurden in Helikopter gepackt und bei lebendigem Leibe überm Meer in den Atlantik geworfen. Unter dem Begriff "flights of death" ist diese Methode bekannt geworden.
Rudolf ELMER suchte das Gespräch mit seinen Vorgesetzten. Erst auf Caymann Island, dann mit Zürich. Er wies sie darauf hin, dass er als "Angestellter zu einem Handlager der Umoral" wird. Die Chefs verweigerten sich. Auch die Verwaltungsräte der Bank gaben kein Feedback. Daraufhin schrieb ELMER einige Kunden an, wies sie auf die illegalen Praktiken hin und fragte, ob sie das mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten?
Die Folge: interne Auseinandersetzungen, die mit der Kündigung endeten. Zurück in der Schweiz, begann er zu merken, das er überwacht wurde. Und er bekam anonyme Emails: Drohungen, z.B. "~Reudi, stop talking about JBBT business..." Etwas später: "If you talk we will kill your child..."
Weil in der Karibik regelmäßig Hurricanes die Gegend unsicher machen, es mit der elektrischen Infrastruktur auf den Cayman-Inseln auch nicht zum Besen bestellt ist, gehörte es zu ELMER's Aufgaben, jeden Abend ein Backup aller Daten mit nach Hause zu nehmen. War ein größerer Wirbelsturm angesagt, musste Rudolf ELMER das Datenband mit einem Privatflugzeug aufs Festland ausfliegen. Jedenfalls verfügte er immer über eine Kopie aller Datensätze.
Auf einen dritten internen "Whistleblower"-Brandbrief an den neuen Präsidenten der Julius Bär Bank, in dem ELMER auf viele Details hinwies, reagierte das internationale Geldhaus wieder nicht und ELMER testete deshalb eine neue Institution, die bis dahin völlig unbekannt war: eine Plattform, die von sich behauptete, alles online zu veröffentlichen, was gesellschaftlich von Bedeutung ist, ohne es zu zensieren. ELMER testet diese Ansage mit einem Fake: einem Brief an "Mrs. Angela Merkel", Absender: "Julius Bär". Inhalt: Man würde jetzt ihre Konten in Zürich und Guernsey schließen und sehe sich gezwungen, alle verdächtigen Transaktionen den Behörden mitzuteilen.
Die neue und bis dato unbekannte Institution mit dem Namen "Wikileaks" bestand den Test. Die Bank setzte in den USA, da, wo die Domain registriert ist, eine Sperrung durch, die aber nicht lange hielt, weil auf einmal alle großen US-amerikanischen Medienhäuser merkten, dass so etwas auch sie treffen könnte. Sie fuhren ihr gesamtes juristisches Know-how auf, die Sperrung musste aufgehoben und weltweit wusste seitdem nun jeder, was "Wikileaks" ist. Daraufhin übergab ELMER den beiden Machern der Site, Julian ASSANGE und Daniel DOMSCHEIT-BERG weiteres Material, die alles weltweit verfügbar machten. "Brisante Bekenntnisse eines Bank-Insiders" titelte DER SPIEGEL. Und stellte die Frage: "Held oder Verräter?"
Der weitere Ablauf dieser Geschichte: ELMER musste ins Gefängnis, kam wieder frei und wieder zurück in den Knast, hatte aber - zusammen mit Wikileaks - weltweit so viel Wirbel und Aufmerksamkeit entfacht, dass alle anderen Vorgänge zur Eindämmung der internationalen Steuerflucht einen zusätzlichen Schub bekamen. Wie das Bankgeheimnis letztlich zu einem Schweizer Käse mit vielen Löchern mutierte, haben wir rekonstruiert unter www.ansTageslicht.de/Bankgeheimnis. Rudolf EMLER's Wirken und sein Schicksal ist dokumentiert unter www.ansTageslicht.de/Rudolf-Elmer in einer ausführlichen Variante und kompakt unter www.ansTageslicht.de/Elmer.
Whistleblower, Informanten und Medien beginnen die Welt zu verändern
Bis zum Jahr 2013 waren es immer nur vereinzelte CD's, die aufgetaucht waren, mit einzelnen Namen, darunter auch bekannten VIP's, und die Steuersünder hatten bevorzugt ihre unversteuerten Gelder in der Schweiz geparkt oder in anonyme Stiftungen mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein versteckt, also in Fluchtburgen in Europa. Von jenen abgesehen, die den Service von schweizerischen Banken angenommen hatten, Gelder richtig weit weg in Sicherheit zu bringen, etwa in die Karibik. So weit bekommen beispielsweise deutsche Steuerfahnder keine Dienstreisen genehmigt. Und der behördliche Austausch von Informationen läuft schleppend bis gar nicht.
Dass es Steueroasen auch woanders noch gibt und dass nicht nur korrupte Politiker und Drogenbarone sich den staatsbürgerlichen Pflichten entziehen, sondern auch Politiker mit scheinbar weißer Weste sowie Wirtschaftsmanager, weltberühmte Künstler u.a.m, weiß man seit 4. April 2013.
An diesem Tag hatten 86 Journalisten aus 46 Ländern der Erde das zeitgleich veröffentlicht, woran sie seit knapp eineinhalb Jahren gearbeitet und und in einer beispielslosne Kooperation untereinander ausgewertet hatten: 2,5 Millionen Dokumente bzw. 260 Gibabite Daten: die Off-shore Leaks. Die größte Liste mit Namen, die je das Licht der Öffentlichkeit erreicht hatte: Namen von Banken und Trusts, 122.000 sogenannter Off-shore-Gesellschaften (Briefkastenfirmen) von bekannten und unbekannten reichen Menschen, insgesamt 130.000 an der Zahl. Darunter russische Oligarchen (Mickaol FRIDMANN), die Tochter des philippinischen Dikators MARCOS, die beiden Töchter des aserbaidschanischen Herrschers OLIYEV und viele andere.
Ein Whistleblower hatte alles angeschoben. Er hatte diese Informationen bereits Jahre zuvor den britischen, US-amerikanischen und australischen Behörden angeboten. Viel geschehen war danach nicht. Genauer gesagt: nichts. Erst als der Whistleblower die Festplatten dem australischen Journalisten Gerard RYLE angeboten hatte, der gerade eine präzis ausgearbeitete Rechercheserie über ein gigantisches Betrugskartell publiziert hatte und der gerade zum 'Chef' des Internationalen Konsortiums der investigativ arbeitenden Journalisten (ICIJ) geworden war, kam Bewegung in die Sache.
Mit Bewegung in die Sache ist gemeint: Das politische Klima zum Thema Steuerhinterziehung begann sich ab diesem Tag zu verändern. Keiner der Politiker konnte sich mehr herausreden. Oder rheorische Luftblasen verbreiten.
Schon dewegen nicht, weil es bei den Off-Shore-Leaks 2013 nicht blieb.
Ein Jahr später, 2014: die Luxenburg Leaks (LuxLeaks)
2015: SwissLeaks
2016 dann die panama-papers, die verraten, wo und wie z.B. der russische Staatspräsident PUTIN seine in US-Dollars umgetauschten Rubel versucht hatte, der Öffentlichkeit zu verbergen. Über einen mit ihm befreundeten Musiker.
Bei den panama papers blieb es nicht, 2017 wurden die Paradise-Papers publik. Zu diesem Zeitpunkt war z.B. das schweizeriche Bankgeheimnis löchrig wie ein Schweizer Käse, weil sich die Eidgenossen dem internationalen Druck zum Datenaustausch zwischen Banken und Finanzbehörden nicht mehr widersetzen konnten. Das haben wir ausführlich dokumentiert unter www.ansTageslicht.de/Bankgeheimnis.
Nach 2017 eine kleine Pause bis 2021, als die Pandora Papers öffentlich wurden. Sie sind mit 2,9 TB elfmal so umfangreich wie die Offshore-Leaks, mit denen 2013 alles begonnen hatte.
Die Whistleblower bzw. Informanten bleiben bis heute unbekannt. Eine entscheidende Voraussetzung, wenn Journalisten und Medien mit solchen Informationen arbeiten und der 'hohen Politik' Beine machen wollen. Im Interesse der Steuergerechtigkeit.
(JL)
Online am: 06.10.2022
Aktualisiert am: 11.10.2022
Inhalt:
- Steuerdaten-CD's: eine kleine Chronologie des Steuerbetrugs
- Krieg der Daten und Milliarden
- Whistleblower über Steuerflucht und Bankgeheimnis
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