Die beiden ZAPP-Berichte des NDR, 17.10.2007

Anzeigenboykott - Die teure Rache der Post

Anzeigenboykott - Die teure Rache der Post

von: Gita DATTA und Kuno HABERBUSCH

Es geht um rund 800.000 Euro - Werbeaufträge in dieser Größenordnung hat die Post diese Woche bei deutschen Tageszeitungen storniert. Betroffen von den "Kündigungen" sind vor allem Blätter der Axel Springer AG. Die hatten besonders aggressiv Stimmung gegen die Einführung eines Mindestlohns für Postangestellte gemacht. Und das nicht nur im redaktionellen Teil, sondern auch mit einer Anzeigenkampagne, die in vielen Tageszeitungen abgedruckt wurde. Zapp über die nun teure Rache der Post.

Anmoderation:

Ein Problem mit Anzeigenkunden hat seit dieser Woche auch der Springer Konzern. Allerdings etwas anders gelagert als in Russland. Die Post hat nämlich Werbeaufträge bei einigen Verlagen zurückgezogen, vor allem beim Axel Springer Verlag. Na? Schnackelts? War da nicht die wochenlange Kampagne vor allem der "Bild" gegen die Post? Über Mindestlöhne? Nein, sagt Herr Zumwinkel, Chef von der Post, das hat überhaupt nichts miteinander zu tun. Ist klar, Herr Zumwinkel. Gita Datta und Stephanie Zietz über Anzeigenboykotte und eine neue Runde im Streit um die Postmacht. 

Beitragstext:

Eine absurde Situation: Menschen demonstrieren gegen einen Mindestlohn. Es sind Mitarbeiter des privaten Post Unternehmens PIN. Sie wollen die neun Euro, die Briefzusteller der Deutschen Post zukünftig bekommen, nicht haben. O-Ton: "Sechs Euro sind doch auch schon fair! Sechs Euro sind doch auch schon fair!" Mehrheitsaktionär bei PIN ist der Axel Springer Verlag. Unter anderem in seinen Zeitungen werden auch diese Anzeige abgedruckt: Angela Merkel mit Posthütchen. Dazu der Text: "Liebe Frau Merkel, Sie wurden gewählt, um für Deutschland zu arbeiten und nicht für die Post." Ganzseitige Anzeigen in vielen deutschen Tageszeitungen machen Stimmung gegen Mindestlöhne für Briefzusteller. Horst Röper, Medienwissenschaftler: "Die Kampagne ist natürlich etwas, was es im Journalismus so nicht geben darf. Was wir aber immer wieder erlebt haben, wenn eben große Medienhäuser auch in anderen Branchen aktiv sind, dann benutzen sie ihre publizistische Macht, um ihre ökonomischen Interessen auch in anderen Feldern, ja, schlicht zu verfolgen."

Die Reaktion der Post:

Die Reaktion der Deutschen Post AG folgte diese Woche - frei nach dem Motto: Wie du mir, so ich dir. Sie stoppte Anzeigen von Postbank und DHL im Gesamtwert von 800.000 Euro in mehreren deutschen Tageszeitungen. Offenbar eine Abstrafaktion. Horst Röper: "Dass man sich nun des Anzeigenboykotts bedient, ist sicherlich nicht gerechtfertigt, auch nicht sinnvoll, aber nachvollziehbar zumindest." Hans J. Kleinsteuber, Professor für Kommunikationswissenschaft: "Anzeigenboykotts sind immer mal wieder eine Waffe, um redaktionelle Beiträge zu bestrafen, die sehr negativ sind für ein Unternehmen." 

Kein Einzelfall...

Mit Anzeigenstornierungen negative Berichterstattung zu unterdrücken - das hat auch dieser Mann schon versucht: Hartmut Mehdorn. Es war das Wirtschaftsmagazin "Capital", das 2006 über "Mehdorns Malaise" schrieb. Vier Tage später meldete sich die Werbeabteilung der Bahn und stornierte Anzeigen. "Reiner Zufall" sei das gewesen, so teilte Mehdorns Presseabteilung später mit. Sanktionen gab es auch für die Aldi-Berichterstattung der "Süddeutschen Zeitung". Sie hatte kritisch über den Umgang des Discounters mit seinen Mitarbeitern geschrieben. Prompt schaltete Aldi keine Anzeigen mehr - ein Jahr lang. Ein Millionenverlust für die SZ. Und auch die Telekom ist geübt im sanktionieren negativer Berichterstattung. Das ARD Politmagazin "Panorama" verwendete Telekom-Werbespots für einen kritischen Bericht. Die Telekom stornierte alle Werbespots - "Krach mit der ARD". Wenig später wurden die Strafmaßnahmen zurückgenommen. 

Der kleine aber feine Unterschied...

Und jetzt also die Post. Sie kündigte ihre Anzeigen, allerdings nicht wegen kritischer Berichterstattung, sondern wegen einer fast schon einzigartigen Kampagne. Ein kleiner, aber feiner Unterschied. Hans J. Kleinsteuber: "Bisher ging es darum, dass in redaktionellen Teilen kritisch berichtet wurde über Unternehmen. Jetzt geht es darum, dass zwei Konkurrenten gegeneinander antreten und ein Konkurrent offensichtlich mit massiven Kampagnemitteln versucht, den Gegner anzugreifen." Horst Röper: "Der Springer Konzern will ja diese Postdienste aufbauen als drittes Standbein des Unternehmens, hat viel Geld investiert, sieht nun, dass dieses Investment in Teilen bedroht ist durch neue Regelungen und wehrt sich nun mal in einer Weise, wie man das bei Springer kennt." 

Die Anti-Post Kampagne:

Seit drei Wochen fast täglich: Stimmungsmache gegen die Übernahme des Post-Mindestlohns. "Gift für den Arbeitmarkt", behaupten hier Experten. Betroffene klagen: "Mindestlohn? Der kostet uns den Job!" Befürworter des Mindestlohns kommen nicht zu Wort. Wolfgang Abel, ver.di: "Hier werden einseitig Fakten unterdrückt und damit wird Aktionärsjournalismus betrieben aus meiner Sicht, und wenn man sich mit Journalisten unterhält im Springer-Haus und auch außerhalb des Springer-Hauses, dann kriegt man auch gesagt, unter der vorgehaltenen Hand, dass der Druck auf die Journalisten bestimmte Sachverhalte nicht zu schreiben, sehr groß ist." Ver.di-Bereichsleiter Wolfgang Abel schaltet jetzt sogar für 20.000 Euro Anzeigen in Springer-Blättern, um mit seinen Argumenten für einen Mindestlohn überhaupt noch durchzudringen. Hans J. Kleinsteuber: "Wenn man bedenkt, dass die ganz große Mehrheit der Deutschen, ca. 80 Prozent, Mindestlöhne unterstützt, ist es hier eine Berichterstattung, die ganz einfach wirtschaftliche Interessen des Konzerns folgt und nicht publizistischen Standards." 

Ist der Verhalten der Post gerechtfertigt?

Ist der Anzeigenboykott durch die Post also doch gerechtfertigt? Springer ist sich keiner Schuld bewusst, kritisiert die Post gegenüber Zapp. Zitat: "In einem lebendigen und fairen globalen Wettbewerb sollten Strafaktionen, insbesondere gegenüber Medien eigentlich tabu sein." Eigentlich. Doch im Verhältnis Post und Springer ist alles ganz anders. Ganz sicher hat sich die Post mit dem Anzeigenboykott auch selbst geschadet. Horst Röper: "Im Grunde genommen macht sie also das, was man Springer vorwirft. Nämlich sie versucht Berichterstattung, unabhängige Berichterstattung nun ihrerseits zu beeinflussen, also das ist ein unzulässiges Mittel, das die Post ergriffen hat und sie sollten schleunigst zu ihrem normalen Prozedere zurückkehren." 

Abmoderation:

Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass seit Montag Ruhe ist in der "Bild" - keine Schlagzeilen mehr gegen die Post. Könnte natürlich daran liegen, dass Zapp einen Beitrag dazu gemacht hat. Eher unwahrscheinlich. Oder knickt die "Bild" jetzt doch ein, vor der Macht des Anzeigengeldes?