Süddeutschen Zeitung 2014/2015, 29.04.2014

von Bastian OBERMAYER, Uwe RITZER

Ein bisschen warten

ADAC räumt ein, dass bei der Pannenhilfe nicht alles richtig lief

München – Der Vorwurf rüttelt wie kein anderer am Kern und am Selbstverständnis des ADAC – nämlich seinem Versprechen, mit ihren Fahrzeugen liegengebliebenen Mitgliedern immer so schnell wie möglich zu helfen. Ehemalige Mitarbeiter behaupten zum Teil in eidesstattlichen Versicherungen, dass der ADAC seine Gelben Engel im Zweifel zunächst zu den Kunden großer Automarken schickt, für die der ADAC für gutes Geld die Pannenhilfe leistet. Auch wenn diese keine ADAC-Mitglieder sind. Vor wenigen Tagen noch wies der ADAC diese Vorwürfe als haltlos zurück – Mitglieder würden nicht benachteiligt, hieß es. Ein kategorisches Dementi, von dem der ADAC nun allerdings abrückt.
  In Einzelfällen, so räumt der Automobilklub nun ein, könne es doch vorgekommen sein, dass auf der Strecke gebliebene Mitglieder länger auf Hilfe warten mussten als die Fahrer von Autos, deren Hersteller mit dem ADAC einen sogenannten Assistance-Vertrag abgeschlossen haben. Sofern dies geschehen sei, entspreche es jedoch „nicht unserer gelebten Praxis, dass es keine ungleiche Behandlung bei der Pannenhilfe gibt“, sagt ein ADAC-Sprecher. Und wenn da etwas schiefgegangen sei, dann auch nur, weil eine Dienstvorschrift missverständlich formuliert sei. Die werde man nun überarbeiten.
  Gemäß der „ADAC Anweisung Fallannahme“ müssen Mitarbeiter eingehende Notrufe nach ihrer Priorität in vier Klassen einteilen. Der Begriff „Priorisierung“ sei aber irreführend, da es sich in Wirklichkeit nur um eine „Klassifizierung“ handele, um etwaige Folgeleistungen (Rückholung, Mietwagen etc.) gleich mit erfassen zu können, so der ADAC. Sein Sprecher beharrt darauf: „Die Verallgemeinerung, dass Assistance-Kunden grundsätzlich besser behandelt werden als ADAC-Mitglieder, ist nicht korrekt.“ Jeder müsse im Schnitt 45 Minuten auf einen Gelben Engel warten.
  Priorisierung, Kategorisierung – alles nur Wortklauberei? Weitere Ex-Mitarbeiter bestätigten inzwischen der SZ, dass vielfach Kunden bestimmter Automarken bevorzugt wurden. Und wozu der ADAC auf mehrfache Anfrage nichts sagen wollte, das bestätigt nun sein österreichisches Pendant ÖAMTC. Nämlich, dass es mit den Automarken verbindlich vereinbarte Zeiten gibt, binnen derer der ADAC den Assistance-Kunden helfen muss. Müssen die Kunden der Autofirmen zu lange warten, dann werden Vertragsstrafen fällig.