Süddeutschen Zeitung 2014/2015, 08.05.2014

von Bastian OBERMAYER, Uwe RITZER

„Wir werden uns nicht missbrauchen lassen“

Edda Müller setzt sich für mehr Transparenz im ADAC ein 

Edda Müller will als neues Mitglied im Beirat des ADAC helfen, den Autoclub zu reformieren. Doch die Vorsitzende von Transparency International Deutschland sieht ihre Grenzen. Es gebe viele Kräfte, die Veränderungen im Weg stehen, sagt sie vor der Jahreshauptversammlung, die an diesem Donnerstag in Saarbrücken beginnt. Das klingt nach einer Aufgabe, die weder ihr noch dem ADAC viel Freude machen wird. 


SZ: Frau Müller, kann der ADAC behaupten, 19 Millionen Mitglieder zu vertreten? 


Müller: Nein, das ist natürlich Quatsch. Dieser Anspruch kann und konnte nie erfüllt werden, da muss man zurückschrauben. Der Verein sollte sich eine wesentliche größere Zurückhaltung auferlegen, als das in der Vergangenheit der Fall war. 

 

Warum haben Sie sich entschieden, Beiratsmitglied beim ADAC zu werden? 


Es gibt Kräfte im ADAC, die die notwendige Reform aufrichtig wollen. Die brauchen Unterstützung, denn es gibt auch eine Gegenbewegung, zum Beispiel in den Regionalclubs. Da sagen manche: Der Sturm ist vorbei, die Medien werden weiterziehen, also lasst uns weitermachen wie bisher. Ohne Druck von außen können die Reformgruppen sich kaum durchsetzen. Der Beirat kann helfen diesen Druck nach innen aufrecht zu erhalten. Nach außen können wir helfen, die Reformen zu erklären. Das ist eine spannende Aufgabe, auch weil diese Reform extrem schwierig sein wird. 

 

Welche Rechte hat der Beirat? 


Der Beirat hat beratende Funktion. Er kann keine Entscheidungen vorgeben. Seine Bedeutung ergibt sich aus seiner Wächterrolle und Legitimation für einen ehrlichen und transparenten Reformprozess. Da darf nichts unter den Teppich gekehrt und schön geredet werden. 
Und wenn das doch passiert? Wann sagen Sie: Ohne mich? 
Wenn der ADAC sich dauerhaft nicht bewegt oder unter meinen Vorstellungen bleibt. Ich kann für den ganzen Beirat sprechen: Wir werden uns nicht als Feigenblatt missbrauchen lassen. 

 

Wie muss sich der ADAC verändern? 


Der ADAC muss klären, was er sein will. Will er ein profitorientierter Wirtschaftskonzern sein, oder will er in erster Linie ein Verein sein, der für seine Mitglieder da ist? Beides zur gleichen Zeit kann er nicht sein. 
Aber genau das war er in den vergangenen 20 Jahren: Verbraucherschützer und Geschäftemacher, der sogar zu Lasten der Mitglieder gehandelt hat. 
Diesen Eindruck hat man. Tatsächlich hinterfragt man im ADAC gerade zu recht, ob man jährliche Renditeziele von beispielsweise sechs Prozent anstreben sollte. Daneben hatte der Club eine klare Mitgliederwachstumsstrategie, die den Verein über die 20-Millionengrenze führen sollte. Jetzt muss sich das ändern, wenn der ADAC ein Verein bleiben möchte. Die Frage ist, ob er überhaupt Verein bleiben darf. 
. . . die Prüfung am Registergericht München läuft gerade . . . 
So ist es. Wenn er Verein bleiben darf, müssen sich viele Dinge ändern. Der ADAC wird nicht in denselben Bereichen Geschäfte machen können, in denen er als Tester auftritt. Ein Verbraucherschützer kann nicht auch wie wild Versicherungen verkaufen. Bereiche wie die Pannenhilfe und der Verbraucherschutz müssen von Wirtschaftsinteressen freigehalten werden. Wir haben darum gebeten, alle Interessensverflechtungen im ADAC vorgelegt zu bekommen. Manche Unternehmungen wird der ADAC vielleicht einstellen müssen. 

 

Ist diese Trennung so einfach möglich? 


Nein, es ist extrem kompliziert, niemand kann sagen, ob es funktioniert. Das gesamte Vermögen gehört ja den Mitgliedern. Es wird geprüft, wie und ob man Geschäftsfelder ausgliedern kann. Klar wäre auch, dass diese Geschäfte nicht weiter unter dem Label ADAC laufen könnten. 

 

Was passiert, wenn der ADAC nicht Verein bleiben darf? 


Auch das wird geprüft. Die Lage wäre dann nicht weniger kompliziert. 
Geht eine so tiefgreifende Reform mit dem jetzigen Personal? Ex-Präsident Peter Meyer amtiert weiter als Vorsitzender des mächtigen Regionalclubs Nordrhein. 
Das wird sich zeigen. Der ADAC besteht aus 18 Regionalvereinen und einem übergreifenden ADAC. Die sind alle sind völlig selbständig. 
Das Führungspersonal der Regionalclubs hat viel zu verlieren. Zum Beispiel lukrative Posten als ADAC-Vertragsanwälte, die von den Gremien vergeben werden, in denen sie zum Teil selbst sitzen. 
So etwas geht natürlich nicht. Man kann nicht gleichzeitig Vorsitzender eines Regionalverbandes sein und Aufsichtsratsvorsitzender eines ADAC-Tochterunternehmens. Man kann als Funktionär nicht auf den entscheidenden Posten sitzen und gleichzeitig seine eigene Anwalts-Kanzlei an die Futterkrippe führen. 

 

Sie sind Vorsitzende der Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland. Ist der intransparente ADAC für sie nicht ein Problem? 


Natürlich setze ich mich für Transparenz, für das Vermeiden von Interessenkonflikten und gegen jede Form von Vorteilsnahme ein. Ich kann nicht bestätigen, ob die Vorwürfe zutreffen. Der Beirat wird hierzu Aufklärung verlangen. 

 

Funktioniert das? 

Wir hatten erst wenige Sitzungen. Ich bin noch nicht zufrieden damit, wie intransparent der ADAC mit seinen Vermögensverhältnissen umgeht. Ich werde mich auch für einen vertrauenswürdigen und glaubhaften Schutz von Whistleblowern einsetzen werde. Wer aus dem ADAC heraus oder von außen Missstände anzeigt, darf keine Nachteile erleiden. Da finde ich den bisherigen Vorschlag noch nicht ideal. 
Was erwarten Sie von der Jahreshauptversammlung? 
Ich hoffe, dass die von den Verantwortlichen in der Zentrale formulierten Reformziele volle Unterstützung finden.